EuGH bestätigt die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission, mit dem die spanische Steuerregelung für Abschreibungen indirekter Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften für rechtswidrig erklärt wurde
Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 79/25 vom 26.6.2025
Urteil des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-776/23 P | Kommission/Spanien, C-777/23 P | Kommission/Banco Santander u. a., C-778/23 P | Kommission/Sociedad General de Aguas de Barcelona, C-779/23 P | Kommission/Telefónica und Iberdrola und C-780/23 P | Kommission/Ferrovial u. a. (Indirekte Beteiligungen)
2002 trat in Spanien eine neue Körperschaftsteuerregelung in Kraft. Nach dieser Regelung konnten Gesellschaften, die Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft erworben hatten, den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus der Beteiligung ergab, als Abschreibung von der Bemessungsgrundlage abziehen. Auf Fragen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments hin antwortete die Europäische Kommission Anfang 2006, dass diese Regelung nicht unter die EU-Beihilfevorschriften falle.
Gleichwohl beschloss die Kommission im Jahr 2007, die fragliche Steuerregelung genauer zu prüfen. Mit Entscheidung vom 28. Oktober 2009 über den Erwerb von Beteiligungen innerhalb der Union und Beschluss vom 12. Januar 2011 über den Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz außerhalb der Union („Erstbescheide“) kam sie zu dem Befund, dass die fraglichen Maßnahmen mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen darstellten. Daher gab sie den spanischen Behörden auf, diese Beihilfen zurückzufordern. Die Kommission erlaubte jedoch unter Auflagen, die Regelung in bestimmten Fällen weiter anzuwenden (Grundsatz des Vertrauensschutzes) 1.
Die gegen die Erstbescheide erhobenen Klagen mehrerer Gesellschaften blieben erfolglos2.
Im Juli 2013 prüfte die Kommission eine neue Auslegung der fraglichen Steuerregelung, die mit einem Steuervorbescheid festgelegt worden war, den ihr die spanischen Behörden übermittelten. Nach Ansicht der Kommission erstreckte diese Auslegung die ursprüngliche Regelung auf den sich aus dem Erwerb von indirekten Beteiligungen an ausländischen Unternehmen mittels des Erwerbs von direkten Beteiligungen an ausländischen Holdinggesellschaften ergebenden Geschäfts- oder Firmenwert. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 kam die Kommission zu dem Befund, dass diese neue steuerliche Maßnahme eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare neue Beihilfe sei. Daher forderte sie Spanien auf, diese Beihilferegelung zu beenden und die auf ihrer Grundlage gewährten Beihilfen zurückzufordern3.
Spanien und mehrere der betroffenen Gesellschaften haben beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 15. Oktober 2014 beantragt und erwirkt4.
Die Kommission hat beim Gerichtshof die Urteile angefochten, mit denen das Gericht ihren Beschluss für nichtig erklärt hat.
Der Gerichtshof weist die Rechtsmittel der Kommission zurück.
Der Gerichtshof führt aus, dass aus den Erstbescheiden ausdrücklich hervorgeht, dass die Ausnahmen von den Pflichten der Beendigung und Rückforderung sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe erfassen. Da die Rechtmäßigkeit der Erstbescheide endgültig festgestellt worden ist, musste das Gericht – wie es das getan hat – daraus folgern, dass sie beide Erwerbsarten erfassten. Diese beiden Arten von Beteiligungen sind daher durch das berechtigte Vertrauen geschützt, das die Kommission in den Erstbescheiden anerkannt hatte.
Des Weiteren hindert der Grundsatz der Rechtssicherheit die Kommission daran, die steuerlichen Abschreibungen des sich aus dem Erwerb von indirekten Beteiligungen ergebenden finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts als neue, rechtswidrig durchgeführte staatliche Beihilferegelung einzustufen.
1 Vgl. die Pressemitteilungen der Kommission vom 28. Oktober 2009 und vom 12. Januar 2011 über den Erlass der Erstbescheide.
2 Mit Urteilen vom 7. November 2014, Autogrill España/Kommission, T-219/10, und Banco Santander und Santusa/Kommission, T-399/11 (vgl. Pressemitteilung Nr. 145/14), erklärte das Gericht die Erstbescheide der Kommission für nichtig, da es zu dem Befund kam, dass nicht alle kumulativen Voraussetzungen für die Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe, insbesondere die Voraussetzung des selektiven Charakters der Maßnahme, erfüllt seien. Die Kommission hat beim Gerichtshof Rechtsmittel gegen diese beiden Urteile des Gerichts eingelegt. Mit Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a, C-20/15 P und C-21/15 P (vgl. Pressemitteilung Nr. 139/16), hat der Gerichtshof die Urteile des Gerichts aufgehoben und die Sachen an es zurückverwiesen. Mit Urteilen vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T-207/10, Banco Santander/Kommission, T-227/10, Sigma Alimentos Exterior/Kommission, T-239/11, Axa Mediterranean/Kommission, T-405/11, Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission, T-406/11, World Duty Free Group/Kommission, T-219/10 RENV, und Banco Santander und Santusa/Commission, T-399/11 RENV (vgl. Pressemitteilung Nr. 175/18), bestätigte das Gericht die Erstbescheide der Kommission. Die betroffenen Gesellschaften und Spanien legten beim Gerichtshof Rechtsmittel ein. Mit Urteilen vom 6. Oktober 2021, Sigma Alimentos Exterior/Kommission, C-50/19 P, World Duty Free Group und Spanien/Kommission, C-51/19 P und C-64/19 P, Banco Santander/Kommission, C-52/19 P, Banco Santander u. a./Kommission, C-53/19 P und C-65/19 P, Axa Mediterranean/Kommission, C-54/19 P, und Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission, C-55/19 P (vgl. Pressemitteilung Nr. 170/21), wies der Gerichtshof die Rechtsmittel zurück, so dass die die Erstbescheide der Kommission betreffenden Rechtssachen abgeschlossen sind.
3 Vgl. die Pressemitteilung der Kommission über den Erlass dieses Beschlusses.
4 Urteile vom 27. September 2023 in den Rechtssachen Spanien/Kommission, T-826/14, Banco Santander und Santusa/Kommission, T-12/15, Abertis Infraestructuras und Abertis Telecom Satélites/Kommission, T-158/15, Ferrovial u. a./Kommission, T-252/15, Sociedad General de Aguas de Barcelona/Kommission, T-253/15, Telefónica/Kommission, T-256/15, Arcelormittal Spain Holding/Kommission, T-257/15, Axa Mediterranean/Kommission, T-258/15, und Iberdrola/Kommission, T-260/15 (vgl. Pressemitteilung Nr. 148/23).
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