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BFH: Lieferung von herrenlosen Tieren (aus dem Ausland); Steuerbarkeit, Steuerpflicht und Steuersatz

Die Lieferung von herrenlosen Tieren, die aus dem Ausland in die Bundesre­publik Deutschland gebracht worden sind, kann dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes unterliegen, wenn die herrenlosen Tiere einerseits und die von gewerblichen Tierhändlern, die dem Regelsteuersatz unterliegen, gehandelten Tiere andererseits nicht gleich­artig sind (und daher kein Wettbewerb besteht).

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
AO § 65, § 14
MwStSystRL Art. 98 Abs. 2 und 3
FGO § 107
BGB § 958

BFH-Beschluss vom 18.10.2023, XI R 4/20 (veröffentlicht am 29.2.2024)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 21.1.2020, 2 K 114/19 = SIS 19 21 55

A. Streitig ist, ob die als "Vermittlung" bezeichnete Lieferung herrenloser Tiere, die aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ver­bracht worden sind, der Umsatzsteuer unterliegt und welcher Steuersatz anzu­wenden ist. Herrenlose Tiere sind nach der Definition des Deutschen Tier­schutzbunds wildgeborene Tiere oder Haustiere, die ausgesetzt oder vom Hal­ter zurückgelassen worden sind und in niemandes Eigentum stehen.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein 2010 gegründeter, als ge­meinnützig anerkannter Tierschutzverein. Der Vereinszweck ist in der Satzung wie folgt bestimmt:

"§ 2 - Zweck des Vereins
Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zweck im Sinne des Abschnittes 'steuerbegünstigte Zwecke' der Abgabenordnung.
Zwecke des Vereins sind insbesondere:
  • Vertretung und Förderung des Tierschutzgedankens in Europa,
  • Tiere in Europa vor Leid, Quälerei, Misshandlungen und Missbrauch zu schützen,
  • in Not geratene Tiere in gute Hände zu vermitteln,
  • Hilfestellung bei der Vermittlung von ausländischen Tieren ins Inland,
  • Aufklärung über Tierschutzprobleme,
  • die Einrichtung von Pflegestellen für aufgenommene Tiere,
  • Spendenaktionen und Sammlungen durchzuführen, deren Erträge nur für Zwecke des Tierschutzes verwendet werden,
  • Unterstützung von projektbezogenen Kastrationen.
Der Zweck wird durch einen festen ehrenamtlichen Mitarbeiterstamm und ehrenamtlicher Helfer verwirklicht."

In den Jahren 2010 bis 2016 (Streitjahre) "vermittelte" der Kläger Tiere aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Die inländischen Interessenten zahlten da­für je nach Tierart, Rasse, Alter und Gesundheitszustand eine "Schutzgebühr" von regelmäßig rund 300 € an den Kläger, die in Einzelfällen ermäßigt wurde.

Die "Schutzgebühren" beliefen sich 2011 auf 39.701 €, 2012 auf 45.600 €, diesen Umsätzen waren betreffende Vorsteuern von 3.699,82 € (2011) bezie­hungsweise von 3.815,12 € (2012) zuzuordnen. Der Kläger vertrat für die Jahre 2011 und 2012 die Auffassung, er sei mit der "Tiervermittlung" kein Un­ternehmer. Für die Folgejahre (2013 bis 2015) meldete der Kläger die "Schutzgebühren" als Umsätze aus einem Zweckbetrieb mit dem ermäßigten Steuersatz an.

Aufgrund einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (Fi­nanzamt ‑‑FA‑‑) die Auffassung, dass es sich dabei in allen Jahren um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handele, der dem allgemeinen Steuersatz unterliege, und erließ entsprechende Steuerbescheide. Die Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 08.01.2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es an, dass die Vermittlung von Tieren ein wirtschaftli­cher Geschäftsbetrieb, aber kein Zweckbetrieb sei. Die Vermittlung als solche sei nur einer von mehreren satzungsmäßigen Zwecken, eine entgeltliche Ver­mittlung sei in der Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen. Zudem trete der Kläger in Konkurrenz zu ähnlichen Vereinen und zu gewerblichen Hundezüch­tern.

Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die Umsätze seien nicht steuer­bar. Hilfsweise unterlägen sie als Umsätze eines Zweckbetriebs dem ermäßig­ten Steuersatz.

Während des finanzgerichtlichen Klageverfahrens erließ das FA am 12.06.2019 Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2013 und 2014.

Das Finanzgericht (FG) Nürnberg gab der Klage mit Urteil vom 21.01.2020 ‑ 2 K 114/19 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 425) statt. Die "Ver­mittlung" von Tieren als steuerbarer Umsatz unterliege in allen Jahren dem er­mäßigten Steuersatz. Der Kläger habe durch die "Vermittlung" von Tieren zwar steuerpflichtige Umsätze ausgeführt, da er in eigener Verantwortung am Markt aufgetreten sei und gegen Bezahlung Leistungen erbracht habe. Diese Tätig­keit unterliege aber gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuerge­setzes (UStG) dem ermäßigten Steuersatz, weil sie ein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 der Abgabenordnung (AO) sei. Der Kläger sei nicht in größerem Um­fang in Wettbewerb zu nicht begünstigten Betrieben getreten, als es bei Erfül­lung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar sei.

Mit der Revision rügt das FA, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG nicht auf die "Vermittlung" von Tieren anzuwenden sei. Bei dem Betrieb des Klägers handele es sich um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und nicht um einen Zweckbetrieb. Die entgeltliche "Tiervermittlung" sei nicht das einzige und unentbehrliche Mittel des Vereins, um den gemeinnützigen Zweck des Tierschutzes zu verwirklichen. Dies zeige bereits der Umstand, dass die "Ver­mittlung" von Tieren nur eine von mehreren Aktivitäten zum Zweck des Tier­schutzes sei‚ die der Verein laut seiner Satzung verfolge. Die daneben ausge­übten Aktivitäten zur Förderung des Tierschutzes, die der Verein in seiner Sat­zung nenne, könnten weiter ausgeführt werden, wenn auf die "Tiervermitt­lung" verzichtet würde. Das FG berücksichtige nicht, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs verhin­dern wolle. Hierzu komme es aber, wie die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ (Urteil Pfotenhilfe-Ungarn vom 03.12.2015 ‑ C‑301/14, EU:C:2015:793, Rz 25) und des FG Baden-Württemberg (Beschluss vom 18.04.2011 ‑ 14 V 4072/10, juris) zeigten. Es komme zu einer Konkur­renz mit anderen Tierhändlern.

Das FG verkenne, dass der verfolgte gemeinnützige Zweck nicht nur durch die "Tiervermittlung" erreicht werden könne, sondern auch durch andere Aktivitä­ten. Die Entscheidung widerspreche dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Carsharing (Urteil vom 12.06.2008 ‑ V R 33/05, BFHE 221, 536, BStBl II 2009, 221).

Das FA beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Vorentscheidung. Der Streitfall sei nicht mit dem Sachverhalt des Carsharing, der dem BFH-Urteil vom 12.06.2008 ‑ V R 33/05 (BFHE 221, 536, BStBl II 2009, 221) zu Grunde lag, vergleichbar. Ein Vergleich vertrage sich nicht mit der Stellung des Tieres einerseits und von Sachen gemäß §§ 90 ff. BGB andererseits. Auch bestehe kein Wettbewerb. Es sei unmöglich, heute eine "Tiervermittlung" wirtschaftlich auskömmlich als Marktteilnehmer zu betreiben. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, dass der Kläger ‑‑wie das FA meine‑‑ auch andere Aktivitäten als Tiervermittlung be­treiben könne.

B. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Ver­handlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die hier streitigen Leistun­gen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz un­terliegen.

I. Der Kläger hat nicht, wie das FG möglicherweise meint, Tiere vermittelt, sondern die Tiere an die neuen Tierhalter geliefert.

1. Eine Vermittlungsleistung liegt vor, wenn eine Mittelsperson, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrages einnimmt und deren Tätigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrages erbracht werden, unterscheidet, das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen (vgl. BFH-Urteile vom 12.12.2012 ‑ XI R 30/10, BFHE 239, 526, BStBl II 2013, 348, Rz 28; vom 15.03.2022 ‑ V R 35/20, BFHE 276, 377, BStBl II 2023, 150, Rz 18). Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln.

2. Eine Lieferung von Gegenständen hingegen bezieht sich nicht auf die Eigen­tumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (EuGH-Urteil Evita‑K vom 18.07.2013 ‑ C‑78/12, EU:C:2013:486, Rz 33; BFH-Urteil vom 11.03.2020 ‑ XI R 7/18, BFH/NV 2020, 1288, Rz 16). Gegenstände können zum Beispiel auch ohne zivilrechtliche Eigentumsverschaffung geliefert wer­den, wenn dem "Lieferer" die Befähigung, rechtlich über die Gegenstände zu verfügen, fehlt (vgl. EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22.10.2015 ‑ C‑277/14, EU:C:2015:719, Rz 44; BFH-Urteil vom 08.09.2011 ‑ V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 20, m.w.N.).

3. Ausgehend davon hat der Kläger Tiere, die gemäß § 90a BGB wie Sachen behandelt werden (zutreffend Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuer-An­wendungserlasses; s.a. EuGH-Urteil Pfotenhilfe-Ungarn vom 03.12.2015 ‑ C‑301/14, EU:C:2015:793, Rz 47), an die neuen Halter geliefert, indem er sie dazu ermächtigt hat, über die Tiere zumindest faktisch so zu verfügen, als wären sie ihre Eigentümer, ohne dass der Senat entscheiden müsste, ob die neuen Tierhalter hierdurch zivilrechtlich Eigentum erworben haben (§ 958 BGB). Für diese Lieferung hat der Kläger die "Schutzgebühren" als Entgelte erhalten. Eine Vermittlungsleistung scheidet aus, da unbekannt ist, wem die herrenlosen Tiere zuvor gehört haben.

II. Entgegen der Auffassung des Klägers ist er mit diesen Tätigkeiten wirt­schaftlich tätig, wie das FG zu Recht beiläufig angenommen hat.

1. Auch Vereine ‑‑wie der Kläger‑‑ können eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG selbständig ausüben und daher Unter­nehmer sein (vgl. BFH-Urteile vom 13.12.2018 ‑ V R 45/17, BFHE 263, 375, BStBl II 2019, 460, Rz 15; vom 21.04.2021 ‑ XI R 31/20 (XI R 34/18), BFHE 273, 344, Rz 19); insbesondere gehört ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) zum unternehmerischen Bereich (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.08.2013 ‑ XI R 4/11, BFHE 243, 41, BStBl II 2014, 282, Rz 32). Für die Be­urteilung der Tätigkeit als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit ist ohne Bedeutung, dass der Kläger damit zugleich auch einen seiner Satzungs­zwecke verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleich­zeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt (vgl. BFH-Urteil vom 18.03.2004 ‑ V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798, unter II.A.1.a).

2. Nach diesen Grundsätzen unterhielt der Kläger mit der "Tiervermittlung" ei­nen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO, mit dem er steu­erpflichtige Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausführte, in­dem er in eigener Verantwortung am Markt auftrat und gegen Entgelt Liefe­rungen ausführte. Dies entspricht dem EuGH-Urteil Pfotenhilfe-Ungarn vom 03.12.2015 ‑ C‑301/14, EU:C:2015:793, Rz 31, das in anderem Zusammen­hang die entgeltliche "Vermittlung" von herrenlosen Hunden auf der Grundlage des Abschlusses von "Schutzverträgen" als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen hat, auch wenn der Verein einen Gewinn weder anstrebt noch erzielt.

3. Da sich der Kläger insoweit wie ein typischer Händler verhalten hat, der in Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das ge­meinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als Steuerpflichtiger genannt ist (vgl. zur Orientierung am typischen Fall und den gewöhnlichen Umständen EuGH-Urteile Enkler vom 26.09.1996 ‑ C‑230/94, EU:C:1996:352, Rz 28 f.; Gemeente Borsele und Staatssecretaris van Financien vom 12.05.2016 ‑ C‑520/14, EU:C:2016:334, Rz 30 f.; Gmina L. vom 30.03.2023 ‑ C‑616/21, EU:C:2023:280, Rz 43 und 47; Gmina O. vom 30.03.2023 ‑ C‑612/21, EU:C:2023:279, Rz 35 und 38), bestehen an der Unternehmereigenschaft des Klägers auch keine sonstigen Zweifel.

III. Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass diese Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ist auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO), der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftli­chen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG). Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt wer­den, gilt die Steuerermäßigung nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Li­nie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz un­terliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeich­neten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG).

2. Ein Zweckbetrieb (§ 65 AO) ist gegeben, wenn er in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Ge­schäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuer­begünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Für die Annahme ei­nes Zweckbetriebs müssen alle drei Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BFH-Ur­teile vom 09.04.1987 ‑ V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659; vom 12.06.2008 ‑ V R 33/05, BFHE 221, 536, BStBl II 2009, 221, unter II.2.; vom 29.01.2009 ‑ V R 46/06, BFHE 224, 176, BStBl II 2009, 560, unter II.2.c bb; vom 23.07.2009 ‑ V R 93/07, BFHE 226, 435, BStBl II 2015, 735, unter II.5.a; vom 18.08.2011 ‑ V R 64/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 784, Rz 30; vom 13.06.2012 ‑ I R 71/11, BFH/NV 2013, 89, Rz 11; vom 30.11.2016 ‑ V R 53/15, BFHE 255, 513, BStBl II 2017, 1224, Rz 16).

3. Unionsrechtlich beruht § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG auf Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL (vgl. BFH-Beschluss vom 03.08.2022 ‑ XI R 11/19, BFHE 277, 33, BStBl II 2023, 202, Rz 12 f.).

a) § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist deshalb unionsrechtlich in der Weise einschränkend anzuwenden, dass die Mitgliedstaaten insbesondere "nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwen­den ..., sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind" (EuGH-Urteil Kommission/Frankreich vom 17.06.2010 ‑ C‑492/08, EU:C:2010:348, Rz 43; vgl. auch BFH-Urteile vom 10.08.2016 ‑ V R 11/15, BFHE 255, 293, BStBl II 2018, 113, Rz 22; vom 23.07.2019 ‑ XI R 2/17, BFH/NV 2020, 69, Rz 17; vom 03.08.2022 ‑ XI R 11/19, BFHE 277, 33, BStBl II 2023, 202, Rz 14).

b) Dies führt weiter dazu, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG nicht mit Unionsrecht vereinbar ist, weil einer unionsrechtskonformen Auslegung des Satzes 1 der Wortlaut der Vorschrift entgegensteht (vgl. BFH-Urteile vom 08.03.2012 ‑ V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, Rz 20; vom 24.09.2014 ‑ V R 11/14, BFH/NV 2015, 528, Rz 46).

c) Außerdem hat dies zur Folge, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG, soweit sie zur Anwendung des Regelsteuersatzes führen, weit auszule­gen sind (vgl. BFH-Urteile vom 20.03.2014 ‑ V R 4/13, BFHE 245, 397, Rz 25; vom 08.03.2012 ‑ V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, Rz 30). Der ermäßigte Steuersatz darf nur insoweit angewendet werden, als er zu keiner oder einer nur geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt (vgl. BFH-Urteile vom 26.08.2021 ‑ V R 5/19, BFHE 274, 284, Rz 54; vom 23.07.2019 ‑ XI R 2/17, BFHE 266, 91, Rz 23; vom 05.04.2023 ‑ V R 14/22, BFHE 280, 348, Rz 27).

d) § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG ist auf alle Zweckbe­triebe und damit auch auf Zweckbetriebe im Sinne von § 65 AO anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 26.08.2021 ‑ V R 5/19, BFHE 274, 284, Rz 44). Ein Zweckbetrieb dient bereits dann vorrangig der Erzielung von Einnahmen, wenn es sich um den einzigen Tätigkeitsgegenstand des jeweiligen Zweckbetriebs handelt (vgl. BFH-Urteil vom 26.08.2021 ‑ V R 5/19, BFHE 274, 284, Rz 51).

4. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Annahme des FG, im Streitfall lä­gen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG vor, revisions­rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das FG hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs (§ 65 AO) bejaht (vgl. unter Berufung auf den Streitfall BFH-Urteil vom 21.04.2022 ‑ V R 26/20, BFHE 276, 498, BStBl II 2022, 599, Rz 29).

aa) So dient die "Vermittlung" der herrenlosen Tiere durch den Kläger der Ver­wirklichung der satzungsmäßigen Zwecke des Vereins (§ 65 Nr. 1 AO). Insbe­sondere diente die "Vermittlungstätigkeit" den konkret in § 2 Satz 2 Spiegel­striche 3 und 4 der Vereinssatzung genannten Zwecken, in Not geratene Tiere in gute Hände zu "vermitteln" sowie Hilfestellung bei der "Vermittlung" von ausländischen Tieren ins Inland zu geben.

bb) Diese Zwecke konnten nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden (§ 65 Nr. 2 AO). Vor allem die Vereinnahmung von "Schutzgebühren" ist unerlässlich, um die in Not geratenen Tiere "in gute Hände" zu "vermitteln" (Spiegelstrich 3). Sie gewährleistet einerseits einen Kostenbeitrag für die ent­standenen Ausgaben des Klägers, um die herrenlosen Tiere für eine inländi­sche "Vermittlung" bereitzuhalten, und dient andererseits dazu, bei der "Ver­mittlung" ein Minimum an Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit des Erwerbers zu gewährleisten, was dem Tierwohl dient. Dies wird dadurch bestätigt, dass Tier­schutzvereine und Tierheime allgemein "Schutzgebühren" erheben.

cc) Die Annahme des FG, der Geschäftsbetrieb des Klägers trete auch nicht zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeid­bar ist (§ 65 Nr. 3 AO), hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

(1) Von einem Wettbewerb mit anderen Anbietern herrenloser Tiere kann nicht ausgegangen werden. Diese Überlegung ist ‑‑wie das FG annimmt‑‑ rein theo­retischer Art. Zudem hat das FG festgestellt ‑‑woran der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist‑‑, dass ein konkreter gegenwärtiger Wettbewerb nicht gegeben war (siehe dort Rz 28 der Urteilsgründe).

(2) Ebenso ist die tatsächliche Würdigung möglich und nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, dass ein Wettbewerb zu gewerblichen Tierhändlern nicht bestehe, weil der Kläger regelmäßig Hunde "vermittele", die bisher von kommerziellen Züchtern oder Händlern nicht angeboten werden (Rz 28 der Vorentscheidung), ohne dass der Senat entscheiden müsste, ob nicht in anderen Fällen auch eine andere Würdigung möglich wäre (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.04.2011 ‑ 14 V 4072/10, juris).

Der Senat berücksichtigt dabei, dass die unklare Herkunft herrenloser Tiere (zum Beispiel von Hunden) nicht vergleichbar ist mit der klaren Herkunft von Tieren (zum Beispiel von Hunden), die gewerbliche Tierhändler verkaufen. Über die Herkunft der herrenlosen Tiere und die Erfahrungen, die sie in ihrem früheren Leben gemacht haben, ist in der Regel wenig bis nichts bekannt, so dass zum Beispiel nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie an Verhaltens­auffälligkeiten oder Ähnlichem leiden. Ob die Eingewöhnung eines herrenlosen Tiers bei einem neuen Tierhalter gelingen wird, ist daher nicht gewiss; ein Teil der herrenlosen Tiere bleibt üblicherweise "nicht vermittelbar". Tierhändler hingegen handeln insbesondere mit Jungtieren, deren artgerechte Aufzucht lü­ckenlos nachverfolgt werden kann und bei denen solche Gefahren daher nicht in vergleichbarer Weise bestehen. Die Tiere der Tierhändler sind teilweise so­gar reinrassig und verfügen über einen entsprechenden Stammbaum. Sie wer­den daher auch ‑‑im Vergleich mit herrenlosen Tieren‑‑ zu wesentlich höheren Preisen angeboten.

(3) Sind Gegenstände (hier: Tiere) aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht gleichartig, darf auf sie ein unterschiedlicher Steuersatz angewendet werden (vgl. zuletzt EuGH-Urteil Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (TVA pour boissons chaudes lactées) vom 05.10.2023 ‑ C‑146/22, EU:C:2023:739, Rz 46). An der Gleichartigkeit der Tiere fehlt es hier, weil die unter (2) ge­nannten Unterschiede von herrenlosen Tieren einerseits und (von Tierhänd­lern) gehandelten Tieren andererseits die Kaufentscheidung des Durchschnitts­verbrauchers erheblich beeinflussen.

b) Letztlich aus demselben Grund scheitert die Steuersatzermäßigung auch nicht an § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG.

aa) Zwar findet die zweite Alternative des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG im Streitfall keine Anwendung, weil dieser nur für Zweckbetriebe nach den §§ 66 bis 68 AO gilt (vgl. BFH-Urteile vom 26.08.2021 ‑ V R 5/19, BFHE 274, 284, Rz 45 f.; vom 05.04.2023 ‑ V R 14/22, BFHE 280, 348, Rz 25), während der Kläger einen Zweckbetrieb nach § 65 AO unterhält.

bb) Jedoch erzielt der Kläger aus den unter B.III.4.a cc genannten Gründen nicht im Sinne der ersten Alternative des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zusätzliche Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen, die in un­mittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leis­tungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Zwischen herrenlosen Tieren einerseits und von Tierhändlern gehandelten Tieren andererseits besteht aufgrund der vor­handenen tatsächlichen Unterschiede kein Wettbewerb.

IV. Der Tenor wird gemäß § 107 Abs. 1 FGO von Amts wegen berichtigt.

1. Die Vorinstanz hat im Tenor des Urteils, mit dem die Steuerverwaltungsakte aufgehoben wurden, unstreitig nicht alle vorangegangenen aufzuhebenden Be­scheide aufgenommen, so dass dies nachzuholen ist. Darüber hinaus wird das Datum der Einspruchsentscheidung berichtigt. Der Senat ist auch dazu befugt. Er ist wegen der Anhängigkeit der Sache in der Rechtsmittelinstanz für die Be­richtigung zuständig (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23.01.1969 ‑ IV R 36/68, BFHE 95, 97, BStBl II 1969, 340; vom 21.07.1981 ‑ VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36; vom 09.05.2012 ‑ I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004, Rz 13; vom 20.05.2010 ‑ VI R 12/08, BFHE 230, 136, BStBl II 2010, 1069, Rz 30; vom 26.05.2020 ‑ IX R 33/19, BFHE 269, 100, BStBl II 2020, 548, Rz 14; BFH-Beschluss vom 12.01.1993 ‑ IV R 86‑88/91, BFH/NV 1993, 426) und zu dieser auch verpflichtet, wenn er ‑‑wie im Streitfall‑‑ das angefochtene Urteil bestätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20.05.2010 ‑ VI R 12/08, BFHE 230, 136, BStBl II 2010, 1069, Rz 30; BFH-Beschluss vom 04.08.2016 ‑ X B 145/15, BFH/NV 2016, 1744, Rz 11).

2. Soweit das FG die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 zu Unrecht aufgehoben haben könnte, weil der Kläger Unternehmer ist und des­halb eine Umsatzsteuer festzusetzen wäre, ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 25.06.1999 ‑ V B 107/98, BFH/NV 1999, 1649; BFH-Urteil vom 15.04.2010 ‑ V R 11/09, BFH/NV 2010, 1830, Rz 17 f.) das FA insoweit nicht beschwert und hat der insoweit möglicherweise beschwerte Klä­ger keine Revision eingelegt.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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