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BFH: Vorsteuerberichtigung nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Dreipersonenverhältnis als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 der Insolvenzordnung (InsO)

  1. Der Vorsteuerabzug ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, wenn der Leistende ein (bereits vereinnahmtes) Entgelt zu­rückzahlt, da ein Dritter das Entgelt entrichtet und dessen Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten hat, sowie im Zeitpunkt der Rückzahlung über das Vermögen des Leistungsempfängers das Insolvenzverfahren eröffnet ist.
  2. Dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch ist keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren des Leistungsempfän­gers und darf daher nicht durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzver­walter geltend gemacht werden. Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Tren­nung der Verfahren über die personenverschiedenen Insolvenzschuldner ist hierbei unerheblich, wenn in beiden Verfahren dieselbe Person als Insolvenz­verwalter eingesetzt wurde.

UStG § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
InsO § 35 Abs. 1, § 38, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 134 Abs. 1, § 144 Abs. 1

BFH-Urteil vom 24.8.2023, V R 29/21 (veröffentlicht am 11.1.2024)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 19.8.2021, 11 K 133/20 = SIS 22 10 31

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Ver­mögen der A GmbH, die ‑‑ohne dass umsatzsteuerrechtlich eine Organschaft bestand‑‑ Teil einer unter einer AG als Holdinggesellschaft organisierten Un­ternehmensgruppe war. Über das Vermögen der AG sowie mehrerer ihrer Tochtergesellschaften ‑‑unter anderem auch der B GmbH‑‑ wurden im Jahr 2012 jeweils Insolvenzverfahren eröffnet und ebenfalls jeweils der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

In der Zeit vor der Insolvenzeröffnung bezog die A GmbH Eingangsleistungen von nicht zur Unternehmensgruppe gehörenden Unternehmern, für welche die A GmbH für den Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung den Vorsteuerabzug in Anspruch nahm. Die Eingangsrechnungen wiesen die A GmbH als Leistungs­empfängerin aus, wurden jedoch von der AG und der B GmbH bezahlt. Nach Anfechtung durch den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG und der B GmbH zahlten die Unternehmer im Jahr 2015 (Streitjahr) die von der AG und der B GmbH erhaltenen Gelder zurück.

Nach einer bei der A GmbH vorgenommenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) davon aus, dass die ursprünglichen Zahlungsansprüche der Leistungserbringer aufgrund der Rückgewähr gemäß § 144 der Insolvenzordnung (InsO) wiederaufgelebt seien. Infolgedessen komme es zu einer Vorsteuerberichtigung für die von der A GmbH bezogenen Leistungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zudem vertrat das FA zunächst die Auffassung, dass es sich bei dem hieraus ergebenden Anspruch um eine Insolvenzforde­rung handele, und übersandte dem Kläger eine mit "Berechnung für 2015 über Umsatzsteuer und Zinsen" überschriebene Mitteilung. Eine Anmeldung zur In­solvenztabelle erfolgte nicht.

Später ging das FA hingegen davon aus, dass es sich insoweit nicht um eine Insolvenzforderung, sondern um eine Masseverbindlichkeit handele und es für die gegenüber dem Kläger erfolgte Aufhebung der Steuerberech­nung keiner Änderungsvorschrift bedürfe. Demgemäß erließ es unter Berufung auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr.

Die im Anschluss an das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzge­richte 2022, 973 veröffentlichten Urteil ab. Der Steuerberechnung fehle es an dem für einen Verwaltungsakt erforderlichen Regelungsgehalt. Der Kläger ha­be lediglich in die Lage versetzt werden sollen, die Forderung zu überprüfen und ihr gegebenenfalls bei Anmeldung zur Tabelle zu widersprechen. Der Vor­steuerabzug sei zutreffend berichtigt worden. Durch die nach Insolvenzanfech­tung erfolgte Rückgewähr an den Insolvenzverwalter der AG sowie der B GmbH seien gemäß § 144 InsO die ursprünglichen Zahlungsansprüche der leistenden Unternehmer gegen die A GmbH wiederaufgelebt und als Insolvenz­forderungen im Sinne des § 38 InsO anzusehen. Wegen des nunmehr beste­henden Insolvenzverfahrens der A GmbH seien die vereinbarten Entgelte für die an die A GmbH erbrachten Leistungen nachträglich uneinbringlich gewor­den, so dass die Vorsteuer für die Eingangsleistungen der A GmbH zu berichti­gen gewesen sei. Dies hänge nicht von einer Vereinnahmung des zurückge­zahlten Entgelts durch den Kläger als Insolvenzverwalter der A GmbH ab. Die Berichtigungsansprüche stellten Masseverbindlichkeiten dar und seien daher durch Steuerbescheid geltend zu machen. Unbeachtlich sei hierbei, dass der Kläger hinsichtlich der dem Berichtigungsanspruch zu Grunde liegenden Ein­gangsumsätze keine Anfechtungsansprüche geltend gemacht habe, da zumin­dest ein sonstiger Bezug zur Insolvenzmasse bestehe. Die den Vorsteuerbe­richtigungsansprüchen zu Grunde liegenden Eingangsleistungen und der Vor­steuerabzug seien dem Geschäftsbetrieb der A GmbH, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört habe, zugutegekommen. Zu­dem sei der den Vorsteuerberichtigungsanspruch begründende Tatbestand nicht bereits vor, sondern erst nach Insolvenzeröffnung mit Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts durch die leistenden Unternehmer an den Insolvenz­verwalter der AG beziehungsweise B GmbH im Jahr 2015 vollständig verwirk­licht worden.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das FG habe die Steuerberechnung rechtsfehler­haft nicht als sonstigen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Satz 1 AO qualifi­ziert, der mangels Änderungsmöglichkeit nicht wirksam aufgehoben werden könne. Soweit das FG § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG anwende, verkenne es, dass er, der Kläger, als Insolvenzverwalter der insolventen Leis­tungsempfängerin weder die Anfechtung erklärt noch den angefochtenen Ent­geltbetrag vereinnahmt habe. Denn es handele sich um eine Drittanfechtung, weil nicht die insolvente Leistungsempfängerin, sondern ein mit dieser verbun­denes Unternehmen vor der Insolvenz die Rechnung bezahlt habe. Vielmehr sei § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG maßgeblich. An der hierfür erforderlichen nachträglichen Vereinnahmung des Entgelts fehle es. Zudem bestehe kein Automatismus zwischen Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichti­gung. Auch habe das FG die Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG unzu­treffend verneint. Das Insolvenzverfahren führe nur aus Sicht des (nicht insol­venten) leistenden Unternehmers zur nachträglichen Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung. Für die insolvente Leistungsempfängerin und Entgeltschuld­nerin stelle die Entgeltforderung weiterhin eine wirtschaftliche Belastung und zu passivierende Verbindlichkeit dar. Denn für die wirtschaftliche Belastung komme es nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners an, sondern auf das rechtliche Bestehen der Entgeltforderung gegen den Schuld­ner. Die Vorsteuerberichtigung stelle keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Es liege weder eine Verwaltungs‑, Verwertungs- oder Verteilungsmaßnahme des Klägers vor noch bestehe ein Zusammenhang mit der Insolvenzmasse. Die vor Insolvenzeröffnung erfolgte Bezahlung der Entgeltverbindlichkeiten durch die AG und die B GmbH sei für die A GmbH er­folgsneutral gewesen, da hierdurch Aufwendungsersatzansprüche der AG und der B GmbH in gleicher Höhe entstanden seien. Letztere seien durch die Rück­gewähr erloschen, zugleich seien aber die Entgeltverbindlichkeiten wiederauf­gelebt. Die Anfechtung habe bei der A GmbH damit nur zu einem Gläubiger­tausch geführt, der auf das ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhan­dene Vermögen keinen Einfluss gehabt habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG sowie den Umsatzsteueränderungsbescheid für 2015 vom 22.04.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.06.2020 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Steuerberechnung fehle es an einem Regelungsgehalt; erst durch die An­meldung zur Tabelle werde auf eine Rechtsfolge gezielt. Lediglich im Fall eines Widerspruchs wäre nach § 251 Abs. 3 AO ein Feststellungsbescheid zu erlas­sen. An einer solchen Feststellung fehle es der Berechnung aber gerade. Das Auseinanderfallen von Zahlendem und Leistungsempfänger stehe dem Vor­steuerabzugsrecht des Leistungsempfängers nicht entgegen. Bei einer Rück­gewähr der Zahlung an den Zahlenden sei es nur logisch, dass dann auch der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger korrigiert werde, ohne dass dort die Rückzahlung erfolge. Eine Rückzahlung des Entgelts an den Leistungsempfän­ger sei in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht normiert und nicht erforderlich. In der Folge sei auch die Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichti­gen. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG sei im Streitfall nicht anwendbar. Vielmehr erfordere diese Vorschrift eine vorherige Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG finde keine Anwendung. Die Berichti­gung des Vorsteuerabzugs weise den für § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erforderlichen Bezug zur Insolvenzmasse auf. Zum einen ergebe sich die Uneinbringlichkeit als entscheidendes Tatbestandsmerkmal des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG aus der Insolvenz der A GmbH. Zum anderen sei der Vorsteuerabzug wirt­schaftlich in der Insolvenzmasse enthalten. Soweit der Kläger darauf abstelle, dass Verbindlichkeiten gegenüber den leistenden Unternehmern entstanden seien, minderten diese als Insolvenzforderungen die Insolvenzmasse nicht.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zwar ist das FG zu Recht von einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG ausgegangen. Dieser Berichti­gungsanspruch hat jedoch ‑‑anders als es das FG angenommen hat‑‑ die ge­genüber dem Kläger gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld nicht erhöht.

1. Infolge der Rückgewähr der geleisteten Entgelte an die AG und die B GmbH war bei der A GmbH die Vorsteuer auf die bezogenen Leistungen zu berichti­gen. Der Vorsteuerabzug ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, wenn der Leistende ein (bereits vereinnahmtes) Entgelt zu­rückzahlt, weil ein Dritter das Entgelt entrichtet und dessen Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten hat, sowie im Zeitpunkt der Rückzahlung über das Vermögen des Leistungsempfängers das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, hat der Unternehmer, der diesen Um­satz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wur­de, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemes­sungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Unionsrechtlich beruht die Vorsteuerberichtigung auf Art. 185 Abs. 1 der Richt­linie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehr­wertsteuersystem (MwStSystRL). Danach erfolgt eine Berichtigung des ur­sprünglichen Vorsteuerabzugs insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben.

Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG gilt Abs. 1 dieser Vorschrift sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leis­tung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbring­lich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbe­trag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen keine oder eine nicht vollständi­ge Zahlung geleistet wird, eine Berichtigung verlangen. Nach Art. 186 MwStSystRL legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung der Art. 184 und 185 MwStSystRL fest.

b) Danach war der Vorsteuerabzug bei der A GmbH infolge der Uneinbringlich­keit der vereinbarten Entgelte zu berichtigen.

aa) Die ursprünglichen Zahlungsansprüche der Leistungserbringer gegen die A GmbH sind aufgrund der ‑‑auch bei Tilgung einer fremden Schuld möglichen (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 22.11.2012 ‑ IX ZR 22/12, Zeit­schrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht ‑‑ZInsO‑‑ 2013, 73)‑‑ Anfechtung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO und der Rückgewähr der von der AG und der B GmbH geleisteten Entgelte, die auch im Dreipersonenverhältnis Voraussetzung des in § 144 Abs. 1 InsO angeordneten Wiederauflebens der Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung ist (BFH-Urteil vom 14.12.2021 ‑ VII R 15/19, BFHE 274, 515, Rz 29; BGH-Urteile vom 08.01.2015 ‑ IX ZR 300/13, ZInsO 2015, 446; in ZInsO 2013, 73; vom 04.02.2016 ‑ IX ZR 42/14, ZInsO 2016, 572), wiederaufgelebt. Zugleich sind sie ‑‑da zum Zeitpunkt des Wiederauflebens der Forderungen auch über das Vermögen der A GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war‑‑ als In­solvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO (vgl. BGH-Urteil in ZInsO 2016, 572) und damit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG als uneinbringlich zu behandeln (vgl. BFH-Urteile vom 13.11.1986 ‑ V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c; vom 09.12.2010 ‑ V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 26; vom 24.09.2014 ‑ V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 27; BFH-Beschluss vom 27.09.2017 ‑ XI R 18/16, BFH/NV 2018, 244, Rz 23).

Hierbei steht der Umstand, dass die leistenden Unternehmer jeweils das Entgelt bereits vereinnahmt hatten, der Annahme einer Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht entgegen. Ein Entgelt kann auch nach seiner Vereinnahmung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich werden, wenn es zu einer Rückgewähr des Entgelts kommt und der Unter­nehmer seinen Entgeltanspruch auch nicht anderweitig durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 20.05.2010 ‑ V R 5/09, BFH/NV 2011, 77, Rz 15; vom 15.12.2016 ‑ V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 14). So ist es im Streitfall, in dem die leistenden Unternehmer nicht nur die Entgeltrückge­währ aufgrund der Insolvenzanfechtung im Rahmen der Insolvenzverfahren bei den beiden entgeltentrichtenden Gesellschaften (AG und B GmbH) dulden mussten, sondern aufgrund der zusätzlichen Insolvenzeröffnung bei der die Leistung empfangenden A GmbH ihre Entgeltansprüche auch nicht gegenüber dieser durchsetzen konnten.

bb) Die in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG angeordnete Berichti­gung des Steuerbetrags im Fall der Uneinbringlichkeit hat nach dem ebenfalls von der Rechtsfolgenverweisung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG umfassten § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zwingend ("ist") die Berichtigung des Vorsteuerab­zugs zur Folge (vgl. BFH-Urteile in BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 15; in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 30), ohne dass es im Streitfall inso­weit auf die ‑‑vom Kläger verneinten‑‑ Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ankommt (vgl. hierzu bei Entgeltvereinnahmung nach Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des leistenden Unternehmers BFH-Urteil in BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 10 und 22).

Zugleich findet § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG, wonach es nicht zur Vorsteuerberich­tigung beim Leistungsempfänger kommt, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage ‑‑und damit vorliegend im Rahmen von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Uneinbringlichkeit‑‑ wirtschaftlich nicht begünstigt wird, keine Anwendung, da eine wirtschaftliche Begünstigung des Leistungsempfän­gers (hier der A GmbH) durch die Uneinbringlichkeit eines vereinbarten und weiterhin in unveränderter Höhe geschuldeten Entgelts im Streitfall nicht er­sichtlich ist.

2. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch ist im Streitfall keine Masseverbind­lichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren der Leis­tungsempfängerin und darf daher nicht durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die von einem Insolvenzverwal­ter eines Dritten vorgenommene Anfechtung, die zu einer Vorsteuerberichti­gung beim Leistungsempfänger führt, über dessen Vermögen das Insolvenz­verfahren eröffnet ist, ist keine Handlung des Insolvenzverwalters im Verfah­ren des Leistungsempfängers und nicht durch die Verwaltung der Insolvenz­masse des Leistungsempfängers bedingt.

a) Sonstige Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Ver­bindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO) oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwer­tung und Verteilung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO) begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

b) Eine Steuerschuld entsteht als Masseverbindlichkeit kraft Gesetzes (BFH-Urteil vom 29.08.2007 ‑ IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145), so­weit sie die Insolvenzmasse betrifft. Dies ist der Fall, wenn die Verbindlichkeit durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist (BGH-Urteil vom 12.01.2017 ‑ IX ZR 87/16, ZInsO 2017, 438, Rz 19).

Der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil des Umsatzsteueranspruchs, der für das Kalenderjahr festzusetzen ist, ist durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (BFH-Urteile vom 30.04.2009 ‑ V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138; vom 09.02.2011 ‑ XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000). Die Steuerfestsetzung für die Masse er­fordert dabei eine Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG, bei der die Um­sätze, abziehbaren Vorsteuerbeträge und Berichtigungen insoweit zu berück­sichtigen sind, als diese der Masse zuzuordnen sind. Maßgeblich ist dabei, ob für diese Besteuerungsgrundlagen die Voraussetzungen des § 55 InsO vorlie­gen (BFH-Urteil vom 08.03.2012 ‑ V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466, m.w.N.).

c) Danach ist der im Streitfall in Rede stehende Vorsteuerberichtigungsan­spruch nicht als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO an­zusehen. Es fehlt ‑‑was auch bei Umsatzsteueransprüchen begründenden Tat­beständen, die nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht wurden, erfor­derlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.01.2009 ‑ V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.3.; vom 15.12.2016 ‑ V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 18; vom 29.03.2017 ‑ XI R 5/16, BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738, Rz 26)‑‑ sowohl an einer Handlung des Klägers als Insolvenzver­walter über das Vermögen der A GmbH als auch an einer Begründung durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse der A GmbH.

aa) So folgt der gegen die A GmbH gerichtete Berichtigungsanspruch allein aus Anfechtungen, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG und der B GmbH erklärt hat. Insoweit wurde er je­doch ausschließlich im Interesse der Sicherung der dortigen Insolvenzmasse tätig. Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Trennung der Verfahren über die personenverschiedenen Insolvenzschuldner ist unerheblich, wenn in beiden Verfahren dieselbe Person als Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Zudem haben zur Anfechtung berechtigende unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO ‑‑in Form der Zahlung des für die gegenüber der A GmbH erbrachten Leistungen geschuldeten Entgelts‑‑ ausschließlich die AG und die B GmbH erbracht. Dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH ebenfalls zur Anfechtung berechtigt war ‑‑und damit möglicherweise insoweit eine Amtspflicht zum Handeln bestand‑‑, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

bb) Aus dem Umstand, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH die Uneinbringlichkeit der Forderungen der Leistungs­erbringer im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bewirkt, folgt kein hin­reichender Bezug der hieraus folgenden Berichtigungsansprüche zur Insol­venzmasse. Der damit ‑‑allenfalls‑‑ begründete Bezug zu den Verbindlichkei­ten der A GmbH gegenüber den Leistungserbringern oder zur Schuldenmasse als der Gesamtheit der Verbindlichkeiten des Schuldners reicht hierfür nicht aus (vgl. BGH-Urteil in ZInsO 2017, 438). Der in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ver­wendete Begriff der Insolvenzmasse umfasst das Vermögen des Schuldners im Sinne der Aktiva, nicht aber seine Verbindlichkeiten (§ 35 Abs. 1 InsO).

cc) Vergleichbares gilt, soweit das FA geltend macht, dass der zunächst von der A GmbH vorgenommene Vorsteuerabzug in dem der A GmbH zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörenden Vermögen enthalten sei. Zwar setzt die Berichtigung der Vorsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG deren vorherigen Abzug voraus. Zum einen wird jedoch die Rechtsfolge dieser Vorschrift ‑‑der Berichtigungsanspruch‑‑ ausschließlich durch die Unein­bringlichkeit der Forderungen der Leistungserbringer als Verbindlichkeiten aus­gelöst. Zum anderen handelt es sich bei dem vorgenommenen Vorsteuerabzug ‑‑anders als etwa bei einem Kraftfahrzeug in Bezug auf die Kraftfahrzeugsteu­er (vgl. BFH-Urteil vom 13.04.2011 ‑ II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944)‑‑ nicht um ein konkretes Wirtschaftsgut, über dessen Verwendung oder Verwertung der Insolvenzverwalter in einer Art und Weise bestimmen kann, dass er die Entstehung des Berichtigungsanspruchs verhindern kann.

d) Nicht zu entscheiden ist im Streitfall, ob der Vorsteuerberichtigungsan­spruch zu einer in dem Verfahren der A GmbH zu erfassenden Insolvenzforde­rung (§ 38 InsO) geführt hat oder ob sich aus der Anfechtung weitere Folge­rungen für die Insolvenzverfahren der Zahlenden ergeben.

3. Da die Revision des Klägers bereits aus diesem Grund Erfolg hat und der Klage stattzugeben ist, kann dahinstehen, ob durch die mit "Berechnung für 2015 über Umsatzsteuer und Zinsen" überschriebene Mitteilung des FA vom 05.12.2019 die Umsatzsteuer für das Streitjahr ohne Vorbehalt der Nachprü­fung festgesetzt wurde und ‑‑hierauf aufbauend‑‑ der mit Bescheid vom 22.04.2020 erfolgten Festsetzung der Umsatzsteuer § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO entgegensteht.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob in dem Umstand, dass das FG ausweis­lich des Sitzungsprotokolls sein Urteil nach "Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung" und in Abwesenheit der Beteiligten ‑‑und damit nicht im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 FGO in dem Termin, in dem die mündliche Verhand­lung geschlossen wird, sondern in der mündlichen Verhandlung selbst‑‑ ver­kündet hat, ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens zu sehen ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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