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BFH: Besteuerung der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen nach Inkrafttreten der Gutschein-Richtlinie

  1. Ob ein Gutschein als Einzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 14 Satz 1 des Umsatz­steuergesetzes ‑‑UStG‑‑) oder als Mehrzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 15 Satz 1 UStG) anzusehen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins. Es kommt bei dieser Beurteilung nicht darauf an, ob ein Gutschein nach seiner Ausgabe zwischen Steuerpflichtigen übertragen werden kann, die im eigenen Namen handeln und in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ansässig sind, in dem der Leistungsort liegt.
  2. Neuer Sachvortrag im Revisionsverfahren ist unzulässig (ständige Recht­sprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 27.11.2019 ‑ XI R 35/17, BFHE 267, 542, BStBl II 2021, 252 = SIS 20 01 61, Rz 54; vom 18.11.2021 ‑ V R 38/19, BFHE 274, 355 = SIS 22 03 82, Rz 59); dies gilt erst recht, wenn die angebliche Tatsache noch nicht einmal im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Ge­richtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgetragen wurde und der erstma­lige Vortrag nach Ergehen des EuGH-Urteils erfolgt.

MwStSystRL Art. 30a Nr. 2, Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, Abs. 2 Unterabs. 1
UStG § 3 Abs. 13, Abs. 14 Satz 1 und 2, § 3a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 3

BFH-Beschluss vom 25.6.2025, XI R 14/24 (XI R 21/21) (veröffentlicht am 30.10.2025)

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom 10.3.2021, 4 K 62/19 = SIS 21 08 29

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Übertragung von Guthabenkarten oder Gutscheincodes für den Erwerb digitaler Inhalte für das X‑Network (X), soge­nannte X‑Cards, der Umsatzsteuer unterliegt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, vertrieb im Besteue­rungszeitraum 2019 (Streitjahr) über ihren Internetshop Guthabenkarten oder Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für X. Herausgeber der X‑Cards war im Streitjahr Y mit Sitz in U, Vereinigtes Kö­nigreich Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich). Die Gut­scheincodes ermöglichten es dem Erwerber, sein X‑Nutzerkonto mit einem nä­her bestimmten Nennwert in Euro aufzuladen. Nach der Kontoaufladung konn­ten vom Kontoinhaber im X‑Store von Y digitale Inhalte zu den dort aufgeführ­ten Preisen erworben werden.

Die X‑Cards wurden von Y mit unterschiedlicher Länderkennung über ver­schiedene Zwischenhändler vertrieben. Für Kunden mit Wohnsitz oder ge­wöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem deutschen X‑Nutzerkonto war die Kennung DE vorgesehen. Im Internetshop der Klägerin war hierzu ausgeführt:

"Sollten Sie sich entscheiden, [X‑Guthaben] aufladen zu wollen, müssen Sie sich im Vorfeld darüber informieren, in welchem Land Ihr [X‑Konto] registriert ist. So gilt für [X‑Cards] eine strikte Ländertrennung, so dass Sie nur Guthaben aktivieren können, welches tatsächlich für das Land Ihres [X‑Kontos] bestimmt ist."

Die auf der Internetseite des X von Y veröffentlichten Nutzungsbedingungen für X‑Gutscheincodes bestimmten:

"Um einen Gutscheincode einzulösen, wird Folgendes benötigt: (i) die angegebene Hardware; (ii) ein Konto für das [X], das in dem Land regis­triert ist, für das der Gutscheincode gilt; und (iii) eine Internetverbin­dung."

Für die Teilnahme am X wurde durch Y unter anderem bestimmt:

"Der [X‑Store] ist über alle Konten abrufbar. Wir sind Ihr Vertragspartner für alle Käufe, die Sie im [X‑Store] tätigen, einschließlich Guthaben und Produkte, die Sie mit Ihrem Guthaben erworben haben. … Sie müssen ehrlich zu uns sein. Wir erwarten, dass Ihre personenbezogenen Daten und die Ihrer minderjährigen Familienmitglieder vollständig und korrekt sind. … Der Grund dafür ist, dass wir uns auf die Richtigkeit der angege­benen Informationen verlassen. … Wenn Sie Falschangaben machen, sperren wir möglicherweise die betroffenen Konten. Wir ergreifen diese Maßnahme beispielsweise dann, wenn Kinder ein Erwachsenenkonto nut­zen. Die Konsequenzen für Sie sind, dass Sie nicht mehr auf [X] und be­stimmte Produkte zugreifen können."

Im Streitjahr bezog die Klägerin die X‑Cards der Y von Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet (L1 und L2) unter Angabe ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. L1 und L2, die weder im Vereinigten Königreich noch im Inland, sondern in anderen Mitgliedstaaten ansässig waren, hatten die X‑Cards zuvor von Y erworben. Die Klägerin erfasste in ihren Steueranmeldun­gen (Steuererklärungen) weder den Erwerb der X‑Cards von L1 und L2 noch die Übertragung der X‑Cards an die Endkunden (Endverbraucher). Sie ging da­bei davon aus, dass es sich bei den X‑Cards um Wert- oder Mehrzweck-Gut­scheine handele. Bei der Veräußerung der X‑Cards sei der Wohnsitz oder der Ansässigkeitsort des Endkunden nicht sicher bekannt, so dass der Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht sicher bestimmbar sei. Die von Y den jeweiligen Gutscheinen zugewiesene Länderkennung reiche zur sicheren Bestimmung des Leistungsorts nicht aus, da Y die Angaben der Kunden bei der Eröffnung der X‑Nutzerkonten und deren spätere Nutzung nicht überprüfe. Eine Vielzahl im Ausland ansässiger X‑Kunden hätte unter anderem aufgrund von Preisvorteilen ein deutsches Nutzerkonto eröffnet und ebenfalls bei ihr, der Klägerin, Karten mit der Kennung DE eingekauft.

Das vormals für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt Z (FA Z) sah nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Umsätze der Klägerin mit X‑Cards als im Inland steuerbar an, weil diese mit der Kennung DE von Y aus­schließlich für Endkunden mit Wohnsitz im Inland und einem deutschen Nut­zerkonto bestimmt seien, weshalb sich der Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 UStG im Inland befinde. Dass Erwerber mit Wohnsitz im Ausland die vorgege­bene regionale Nutzungsbeschränkung durch bewusst wahrheitswidrige Anga­ben, Missachtung der Nutzungsbedingungen von Y und/oder Verschleierung ihrer IP-Adresse möglicherweise umgehen könnten, sei nicht ausschlaggebend für die steuerrechtliche Einordnung des Gutscheins; es sei vielmehr Sache der Klägerin dafür Sorge zu tragen, Karten mit der Kennung DE nicht an Kunden mit Wohnsitz im Ausland zu verkaufen. Für die Einordnung der Karten als Wa­ren- oder Einzweck-Gutscheine spreche auch, dass Y die Karten als solche in den Verkehr gebracht habe und diese in der weiteren Leistungskette von allen anderen Beteiligten auch so behandelt worden seien. Allerdings nahm das FA Z Umsätze von X‑Cards der Kennung DE, die an Kunden mit Wohnsitz im Aus­land ausgegeben wurden, von der Besteuerung aus.

Das FA Z setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Kalenderviertel­jahr des Streitjahres zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 23.12.2020 ent­sprechend fest. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entschei­dungen der Finanzgerichte 2021, 1322 veröffentlichten Urteil ‑‑auch wegen des das vorliegende Verfahren nicht betreffenden Besteuerungszeitraums 2017‑‑ als unbegründet ab.

Während des Revisionsverfahrens kam es aufgrund einer Sitzverlegung der Klägerin zu einem Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite. Der nunmehr zu­ständige Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat am 31.05.2021 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Streitjahr erlassen, der gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Mit Beschluss vom 31.08.2021 ‑ XI R 11/21 hat der erkennende Senat das Verfahren wegen Um­satzsteuer für das Streitjahr abgetrennt und dieses zunächst unter dem Akten­zeichen XI R 21/21 fortgeführt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 3a Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 13 bis 15 UStG und begehrt, dass die Umsätze von X‑Cards als nicht steuerbar erfasst werden. Da der Leistungsort und die geschuldete Steu­er nicht feststünden, handele es sich um einen Mehrzweck-Gutschein, dessen Übertragung nicht der Umsatzsteuer unterliege. Die X‑Cards enthielten keine Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein oder eine Beschränkung der mit ihnen zu beziehenden Leistungen auf eine Gattung, sondern sie bezögen sich auf das gesamte Angebot des X, weshalb im Zeitpunkt der Übertragung der X‑Cards weder die Leistung hinreichend bestimmt sei noch der betreffende Steuersatz bestimmt werden könne. Falls im Übrigen sie, die Klägerin, auf ihre Umsätze Umsatzsteuer entrichten müsste, würde sie gegenüber Händlern mit Sitz im Ausland benachteiligt, die ‑‑soweit ihr bekannt‑‑ sämtlich ihre entsprechenden Umsätze ohne Umsatzsteuer auswiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuerjahresbescheid 2019 vom 31.05.2021 dahingehend zu ändern, dass die mit den X‑Cards erzielten Umsätze als nicht steuerbar berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 03.11.2022 ‑ XI R 21/21 (BFHE 277, 561) folgende Rechtsfragen zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der Fassung vom 27.06.2016 (Mehrwertsteuersystemrichtlinie ‑‑MwStSystRL‑‑) zur Vorabent­scheidung vorgelegt:

"1. Liegt ein Einzweck-Gutschein im Sinne von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor, wenn
  • zwar der Ort der Erbringung von Dienstleistungen, auf die sich der Gut­schein bezieht, insoweit feststeht, als diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats an Endverbraucher erbracht werden sollen,
  • aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichti­gen zur Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein be­zieht, zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt?
2. Falls die Frage 1 verneint wird (und damit im Streitfall ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt): Steht Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL, wo­nach die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Er­bringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleis­tung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 MwStSystRL unterliegt, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, einer anderweitig begründeten Steuerpflicht (EuGH-Urteil Lebara vom 03.05.2012 ‑ C‑520/10, EU:C:2012:264) entgegen?"

Der EuGH hat darauf mit Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) Folgendes geantwortet:

"1. Art. 30a und Art. 30b Abs. 1 der [Mehrwertsteuersystemrichtlinie] sind [dahin] auszulegen […], [dass] [d]ie Einstufung eines Gutscheins als "Einzweck-Gutschein" im Sinne von Art. 30a Nr. 2 der [Mehrwertsteuer­systemrichtlinie] nur von den in dieser Bestimmung festgelegten Voraus­setzungen ab(hängt), wozu die Voraussetzung gehört, dass der Ort der Erbringung der Dienstleistung, die sich an Endverbraucher richtet und auf die sich dieser Gutschein bezieht, zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Gutscheins feststehen muss, und dies unabhängig davon, ob dieser Gut­schein zwischen Steuerpflichtigen übertragen wird, die im eigenen Namen handeln und in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ansässig sind, in dem sich diese Endverbraucher befinden.
2. Art. 30b Abs. 2 der [Mehrwertsteuersystemrichtlinie] ist [dahin] … aus­zulegen […],[dass] [d]er Weiterverkauf von "Mehrzweck-Gutscheinen" im Sinne von Art. 30a Nr. 3 der (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) durch einen Steuerpflichtigen […] der Mehrwertsteuer unterliegen [kann], sofern er als Dienstleistung an den Steuerpflichtigen eingestuft wird, der als Ge­genleistung für diese Gutscheine die Gegenstände tatsächlich dem End­verbraucher übergibt oder die Dienstleistungen tatsächlich dem Endver­braucher erbringt."

Nach Ergehen des Urteils des EuGH hat die Klägerin erstmals vorgebracht, dass auch Kunden mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in den in § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG genannten Gebieten ‑‑insbesondere in Büsingen und auf der Insel Helgoland‑‑ X‑Cards mit Länderkennung DE nutzen könnten, was nach § 1 Abs. 2 Satz 3 UStG zu Leistungen im Drittlandsgebiet führe. Es ent­spreche den Nutzungsbedingungen mit Y, dass Kunden dort ein entsprechen­des Konto registrieren und X‑Cards mit der Länderkennung DE nutzen könn­ten. Es sei Sache des Bundesfinanzhofs (BFH), über die Einstufung der streiti­gen X‑Cards als Einzweck- oder Mehrzweck-Gutscheine zu befinden. Der EuGH habe bestätigt, dass ein Einzweck-Gutschein bereits dann nicht mehr gegeben sei, wenn im Zeitpunkt seiner Ausstellung Zweifel am Vorliegen beider Merk­male bestünden. Diese Grenze sei im Streitfall weit überschritten.

Die Nutzung von X‑Cards mit Länderkennung DE durch Kunden mit Wohnsitz in Büsingen und auf der Insel Helgoland sei auch keine bloße theoretische Möglichkeit, denn in beiden Gebieten lebten jeweils etwa 1 500 Menschen. Im Königreich Spanien (Spanien) werde von der Finanzverwaltung und dem Tri­bunal Económico Administrativo Central die Auffassung vertreten, dass Gut­scheine über Restaurationsleistungen, welche auch in den in Art. 6 MwStSystRL genannten Gebieten (insbesondere in Ceuta, in Melilla und auf den Kanarischen Inseln) einlösbar sind, Mehrzweck-Gutscheine seien, weil dann der Ort der den Gutscheinen zugrunde liegenden Restaurationsleistungen im Zeitpunkt der Gutscheinausstellung nicht mit Sicherheit feststehe.

Unabhängig davon stehe der Ort der Leistung ‑‑als im Inland gelegen‑‑ aber auch deshalb nicht fest, weil Kunden, die ins Ausland verzögen, weiterhin X‑Cards unter Einhaltung der Nutzungsbedingungen mit Länderkennung DE nutzen könnten. Die Nutzungsbedingungen mit Y schlössen es nicht aus, dass ein zunächst wegen des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) zum Zeitpunkt der Registrierung zutreffend auf Deutschland registriertes Konto später aus dem Ausland heraus verwendet werde. Hiervon gehe selbst das FA aus. Denn in dem Umfang, in dem die Klägerin glaubhaft gemacht habe, dass die Kunden tatsächlich nicht in Deutschland ansässig sei­en, gehe es ausweislich der Einspruchsentscheidung davon aus, dass die Um­sätze nicht der Besteuerung unterliegen.

Die X‑Cards könnten zudem für Leistungen eingelöst werden, deren Ort sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimme und damit am Sitz von Y im Ausland liege. So könnten Kunden das Guthaben insbesondere für sonstige Leistungen einlö­sen, die nicht auf elektronischem Weg erbracht würden. Derlei Angebote gebe es im Netzwerk von Y reichlich. Damit bezögen sich X‑Cards entgegen der Auf­fassung des FG nicht allein auf elektronische Dienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG. Der Leistungsort befinde sich auch insoweit nicht zwingend im Inland.

Die geschuldete Steuer stehe ebenfalls nicht fest. Angesichts der Vielzahl an Leistungen, die mit den X‑Cards bezogen werden könnten, sei nicht auszu­schließen, dass Y das Angebot noch stärker ausweite, nämlich auf Leistungen, die nicht dem allgemeinen, sondern dem ermäßigten Steuersatz unterlägen (etwa elektronische Bücher und Zeitschriften). Die Kunden könnten X‑Cards so auch für ermäßigt zu besteuernde Leistungen einsetzen

B. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforder­lich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

I. Die Entscheidung kann im Verfahren gemäß § 126a FGO ergehen.

1. Dass sich die Richterbank gegenüber der Sitzung vom 30.04.2025 geändert hat, steht der Anwendung des § 126a FGO nicht entgegen (vgl. BFH-Beschlüs­se vom 15.09.2021 ‑ XI R 12/21 (XI R 25/19), BFHE 274, 317, BStBl II 2022, 417, Rz 21; vom 07.07.2022 ‑ V R 10/20, BFHE 276, 445, Rz 9; vom 18.10.2023 ‑ XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 18). Der Senatsvorsitzende, der in der Sitzung vom 30.04.2025 wegen Erkrankung verhindert war, wirkt gemäß IV. Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 des senatsinternen Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2025 am Beschluss mit, da er nicht mehr verhindert ist.

2. Die Vorschrift des § 126a FGO ist auch dann anwendbar, wenn das ange­fochtene Urteil ‑‑wie im Streitfall‑‑ wegen Auswechslung des Verfahrensgegen­standes im Revisionsverfahren aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben ist, der erkennende Senat bei seiner in der Sache selbst zu treffenden Ent­scheidung aber einstimmig das Revisionsbegehren materiell-rechtlich für un­begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24.06.2014 ‑ VIII R 48/11, BFH/NV 2014, 1568, Rz 2; vom 27.09.2017 ‑ XI R 18/16, BFH/NV 2018, 244, Rz 16).

a) Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Denn ihm liegt ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde, weshalb es keinen Bestand haben kann (vgl. BFH-Urteile vom 03.11.2005 ‑ V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.; vom 10.11.2010 ‑ XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, Rz 23; vom 24.04.2013 ‑ XI R 3/11, BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86, Rz 25).

Der im Revisionsverfahren ergangene Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr vom 31.05.2021, den das für die Besteuerung der Klägerin zustän­dig gewordene FA erlassen hat, hat den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbe­scheid für das 1. Kalendervierteljahr 2019, der Gegenstand des finanzgericht­lichen Verfahrens gewesen ist, im Sinne der §§ 68 Satz 1, 121 Satz 1 FGO er­setzt. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird gemäß der auch im Revisionsverfahren (§ 121 FGO) geltenden Vorschrift des § 68 FGO der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das gilt auch für den Umsatz­steuerjahresbescheid im Verhältnis zum Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbe­scheid (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 03.11.2005 ‑ V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.; vom 10.11.2010 ‑ XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, Rz 24; vom 24.04.2013 ‑ XI R 3/11, BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86, Rz 26). Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist deshalb nunmehr die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuerjahresbescheids 2019 vom 31.05.2021. Durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheids ist hin­sichtlich des Streitjahrs zugleich auf Beklagtenseite ein Beteiligtenwechsel ein­getreten (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 10.11.2010 ‑ XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, Rz 26 f.).

b) Die Sache ist spruchreif, weil der vom FG festgestellte Sachverhalt aus­reicht, um abschließend prüfen und beurteilen zu können, ob der Umsatzsteu­erjahresbescheid für 2019 vom 31.05.2021 rechtmäßig ist (vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 68 FGO Rz 74); denn die Beteiligten haben mitgeteilt, dass hierdurch keine weiteren Streitpunkte in das Verfahren eingeführt worden sind (vgl. hierzu Schriftsätze der Klägerin vom 09.05.2022 und des FA vom 24.08.2021).

II. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin steuerbare und steuer­pflichtige Umsätze ausgeführt hat. Bei den nach dem 31.12.2018 ausgestellten X‑Cards handelt es sich um Einzweck-Gutscheine im Sinne des § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG, deren Übertragung nach § 3 Abs. 14 Satz 3 UStG als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung gilt.

1. Sollten (einzelne) von der Klägerin im Streitjahr übertragene X‑Cards noch vor dem 01.01.2019 ausgestellt worden sein, was das FG nicht tatsächlich festgestellt hat, bliebe die Revision insoweit ohne Erfolg. Der Senat verweist dazu zur Vermeidung von Wiederholungen auf den BFH-Beschluss vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21 (BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424, Leitsatz und Rz 27), an dem er festhält. Die Vereinnahmung des Entgelts für die Begebung eines Warengutscheins würde dann über die Anzahlungsbesteuerung zu einer Steuerentstehung im Streitjahr führen.

2. Nach § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG, der nach § 27 Abs. 23 UStG auf Gutscheine anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt wurden, liegt ein Ein­zweck-Gutschein vor, wenn bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des Gut­scheins der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, auf die sich ein Gut­schein im Sinne des § 3 Abs. 13 UStG bezieht, und die für die Umsätze ge­schuldete Steuer feststehen.

a) Unionsrechtlich beruht dies ‑‑wie § 3 Abs. 13 bis 15 UStG insgesamt‑‑ auf Art. 30a und Art. 30b MwStSystRL, welche durch die Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates vom 27.06.2016 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsicht­lich der Behandlung von Gutscheinen (Gutschein-Richtlinie) eingefügt worden sind. Nachgehend hat der nationale Gesetzgeber das Umsatzsteuergesetz durch Art. 9 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuer­ausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steu­erlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) entsprechend geän­dert (vgl. BFH-Beschluss vom 16.08.2022 ‑ XI S 4/21 (AdV), BFHE 276, 456, BStBl II 2023, 419, Rz 23).

aa) Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins nach § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG als die Lie­ferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Er­bringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleis­tung angenommen wird, gilt dann nach § 3 Abs. 14 Satz 5 UStG nicht als un­abhängiger Umsatz.

bb) Ein Gutschein im Sinne des § 3 Abs. 13 UStG, bei dem es sich nicht um ei­nen Einzweck-Gutschein handelt, ist nach § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG ein Mehr­zweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 UStG, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt (§ 3 Abs. 15 Satz 2 UStG).

cc) Die Einstufung eines Gutscheins als "Einzweck-Gutschein" im Sinne von § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG, Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL hängt, wie der EuGH mit Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342, Leitsatz 1 und Rz 28 ff.) entschieden hat, nur von den in dieser Bestimmung festgelegten Vo­raussetzungen ab, wozu die Voraussetzung gehört, dass der Ort der Erbrin­gung der Dienstleistung, die sich an Endverbraucher richtet und auf die sich dieser Gutschein bezieht, zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Gutscheins feststehen muss.

(1) Ein "Einzweck-Gutschein" liegt vor, wenn zwei kumulative Voraussetzun­gen "zum Zeitpunkt der Ausstellung" des Gutscheins erfüllt sind: Zum einen müssen zu diesem Zeitpunkt der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, festste­hen, und zum anderen muss die für diese Gegenstände oder Dienstleistungen geschuldete Mehrwertsteuer feststehen (EuGH-Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23, EU:C:2024:342, Rz 36 ff.).

(2) Unerheblich ist hingegen, ob ein Gutschein zwischen Steuerpflichtigen übertragen wird, die im eigenen Namen handeln und in anderen Mitgliedstaa­ten als demjenigen ansässig sind, in dem sich diese Endverbraucher befinden; denn Gutscheine würden sonst je nachdem, ob sie im Rahmen einer grenz­überschreitenden Vertriebskette oder innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats vertrieben werden, weiterhin unterschiedlich behandelt (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23, EU:C:2024:342, Rz 40 ff., 42).

b) Eine sonstige Leistung wird nach § 3a Abs. 1 UStG grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Ab­weichend davon wird nach § 3a Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 UStG eine sonstige Leistung, die auf elektronischem Weg an einen Empfänger erbracht wird, der kein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. § 3a UStG ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom 19.11.1998 ‑ V R 30/98, BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 108, unter II.1.b; vom 30.06.2011 ‑ V R 37/09, BFH/NV 2011, 2129, Rz 16; BFH-Beschlüsse vom 14.04.2010 ‑ V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315, Rz 4; vom 18.10.2023 ‑ XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 32).

c) Die Steuer betrug für jeden steuerpflichtigen Umsatz auch im Streitjahr 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§ 12 Abs. 1 UStG). Die Steuer ermä­ßigt sich auf sieben Prozent für die in § 12 Abs. 2 UStG genannten Umsätze.

3. Hiervon ausgehend hat das FG im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die X‑Cards Einzweck-Gutscheine sind.

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (Rz 28 der Vorentscheidung) hat Y als Herausgeber der X‑Cards bei deren Erstausgabe Umsatzsteuer be­rechnet und abgeführt. Das bedeutet, dass Y bei der Ausgabe davon ausge­gangen ist, dass nach den von ihr festgelegten Nutzungsbedingungen sowohl der Leistungsort als auch die geschuldete deutsche Umsatzsteuer feststehen. Ebenso haben die Lieferanten der Klägerin ihrerseits entweder Umsatzsteuer ausgewiesen oder insoweit eine innergemeinschaftliche Lieferung angemeldet. Sie sind also ‑‑anders als die Klägerin‑‑ der Einstufung der Gutscheine durch Y gefolgt. Die betreffenden Gutscheine wurden von allen Beteiligten außer der Klägerin von Beginn an stets als Einzweck-Gutscheine angesehen.

b) Entsprechend hat der Senat die X‑Cards, die vor dem 01.01.2019 ausge­stellt wurden, als Warengutscheine angesehen, woran er festhält (s. dazu die Ausführungen unter B.II.1.). So versteht sich auch die mit Senatsbeschluss vom 03.11.2022 ‑ XI R 21/21 (BFHE 277, 561) gestellte 1. Vorlagefrage.

c) In dieser Einschätzung sieht sich der Senat durch das EuGH-Urteil Finanz­amt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) bestätigt (s. dazu unter B.II.2.a cc).

aa) Der EuGH hat in Rz 47 des Urteils Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) in Bezug auf den Streitfall ausgeführt, dass sich un­ter Berücksichtigung der Nutzungsbedingungen der X‑Cards, insbesondere der auf ihnen angebrachten Kennung des Mitgliedstaats, in dem die Karten be­nutzt werden müssen, und der Angaben des vorlegenden Gerichts sowie mit Blick auf Art. 58 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL zeige, dass sich der Ort, an dem die digitalen Inhalte als Gegenleistung für die von der Klägerin verkauften X‑Cards dem Endverbraucher geliefert werden, in Deutschland befindet. Bei der Prüfung dieser ersten Voraussetzung sei der vor dem vorlegenden Gericht von der Klägerin angeführte Umstand, dass außerhalb Deutschlands ansässige Endverbraucher X‑Cards verwenden würden, nicht zu berücksichtigen (EuGH-Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23, EU:C:2024:342, Rz 48).

bb) In Bezug auf die zweite Voraussetzung hat der EuGH in Rz 52 f. des Urteils Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) dem BFH aufgege­ben, das Vorliegen dieser Voraussetzung zu prüfen, auch wenn es keinen An­haltspunkt für eine Unsicherheit hinsichtlich der für die verschiedenen digitalen Inhalte geschuldeten Mehrwertsteuer gebe, und gleichzeitig darauf hingewie­sen, dass die X‑Cards die zweite in Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vorgesehene Voraussetzung erfüllen und daher auch unter Berücksichtigung dessen, dass dasselbe Instrument die erste in dieser Bestimmung vorgesehene Vorausset­zung erfüllt, als "Einzweck-Gutschein" einzustufen sind, falls die Dienstleis­tung, die als Gegenleistung für eine X‑Card erbracht wird, in Deutschland un­abhängig von dem empfangenen digitalen Inhalt derselben Bemessungsgrund­lage und demselben Steuersatz unterliegen sollte.

d) Mit diesen Erwägungen steht die tatsächliche Würdigung des FG in Ein­klang.

aa) Das FG hat angenommen, dass die Besteuerung von elektronischen Dienstleistungen als sonstige Leistung gemäß § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG sich nach dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsempfängers richte und es deshalb entscheidend darauf ankomme, ob dieser nach den Gut­scheinbedingungen hinreichend sicher vorbestimmt ist. Dies ist zur Überzeu­gung des FG der Fall, da Y als Herausgeber der Gutscheine ein in sich ge­schlossenes System des Vertriebs von digitalen Inhalten über Guthabenkarten entwickelt habe. Für den Regelfall einer vertragsgemäßen Nutzung stehe nach Ansicht des FG sowohl der Leistungsort als auch die Steuerschuld fest. Auch sei Y selbst von Einzweck-Gutscheinen ausgegangen. Das FG hat ferner fest­gestellt, dass es weder substantiiert dargetan noch unter Beweis gestellt wor­den sei, dass es sich bei den Nutzungsbedingungen um eine bloße Scheinkon­struktion handele.

bb) Diese tatsächliche Würdigung der Gutscheinbedingungen der Y ist auf­grund der vom FG festgestellten Tatsachen, die nicht mit zulässigen und be­gründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze; sie bindet ‑‑auch weil sie mit dem EuGH-Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) vereinbar ist‑‑ daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Insbe­sondere schließen weder eine vertragswidrige Nutzung noch die Übertragung durch Zwischenhändler im übrigen Gemeinschaftsgebiet die Annahme eines Einzweck-Gutscheins aus. Nach der Rechtsprechung des Senats standen so­wohl der Ort der Leistung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21, BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424, Rz 22 ff.) als auch die Höhe der Steuer (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21, BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424, Rz 21) zweifelsfrei fest.

4. Mit ihrem erstmals nach Ergehen des EuGH-Urteils Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) erhobenen Einwand, dass der Ort der sonstigen Leistung, auf die sich die X‑Cards beziehen, bei deren Ausstellung nicht festgestanden habe, weil auch in den in § 1 Abs. 2 UStG genannten Ge­bieten ansässige Personen (insbesondere Einwohner von Büsingen und der Insel Helgoland) die Gutscheine hätten nutzen können, kann die Klägerin schon verfahrensrechtlich nicht mehr gehört werden.

a) Richtig ist zwar, dass die in § 1 Abs. 2 UStG, Art. 6 Abs. 2 MwStSystRL ge­nannten Gebiete nicht zum Inland gehören. Umsätze, die dort bewirkt werden, sind im Inland nicht steuerbar (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.02.2017 ‑ XI R 13/15, BFHE 257, 160, BStBl II 2021, 782, Rz 25 ff.). Diesen rechtlichen Umstand haben weder Y bei der Einstufung der X‑Cards als Einzweck-Gutscheine noch das FG, der EuGH oder der Senat in seinen Beschlüssen vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21 (BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424) und vom 03.11.2022 ‑ XI R 21/21 (BFHE 277, 561, Rz 54, 65) in Zweifel gezogen.

b) Soweit die Klägerin erstmals in ihrem Schriftsatz vom 01.07.2024 geltend macht, Leistungsempfänger mit Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in den in § 1 Abs. 2 UStG genannten Gebieten könnten vertragskonform X‑Cards mit Länderkennung DE einlösen, weil die Nutzungsbedingungen der Y keine terri­toriale Beschränkung auf das umsatzsteuerrechtliche Inland enthielten, han­delt es sich insoweit um neues ‑‑im Revisionsverfahren nicht zulässiges‑‑ tat­sächliches Vorbringen.

aa) Neuer Sachvortrag ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zu be­rücksichtigen (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Urteile vom 27.11.2019 ‑ XI R 35/17, BFHE 267, 542, BStBl II 2021, 252, Rz 54 vom 18.11.2021 ‑ V R 38/19, BFHE 274, 355, Rz 59). Dies gilt erst recht, wenn neuer Sachvortrag erst nach Ergehen eines EuGH-Urteils erfolgt und selbst im Verfahren vor dem EuGH ein solcher Vortrag nicht erfolgt ist.

bb) Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass ‑‑wie die Klägerin behauptet‑‑ territoriale Beschränkungen auf das umsatzsteuerrechtliche Inland fehlen, so dass diese Ausführungen gemäß § 118 Abs. 2 FGO als neuer Sach­vortrag anzusehen sind. Der Vortrag widerspricht außerdem den tatsächlichen Feststellungen des FG, da bereits Y die Gutscheine als Einzweck-Gutscheine, bei denen der Ort der Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Inland feststand, ausgegeben hat. Gerade wegen des Vorgehens der Y sind aus Sicht des Senats keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die X‑Cards in den in § 1 Abs. 2 UStG, Art. 6 Abs. 2 MwStSystRL genannten Gebieten einlösbar wä­ren, weil keine territoriale Beschränkung auf das umsatzsteuerrechtliche In­land bestand. Das davon abweichende erstmalige tatsächliche Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

c) Der Senat weicht daher auch nicht von der von der Klägerin angeführten Rechtsauffassung in Spanien ab, so dass ein erneutes Vorabentscheidungser­suchen wegen innergemeinschaftlicher Divergenz (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 23.08.2023 ‑ XI R 10/20, BFHE 282, 113, BStBl II 2024, 302, m.w.N.) zur Klärung der Bedeutung der in § 1 Abs. 2 UStG, Art. 6 Abs. 2 MwStSystRL genannten Gebiete im Streitfall nicht erforderlich ist.

5. Ohne Erfolg macht die Revision überdies geltend, dass Kunden, die ins Aus­land verzögen, weiterhin unter Einhaltung der Nutzungsbedingungen X‑Cards mit Länderkennung DE nutzen könnten, was zur Annahme eines ausländischen Orts der Leistung führte.

a) Die Möglichkeit eines Umzugs nach Erwerb eines Einzweck-Gutscheins än­dert am Feststehen des Leistungsorts im Inland schon deshalb nichts, weil es für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins auf die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Ausgabe ankommt (vgl. auch EuGH-Urteil Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23, EU:C:2024:342, Rz 55). Falls nach der Ausstellung und dem berechtigten Erwerb eines Gutscheins der Erwerber ins Ausland umzieht, ist dies für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung eines bereits ausgeführten Umsatzes unbeachtlich; denn der Umsatz gilt umsatzsteuerrechtlich bereits mit der Übertragung (vor dem Umzug) als ausgeführt (§ 3 Abs. 14 Satz 2 UStG). Die tatsächliche Erbringung (nach dem Umzug) im Ausland gilt nicht als Umsatz (§ 3 Abs. 14 Satz 5 UStG).

b) Ergänzend verweist der Senat hinsichtlich des neuen Sachvortrags auf die Ausführungen unter B.II.4.b.

6. Der Angriff der Revision, die X‑Cards seien auch für Leistungen einlösbar, deren Ort sich nicht nach § 3a Abs. 5 UStG, sondern allgemein nach § 3a Abs. 1 UStG bestimme, und so am Sitz von Y im Ausland liege ("Sortiments­änderung"), geht ebenfalls ins Leere.

a) Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG sowie den BFH-Beschlüssen vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21 (BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424, Rz 21) und vom 03.11.2022 ‑ XI R 21/21 (BFHE 277, 561, Rz 47) verkörpern die X‑Cards das Recht zum Bezug konkret definierter digitaler Inhalte. Die tatsächlichen Feststellungen des FG hat die Revision nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Allein der ge­genteilige Vortrag der Revision lässt die Bindungswirkung nach § 118 Abs. 2 FGO nicht entfallen (vgl. Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 225; Krumm in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz 91). Der Senat verweist ergänzend auf die Ausfüh­rungen unter B.II.4.b.

b) Auf den weiteren Vortrag, es sei nicht auszuschließen, dass Y sein Angebot ausweite, kommt es nicht an, weil auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Aus­stellung der Gutscheine abzustellen ist (s. dazu auch unter B.II.5.a).

7. Soweit die Revision geltend gemacht hat, dass die bei Einlösung der X‑Cards ge­schuldete Steuer nicht feststehe, das heißt dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausstellung der X‑Cards auch Leistungen angeboten worden seien, die dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 UStG) unterlägen, widerspricht dies sowohl den tatsächlichen Feststellungen des FG als auch der Rechtsauffassung des Senats (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21, BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424, Rz 21; vom 03.11.2022 ‑ XI R 21/21, BFHE 277, 561, Rz 54, 65).

a) Soweit die Klägerin nun abweichend von den tatsächlichen Feststellungen des FG die Existenz solcher digitalen Inhalte behauptet, verweist der Senat auf die Ausführungen unter B.II.4.b und die dort genannte Rechtsprechung.

b) Der Senat weicht damit nicht von Rz 52 des EuGH-Urteils Finanzamt O vom 18.04.2024 ‑ C‑68/23 (EU:C:2024:342) ab. Der EuGH hat darin dem Senat zwar aufgegeben, er möge prüfen, ob die Höhe der Steuer feststeht. Dies kann der Senat allerdings nur im Rahmen der im Revisionsverfahren bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten. Auch der Hinweis des EuGH lässt insoweit die Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO nicht entfallen, da die vom EuGH aufgeworfene Frage Gegenstand des Klageverfahrens war und vom FG bin­dend festgestellt ist. Für die Entscheidung im Einzelfall ist der Senat zuständig.

8. Eine etwaige unzutreffende (Nicht‑)Besteuerung von Konkurrenten kann (nur) mit der Konkurrentenklage geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 28.06.2017 ‑ XI R 23/14, BFHE 258, 517, Rz 51; vom 29.11.2022 ‑ XI R 11/21, BFHE 279, 283, BStBl II 2023, 424, Rz 31).

9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, Abs. 2 FGO.