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BFH: Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags (VIII R 7/21)

  1. Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ a.F.; jetzt § 357b BGB) begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer er­werbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird.
  2. Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.
  3. Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 des Einkom­mensteuergesetzes steuerbar.

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 3
BGB § 346, § 348, § 357b
AO § 38

BFH-Urteil vom 7.11.2023, VIII R 7/21 (veröffentlicht am 21.3.2024)

Vorinstanz: FG Köln vom 15.12.2020, 5 K 2552/19 = SIS 21 04 24

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der von einer Bank aufgrund eines widerrufenen Darlehensvertrags gezahlten Nutzungsentschädigung für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen um steuerbare Einkünfte handelt.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden im Jahr 2017 (Streitjahr) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie schlossen am …2005 einen Darlehensvertrag mit der X‑Bank über 208.000 € zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Die Darlehenszinsen waren für 20 Jahre festgeschrieben. Die X‑Bank zahlte das Darlehen aus. Die Kläger leisteten monatliche Zins- und Tilgungsleistungen und Sondertilgungen.

Mit Schreiben vom 21.03.2016 widerriefen die Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen und lösten die noch offene Restvaluta ab. In einem zivilgerichtlichen Verfahren gegen die X‑Bank klagten sie auf einen von ihnen errechneten Betrag in Höhe von 23.444,88 € als von der X‑Bank zu leis­tenden Nutzungsersatz für die von ihnen bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen.

Vor dem Landgericht Y schlossen die Kläger und die X‑Bank am …2017 einen Vergleich. Danach hatte die X‑Bank "zur Abgeltung der Klage­forderung sowie sämtlicher Ansprüche aus dem Darlehensvertrag vom …2005" einen Betrag in Höhe von 14.500 € an die Kläger zu zahlen, der "ganz oder teilweise der Kapitalertragsteuer unterliegt". Die X‑Bank zahlte im Streitjahr nach Abzug von Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kir­chensteuer an die Kläger 10.558,18 € aus.

Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gel­tend, die X‑Bank habe zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehalten. Sie bean­tragten für sämtliche Kapitalerträge die Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzu­wendenden Fassung (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem nicht und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.11.2018 den streitigen Nutzungsersatz (je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin) neben weiteren nicht streitigen Kapitalerträ­gen als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG. Es zog beim Kläger und bei der Klägerin jeweils den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 € ab.

Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 02.12.2018 Einspruch ein und erhoben am 17.10.2019 Untätigkeitsklage gemäß § 46 der Finanzgerichtsord­nung (FGO). Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21.11.2019 als unbegründet zurück.

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 759 mit­geteilten Gründen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass der nach dem Vergleich an die Kläger als Ersatz für Nutzungsvorteile geleistete Betrag zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG füh­re. Der von den Klägern an die X‑Bank als Wertersatz für die Überlassung des ihnen zur Verfügung gestellten Kapitals geleistete Betrag sei gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Ferner sei der Ver­gleichsbetrag nicht in einen steuerpflichtigen Nutzungsersatz und eine nicht­steuerbare Rückzahlung überhöhter Zinsen aufzuteilen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie einen Verfahrensfehler des FG.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 15.12.2020 ‑ 5 K 2552/19 und die Ein­spruchsentscheidung vom 21.11.2019 aufzuheben und den Einkom­mensteuerbescheid für 2017 vom 27.11.2018 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 14.500 € ‑‑je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin‑‑ als nicht steuerbar behandelt wird.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X‑Bank an die Kläger geleiste­te Nutzungsersatz in Höhe von 14.500 € ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (unter II.1.). Die Rückabwicklung des Darle­hensvertrags führt bei den Klägern auch nicht zu Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, sodass sich die Vorentscheidung auch nicht gemäß § 126 Abs. 4 FGO als richtig darstellt (unter II.2.). Die Sache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage wie beantragt statt.

1. Die Entscheidung des FG, dass der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X‑Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 € zu einem Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt, hält einer revisionsrechtlichen Über­prüfung nicht stand. Der Nutzungsersatz ist nicht steuerbar. Er beruht nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit der Kläger und ist mithin nicht inner­halb der steuerbaren Erwerbssphäre angefallen.

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermö­gen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermö­gens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Unter den Begriff der Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbe­stand im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder Nr. 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechts­grund des Anspruchs (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16.06.2020 ‑ VIII R 7/17, BFHE 269, 188, BStBl II 2021, 9, Rz 11).

Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt (BFH-Urteile vom 15.06.2010 ‑ VIII R 33/07, BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503; vom 16.12.2008 - VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118, unter III.1. [Rz 17], m.w.N.). Der Rechts­grund der Kapitalüberlassung ist dabei ebenso ohne Bedeutung wie der Um­stand, ob die zugrundeliegende Kapitalforderung selbst steuerbar ist. Auch eine nicht freiwillige, sondern erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Ein­nahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteile vom 26.06.1996 ‑ VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175; vom 13.11.2007 ‑ VIII R 36/05, BFHE 220, 35, BStBl II 2008, 292; vom 24.05.2011 ‑ VIII R 3/09, BFHE 235, 197, BStBl II 2012, 254, Rz 14; vom 09.06.2015 ‑ VIII R 18/12, BFH/NV 2015, 1616; vom 20.10.2015 ‑ VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342, Rz 25). Zu Einnahmen aus Kapitalvermögen können ferner grundsätzlich auch Nut­zungen als nach gesetzlichen Ansprüchen geleistete Zahlungen gehören (so zu einem Nutzungsersatzanspruch nach § 2287 i.V.m. § 818 Abs. 1 des Bürgerli­chen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ BFH-Urteil vom 06.04.1993 ‑ VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825, unter 2.b [Rz 20 ff.]).

b) Wie die Einkünfteerzielung im Rahmen aller anderen Einkunftsarten setzt die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen im Grundsatz eine erwerbs­gerichtete Tätigkeit voraus. Das gilt auch nach Einführung der Abgeltungsteu­er. Auch innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte ist zwischen der Er­werbssphäre und der nicht steuerbaren Privatsphäre zu unterscheiden. Der aufgrund des Rückgewährschuldverhältnisses nach dem Widerruf des Darle­hensvertrags an die Kläger gezahlte Nutzungsersatz fällt nicht innerhalb der Erwerbssphäre an. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags ist aus der Per­spektive der Kläger keine erwerbsgerichtete Tätigkeit.

aa) Zivilrechtlich führt der Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensver­trags gerichteten Willenserklärungen durch den Darlehensnehmer dazu, dass sich der Vertrag mit Zugang der Widerrufserklärung ex nunc in ein Rückge­währschuldverhältnis wandelt (vgl. nur Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 12.01.2016 ‑ XI ZR 366/15, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht ‑‑WM‑‑ 2016, 454, Rz 7). Nach § 357, §§ 346 ff. BGB in der für das Streitjahr geltenden Fassung hat der Darlehens­nehmer dem Darlehensgeber die Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf (Teil‑)Tilgungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) sowie einen Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darle­hensvaluta herauszugeben (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB). Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer die Herausgabe bereits er­brachter Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) sowie die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halb­satz 2 BGB). Dabei wird widerleglich vermutet, dass der Darlehensgeber Nut­zungen in bestimmter Höhe tatsächlich erzielt hat (BGH-Beschluss vom 22.09.2015 ‑ XI ZR 116/15, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2015, 3441).

Der mit der Reform des Verbraucherschutzrechts in das Bürgerliche Gesetz­buch eingefügte § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 357b BGB), der unter anderem den Anspruch des Darlehensnehmers auf Nutzungsersatz für die Zu­kunft beseitigt hat, ist erst mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucher­rechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungs­vermittlung vom 20.09.2013 (BGBl I 2013, 3642) in Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates eingefügt worden und erstmals auf nach dem 12.06.2014 abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge anwendbar (vgl. Art. 229 § 32 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch).

Die wechselseitigen Rückgewähransprüche stehen sich zivilrechtlich als eigen­ständige Ansprüche gegenüber (BGH-Urteil vom 30.06.2017 ‑ V ZR 134/16, BGHZ 215, 157, Rz 13). Sie sind Zug um Zug zu erfüllen (§ 348 Satz 1 BGB). Soweit eine Seite die Aufrechnung erklärt, hat dies nicht zur Folge, dass der Anspruch der jeweils anderen Seite auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre (BGH-Beschluss vom 22.09.2015 ‑ XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441, Rz 7). Zwischen den wechselseitigen Ansprü­chen besteht keine synallagmatische Verknüpfung. Gleichartige Leistungen werden nicht automatisch saldiert. Der jeweilige Rückgewährgläubiger kann seine Ansprüche auch ohne Rücksicht auf etwaige Gegenansprüche durchset­zen, solange der Rückgewährschuldner keine Gegenansprüche erhebt (vgl. BGH-Urteil vom 25.04.2017 ‑ XI ZR 108/16, NJW 2007, 2102, Rz 19).

bb) Im Hinblick auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen vollzieht sich die Rück­abwicklung eines vom Darlehensnehmer widerrufenen Darlehensvertrags (un­abhängig von der zivilrechtlichen Einordnung) außerhalb der steuerbaren Er­werbssphäre.

(1) Mit dem (wirksamen) Widerruf wird das ursprüngliche Darlehensverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet. Beide Seiten leiten danach ihre wechselseitigen Ansprüche auf Rückzahlung sowie auf Nutzungsersatz aus dem Rückgewährschuldverhältnis und nicht mehr aus dem ursprünglichen Dar­lehensvertrag her (BGH-Beschluss vom 12.01.2016 ‑ XI ZR 366/15, WM 2016, 454, Rz 7). Dieses Rückgewährschuldverhältnis ist maßgeblich für die Besteu­erung. Es bildet die Grundlage für die Tatbestandsverwirklichung im Sinne von § 38 der Abgabenordnung.

(2) Das Rückgewährschuldverhältnis ist allein darauf gerichtet, den ursprüngli­chen Leistungsaustausch rückgängig zu machen (BGH-Beschluss vom 12.01.2016 ‑ XI ZR 366/15, WM 2016, 454, Rz 16; BGH-Urteil vom 21.02.2017 ‑ XI ZR 467/15, WM 2017, 906, Rz 21). Es unterscheidet sich da­rin vom Darlehensvertrag, der als Dauerschuldverhältnis eine Vielzahl in die Zukunft gerichteter Pflichten statuiert, die durch den Austausch von Zahlungen nicht vollständig abgebildet werden können (BGH-Urteil vom 21.02.2017 ‑ XI ZR 467/15, WM 2017, 906, Rz 21).

(3) Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH fehlt es bei der Rück­abwicklung des Erwerbs einer Beteiligung an einem geschlossenen Immo­bilienfonds an einem marktoffenbaren Vorgang und an einem Veräußerungs­geschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Ausgleich der ge­zogenen Nutzungen stellt wie die Rückgabe der zuvor erworbenen Rechtspo­sitionen in diesem Zusammenhang keinen Vorgang innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rück­abwicklung des ursprünglichen Leistungsaustauschs dar (BFH-Urteile vom 06.09.2016 ‑ IX R 27/15, BFHE 255, 176, BStBl II 2018, 335, Rz 22; vom 31.01.2017 ‑ IX R 26/16, BFHE 257, 78, BStBl II 2018, 341, Rz 14). Die Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags ist damit wirtschaftlich vergleichbar.

(4) Die im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses vom Darlehensnehmer vereinnahmten Leistungen liegen für ihn jedenfalls dann außerhalb der steuer­baren Erwerbssphäre, wenn es sich um ein reines Rückabwicklungsverhältnis handelt. Daran würde es fehlen, wenn die wechselseitig erbrachten Leistungen nicht nur die Rückabwicklung des ursprünglichen Vertrags bewirken, sondern auch noch anderen Zwecken dienen sollten. Ob das der Fall ist, hat das FG auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Handelt es sich nach den Feststellungen des FG um ein reines Rückabwicklungsverhältnis, kommt es nicht darauf an, ob die Rückabwicklung einvernehmlich, durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen worden ist.

(5) Das FG hat den zwischen den Klägern und der X‑Bank geschlossenen Ver­gleich dahingehend ausgelegt, dass in ihm ausschließlich die wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens erledigt werden sollten. Dagegen sind keine zulässigen und be­gründeten Verfahrensrügen erhoben worden. Die Auslegung des FG verstößt auch nicht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze oder Denk- und Erfah­rungssätze und ist daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.10.2001 ‑ VIII B 30/01, BFH/NV 2002, 191, m.w.N.; vom 05.12.2006 ‑ VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490, unter 2.c [Rz 10]).

cc) Der von den Klägern vereinnahmte Nutzungsersatz ist nicht isoliert zu se­hen und deshalb als steuerbar zu behandeln, weil sich die Situation aus Sicht der Kläger nach dem Widerruf des Darlehensvertrags so darstellt, als hätten die Kläger der X‑Bank entgeltlich Kapital in Höhe der erbrachten Zins- und Til­gungsleistungen überlassen.

(1) Das Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln (zur Einheitsbe­trachtung vgl. BFH-Urteile vom 23.04.2021 ‑ IX R 20/19, BFHE 273, 157, BStBl II 2021, 687, Rz 23 zum Edelmetall-Pensionsgeschäft sowie vom 20.06.2023 ‑ IX R 15/21, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 21: Einheitsbetrachtung abgelehnt für Darlehen und Zins-Währungs-Swap).

Die zivilrechtlich selbständigen wechselseitigen Ansprüche des Rückgewähr­schuldverhältnisses stehen wirtschaftlich in so enger Verbindung zueinander, dass sich ihre isolierte Betrachtung als künstliche Aufspaltung eines einheitli­chen Lebensvorgangs darstellen würde. Sämtliche Ansprüche entstehen uno actu durch den einseitigen Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensver­trags gerichteten Willenserklärungen des Darlehensnehmers. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungsersatz ist nicht ohne den gegenläufigen Anspruch auf Herausgabe von Wertersatz denkbar (vgl. Jooß, Deutsches Steuerrecht 2021, 1025, 1028). Zivilrechtlich ist zwar eine automatische Saldierung der jeweiligen (ausschließlich) auf Geld gerichteten Ansprüche ausgeschlossen (BGH-Urteile vom 26.06.1991 ‑ VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47; vom 30.06.2017 ‑ V ZR 134/16, BGHZ 215, 157; BGH-Beschluss vom 12.01.2016 ‑ XI ZR 366/15, WM 2016, 454). Gleichwohl können die Ansprüche der einen Seite im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses nicht ohne die Gegenan­sprüche des Vertragspartners entstehen (BGH-Urteil vom 03.03.2016 ‑ IX ZR 132/15, NJW 2016, 2118, Rz 25). Die Einzelansprüche aus dem Rück­gewährschuldverhältnis haben für sich genommen, da sie sämtlich auf Geld gerichtet sind und sich aufrechenbar gegenüberstehen, keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung.

(2) Vor diesem Hintergrund kann der vom Darlehensnehmer vereinnahmte Nutzungsersatz auch nicht als Gegenleistung für eine unfreiwillige Kapitalüber­lassung in Form der vom Darlehensgeber zurückzugewährenden Zins- und Tilgungsleistungen angesehen werden (vgl. zur Fallgruppe der unfreiwilligen Kapitalüberlassung z.B. BFH-Beschluss vom 01.08.2023 ‑ VIII R 8/21, BFHE 281, 57, BStBl II 2023, 1043; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Abgeltung­steuer auch BFH-Urteil vom 24.05.2011 ‑ VIII R 3/09, BFHE 235, 197, BStBl II 2012, 254, Rz 15). Auf der Grundlage der gebotenen Einheitsbetrachtung sind die einzelnen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nicht für sich betrachtet Teil einer steuerbaren erwerbsgerichteten Tätigkeit. Die zivilrechtli­che Einordnung des BGH, wonach der ehemalige Darlehensnehmer im Hinblick auf die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (rückwirkend) so gestellt wird, als hätte er von Anfang an "eine verzinsliche Wertanlage" erworben bezie­hungsweise als wäre ihm die Möglichkeit der Kapitalnutzung für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen entzogen gewesen (vgl. z.B. BGH-Be­schluss vom 12.01.2016 ‑ XI ZR 366/15, NJW 2016, 2428, Rz 20), ändert an der steuersystematisch (s. oben 1.b bb) wie wirtschaftlich gebotenen Ein­heitsbetrachtung nichts.

(3) Dass der Widerruf des Darlehensvertrags für den ehemaligen Darlehens­nehmer keine erwerbsgerichtete Tätigkeit ist, wird bei der gebotenen Einheits­betrachtung auch daraus deutlich, dass der ehemalige Darlehensnehmer im typischen Fall der Rückabwicklung (bei Saldierung der wechselseitigen Ansprü­che) keinen Gesamtüberschuss erzielen kann. Die von ihm zurückzugewäh­renden Leistungen übersteigen der Höhe nach in der Regel die vom Darle­hensgeber zurückzugewährenden Leistungen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die reine Rückabwicklung des Darlehensvertrags zum Beispiel von einem steuerbaren Termingeschäft wie einem Zinsswap gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG, bei dem beide Seiten einen positiven Differenzausgleich erzielen können und der deshalb der Erwerbssphäre zuzuordnen ist. Wirtschaftlich bewirkt die Rückabwicklung des Darlehensvertrags aus der Sicht des Darlehensnehmers bei globaler Betrachtung letztlich nur eine Verringerung der bis zum Widerruf auf das Darlehen zu zahlenden Zinsen oder des Wertersatzes für die Ge­brauchsvorteile. Das gilt auch dann, wenn die Parteien des ursprünglichen Darlehensvertrags ‑‑wie im Streitfall‑‑ anstelle der Leistung von Wertersatz an die Bank auf eine Rückabwicklung der vom Darlehensnehmer geleisteten Zin­sen verzichten.

2. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Er­gebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Der von der X‑Bank geschuldete Nutzungsersatz ist nicht nach der allein in Betracht kommenden Regelung zu den Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.

Gemäß § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Nr. 1, 1a, 2 oder 4 gehören, wie beispielsweise Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung bewegli­cher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (BFH-Urteile vom 12.09.1985 ‑ VIII R 306/81, BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252, unter 1.b [Rz 30]; vom 02.07.2018 ‑ IX R 31/16, BFHE 262, 102, BStBl II 2018, 759, Rz 24). § 22 Nr. 3 EStG erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer erwerbsgerichteten Tätigkeit (Leistung) und setzt wie diese die allgemei­nen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (BFH-Urteil vom 10.11.2020 ‑ IX R 32/19, BFHE 271, 218, BStBl II 2023, 169, Rz 32).

Der Annahme eines steuerbaren Leistungsaustauschs steht im Streitfall da­nach auch bei der Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG entgegen, dass die bei der gebotenen Einheitsbetrachtung aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags verein­nahmten Einzelleistungen nicht in der Erwerbssphäre angefallen sind. Dies kann im Rahmen von § 22 Nr. 3 EStG nicht anders beurteilt werden als im Anwendungsbereich des § 20 EStG. Die Rückgewähr der jeweiligen Rechtspositionen aus dem Darlehensvertrag sowie der Ausgleich der gezogenen Nutzungen sind deshalb keine steuerbaren Leistungen im Sinne der Vorschrift.

3. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg hat, kommt es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 03.12.2019 ‑ VIII R 23/16, BFH/NV 2020, 853, Rz 31, m.w.N.).

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundlagen ausgegangen. Sein Urteil ist des­halb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage statt. Der ‑‑nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG‑‑ im Rahmen einer reinen Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X‑Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 € ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und keine steuerbare Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Der ange­fochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.11.2018 ist wie beantragt dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermö­gen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG ein Betrag von 14.500 € ‑‑je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin‑‑ nicht bei den laufenden Kapitalerträgen ange­setzt wird.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Konditionen
  • Online-Datenbank schon ab 32,00 € inkl. USt

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