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BFH: Erstattung von Kapitalertragsteuer an japanische Mutterkapitalgesellschaften

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Verdrängt die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 des Vertrags über die Ar­beitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ‑‑AEUV‑‑ (Amtsblatt der Europäi­schen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2008, Nr. C 115, 47) für die Überprüfung von § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Verbindung mit (i.V.m.) Art. 10 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ein­kommen und bei einigen anderen Steuern vom 22.04.1966 (DBA-Japan 1966) die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV als Prüfungsmaßstab, da
    • ‑‑einerseits‑‑ diese Regelungen zwar einen abgeltenden (definitiven) Einbe­halt deutscher Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % auf die Dividenden der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) unabhängig von der Beteili­gungshöhe einer japanischen Mutterkapitalgesellschaft anordnen,
    • aber ‑‑andererseits‑‑ die von der Klägerin geltend gemachte Beschränkung durch den Kapitalertragsteuereinbehalt nur deshalb eintreten kann, weil die Klägerin zu mindestens 25 % an der ausschüttenden GmbH beteiligt ist und sie die vollständige Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer neben der Inanspruchnahme einer japanischen Steuerbefreiung in Höhe von 95 % der Dividenden beantragt,
    • sodass die Klägerin für den Zusammenschluss mit der GmbH im Ergebnis eine binnenmarktähnliche Vollentlastung der Dividende wie im Anwendungsbe­reich des Art. 5 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften ver­schiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1990 Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997, Nr. L 16, 98), geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 (ABlEU 2006 Nr. L 363, 129; Mutter-Tochter-Richtlinie) begehrt?
  2. Falls die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab nicht verdrängt wird:
    Stellt die abgeltende Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die Divi­denden gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 unter den Umständen des Streitfalls eine von der Bundesrepublik Deutschland verursachte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit der Klägerin dar, wenn
    • ‑‑einerseits‑‑ die deutsche Kapitalertragsteuer, welche auf die Dividende er­hoben wurde, bei gebietsansässigen Mutterkapitalgesellschaften auch ab dem 01.04.2009 bei der Veranlagung angerechnet und erstattet werden kann, und
    • ‑‑andererseits‑‑ die Klägerin die deutsche Kapitalertragsteuer auf die Divi­denden gemäß Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 zwar vor dem 01.04.2009 in vollem Umfang auf die japanische Körperschaftsteuer anrechnen konnte,
    • dies ab dem 01.04.2009 aber allein deshalb misslingt, weil die Dividenden von der GmbH bei der Klägerin durch eine neu eingeführte japanische Steuer­befreiung zu 95 % steuerbefreit werden?
  3. Falls eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit anzunehmen sein sollte:
    a) Kann die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Gestalt einer Aufteilung der Besteuerungs­rechte für die Dividende nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 gerechtfertigt werden?
    b) Kann die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer dadurch gerechtfertigt werden, dass die Klägerin die Befreiung vom Kapitalertrag­steuereinbehalt nicht neben der Steuerbefreiung der Dividende in Japan im Wege einer Doppelbegünstigung beanspruchen kann?
  4. Falls durch die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer eine unzulässige und nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gegeben sein sollte:
    Ist es mit Art. 63 AEUV vereinbar, wenn die Erstattung der Kapitalertragsteuer an die Klägerin von den Voraussetzungen abhängig gemacht wird, dass
    • die Klägerin neben der Vorlage einer deutschen Steuerbescheinigung über den Einbehalt der Kapitalertragsteuer zusätzlich den Betrag der deutschen Ka­pitalertragsteuer in Euro beziffern muss, der in Japan im Bezugsjahr der strei­tigen Dividenden nicht auf die japanische Körperschaftsteuer angerechnet werden kann, sodass die Erstattung erst zu gewähren ist, wenn die Angaben der Klägerin dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nachgewiesen worden sind oder wenn diese Angaben dem BZSt im Wege des Informationsaustauschs mit der japanischen Steuerverwaltung bestätigt worden sind,
    • während eine gebietsansässige Mutterkapitalgesellschaft für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer in der deutschen Körperschaftsteuerveranlagung nur eine Bescheinigung der deutschen Steuerbehörden über den Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer vorlegen muss?

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 43b, § 50d Abs. 1 Satz 2
KStG § 8b Abs. 1, Abs. 5, § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2
AEUV Art. 49, Art. 63
MTR Art. 5
DBA-Japan 1966 Art. 10 Abs. 1, Abs. 2, Art. 23

BFH-Beschluss vom 3.6.2025, VIII R 21/22 (veröffentlicht am 7.8.2025)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 2.3.2022, 7 K 1424/18 KE = SIS 22 05 39

A. Sach- und Streitstand

Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die Jahre 2009, 2010 und 2011 (Streitjahre) einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstat­ten ist.

Die Klägerin ist eine japanische Kapitalgesellschaft mit Sitz in A. Sie ist Alleingesellschafterin der deutschen B‑GmbH (GmbH) mit Sitz in C. Aufgrund der Gesellschafterbeschlüsse vom 08.05.2009, 09.04.2010 und vom 03.05.2011 schüttete die GmbH Dividenden für die Wirtschaftsjahre 2008, 2009 und 2010 an die Klägerin aus.

Der Ausschüttungsbetrag im Jahr 2009 betrug brutto (einschließlich der Kapi­talertragsteuer und des Solidaritätszuschlags) … €, im Jahr 2010 … € und im Jahr 2011 … €.

Der Klägerin war zuvor durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundes­zentralamt für Steuern ‑‑BZSt‑‑) gemäß § 50d Abs. 2 Satz 1 des Einkommen­steuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) am 07.07.2008 eine Teilfreistellungsbescheinigung erteilt worden. Wegen einer Begrenzung des Kapitalertragsteuereinbehalts nach Art. 10 Abs. 2 des Abkom­mens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei einigen an­deren Steuern vom 22.04.1966 (Bundesgesetzblatt Teil II ‑‑BGBl II‑‑ 1967, 871, Bundessteuerblatt Teil I ‑‑BStBl I‑‑ 1967, 58) ‑‑DBA-Japan 1966‑‑ war auf die Dividenden der GmbH deutsche Kapitalertragsteuer statt in Höhe von 25 % nur in Höhe von 15 % einzubehalten.

Die GmbH behielt daher im Jahr 2009 Kapitalertragsteuer in Höhe von … €, im Jahr 2010 in Höhe von … € und im Jahr 2011 in Höhe von … € ein. Sie meldete diese Beträge beim zuständigen Finanzamt D (FA) an und führte sie an dieses ab. Die Kapitalertragsteu­eranmeldungen der GmbH für die Ausschüttungen datieren vom 28.05.2009 (2009), vom 26.05.2010 (2010) und vom 19.05.2011 (2011). Nach der Rege­lung in § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streit­jahren geltenden Fassung (KStG) galt die einbehaltene Kapitalertragsteuer je­weils die Körperschaftsteuerschuld der beschränkt steuerpflichtigen Klägerin für die bezogenen Dividenden ab.

Nach Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 in Verbindung mit (i.V.m.) Art. 69 des japanischen Körperschaftsteuergesetzes war die auf die Dividenden erhobene deutsche Kapitalertragsteuer als Körperschaftsteuer unter Beachtung der Bestimmungen des japanischen Rechts über die Anrechnung von im Ausland zu zahlenden Steuern auf die japanische Körperschaftsteuer grundsätzlich anrechenbar.

Danach war die nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 erhobene deutsche Kapi­talertragsteuer als Körperschaftsteuer für Ausschüttungen vor dem 01.04.2009 in vollem Umfang auf die japanische Körperschaftsteuer anrechen­bar, die auf die von der GmbH bezogenen Dividenden entfiel.

Ab dem 01.04.2009 änderte sich das japanische Steuerrecht für Ausschüttun­gen der GmbH an die Klägerin. Da die Klägerin zu mindestens 25 % an der GmbH beteiligt war und die Beteiligung vor der Gesetzesänderung in Japan für mindestens sechs Monate bestanden hatte, wurden die Dividenden der Streit­jahre bei der Klägerin jeweils zu 95 % steuerbefreit (Art. 22‑4 des japanischen Körperschaftsteuergesetzes). 5 % des Dividendenbetrags wurden nach Art. 22‑4 Satz 2 des japanischen Körperschaftsteuergesetzes weiterhin in das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Klägerin einbezogen. Ab diesem Zeitpunkt entstand wegen der Steuerbefreiung (weitgehend) keine japanische Körperschaftsteuer auf die Dividenden mehr, sodass die in Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 vorgesehene Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die japani­sche Körperschaftsteuer ins Leere ging.

Am 20.12.2013 beantragte die Klägerin beim FA die Erteilung eines Freistel­lungsbescheids gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung, der die ver­fahrensrechtliche Voraussetzung für die Erstattung der von der GmbH einbe­haltenen, angemeldeten und abgeführten Kapitalertragsteuer bildet. Die Klä­gerin machte geltend, die definitiv wirkende Erhebung der deutschen Kapital­ertragsteuer für die Dividenden von der GmbH verletze ab dem 01.04.2009 die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Ge­meinschaft ‑‑AEUV‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2008, Nr. C 115, 47), da sie die deutsche Kapitalertragsteuer aufgrund der japanischen Rechtsänderungen nicht wie zuvor anrechnen könne. Sie werde gegenüber gebietsansässigen Mutterkapitalgesellschaften benach­teiligt, bei denen gemäß § 8b Abs. 1 KStG die Dividende auch zu 95 % steuer­befreit sei, aber die Kapitalertragsteuer auf die festzusetzende Körperschaft­steuer angerechnet und erstattet werden könne.

Das FA lehnte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin erhob gegen den Ab­lehnungsbescheid Einspruch, der vom FA als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin hat ihr Erstattungsbegehren daraufhin weiterverfolgt und beim Finanzgericht (FG) Düsseldorf eine Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Freistellungsbescheids erhoben. Während des Klageverfahrens ist das BZSt im Wege eines gesetzlichen Beteiligtenwechsels zum Beklagten geworden und in das Klageverfahren eingetreten. Das FG hat die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass die Klägerin mit der Beteiligung an der GmbH zwar eine Direktinvestition getätigt habe, die durch die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV geschützt sei. Die Kapitalverkehrsfreiheit als zugunsten der Klä­gerin anwendbare Grundfreiheit werde allerdings durch die vorrangige Nieder­lassungsfreiheit verdrängt, auf die sich die Klägerin als Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat nicht berufen könne. Die Begründung des FG ist im Einzelnen in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 598 wiedergegeben.

Die Klägerin rügt im Revisionsverfahren die Verletzung materiellen Bundes­rechts. Da die abgeltende Erhebung der Kapitalertragsteuer gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV sei, hätte das FG das BZSt verurteilen müssen, den Freistellungsbescheid zu erteilen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des FG Düsseldorf vom 02.03.2022 ‑ 7 K 1424/18 KE aufzuheben und das BZSt unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 07.02.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2018 zu verpflichten, einen Freistellungs­bescheid zur einbehaltenen Kapitalertragsteuer für die Ausschüttungen der GmbH an die Klägerin in Höhe von … € für 2009, in Höhe von … € für 2010 und in Höhe von … € für 2011 zu erteilen.

Das BZSt beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

B. Beurteilung nach nationalem Recht

1. Die für die Beurteilung des Rechtsstreits wesentlichen Normen ha­ben folgenden Wortlaut

a) Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes

§ 1 Unbeschränkte Steuerpflicht

(1) Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind die folgenden Körperschaf­ten, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben:

1. Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktienge­sellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit be­schränkter Haftung) einschließlich optierender Gesellschaften im Sinne des § 1a;

(2) Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte.

§ 2 Beschränkte Steuerpflicht

Beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind

1. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften;


§ 8b Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen

(1) Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Ein­kommensteuergesetzes bleiben bei der Ermittlung des Einkommens außer An­satz.


(5) Von den Bezügen im Sinne des Absatzes 1, die bei der Ermittlung des Ein­kommens außer Ansatz bleiben, gelten 5 Prozent als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. …

§ 31 Steuererklärungspflicht, Veranlagung und Erhebung von Körperschaft­steuer

(1) Auf die Durchführung der Besteuerung einschließlich der Anrechnung, Ent­richtung und Vergütung der Körperschaftsteuer sowie die Festsetzung und Er­hebung von Steuern, die nach der veranlagten Körperschaftsteuer bemessen werden (Zuschlagsteuern), sind die Vorschriften des Einkommensteuergeset­zes entsprechend anzuwenden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. …

§ 32 Sondervorschriften für den Steuerabzug

(1) Die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, ist durch den Steuerabzug abgegolten,

2. wenn der Bezieher der Einkünfte beschränkt steuerpflichtig ist und die Ein­künfte nicht in einem inländischen gewerblichen oder land- oder forstwirt­schaftlichen Betrieb angefallen sind.

b) Vorschriften des Einkommensteuergesetzes

§ 20 Einkünfte aus Kapitalvermögen

(1) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören

1. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit be­schränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben. …

§ 36 Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer

...
(2) Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:

2. die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder auf die nach § 3 Nr. 40 dieses Ge­setzes oder nach § 8b Absatz 1 und … des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer wird nicht angerechnet, wenn die in § 45a Abs. 2 oder 3 bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist.

...
(4) Wenn sich nach der Abrechnung ein Überschuss zuungunsten des Steuer­pflichtigen ergibt, hat der Steuerpflichtige (Steuerschuldner) diesen Betrag, soweit er den fällig gewordenen, aber nicht entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen entspricht, sofort, im Übrigen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten (Abschlusszahlung). Wenn sich nach der Abrechnung ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt, wird dieser dem Steuerpflichtigen nach Bekanntgabe des Steuerbe­scheids ausgezahlt.

§ 43 Kapitalerträge mit Steuerabzug

(1) Bei den folgenden inländischen … Kapitalerträgen wird die Einkommen­steuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben:

1. Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 2.

Der Steuerabzug ist ungeachtet des § 3 Nummer 40 und des § 8b des Körper­schaftsteuergesetzes vorzunehmen.

§ 43a Bemessung der Kapitalertragsteuer

(1) Die Kapitalertragsteuer beträgt

1. in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 7a und 8 bis 12 sowie Satz 2: 25 Prozent des Kapitalertrags; …

(2) Dem Steuerabzug unterliegen die vollen Kapitalerträge ohne jeden Abzug …

§ 43b Bemessung der Kapitalertragsteuer bei bestimmten Gesellschaften

(1) Auf Antrag wird die Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, oder einer in einem anderen Mit­gliedstaat der Europäischen Union gelegenen Betriebsstätte dieser Mutterge­sellschaft, aus Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft zufließen, nicht erho­ben. …

(2) Muttergesellschaft im Sinne des Absatzes 1 ist jede Gesellschaft, die die in der Anlage 2 zu diesem Gesetz bezeichneten Voraussetzungen erfüllt und nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochterge­sellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. EG Nummer L 225 S. 6, Nummer L 266 S. 20, 1997 Nummer L 16 S. 98), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. EU Nr. L 363 S. 129), im Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer nach § 44 Ab­satz 1 Satz 2 nachweislich mindestens zu 10 Prozent (2009) und 15 Prozent (2010 und 2011) unmittelbar am Kapital der Tochtergesellschaft (Mindestbe­teiligung) beteiligt ist. Ist die Mindestbeteiligung zu diesem Zeitpunkt nicht er­füllt, ist der Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses maßgeblich. Tochter­gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 sowie des Satzes 1 ist jede unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft, die die in der Anlage 2 zu diesem Gesetz und in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 90/435/EWG bezeichneten Vor­aussetzungen erfüllt. Weitere Voraussetzung ist, dass die Beteiligung nach­weislich ununterbrochen zwölf Monate besteht. Wird dieser Beteiligungszeit­raum nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer gemäß § 44 Absatz 1 Satz 2 vollendet, ist die einbehaltene und abgeführte Kapitalertrag­steuer nach § 50d Absatz 1 zu erstatten; das Freistellungsverfahren nach § 50d Absatz 2 ist ausgeschlossen.

§ 44 Entrichtung der Kapitalertragsteuer

(1) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 … der Gläubiger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. In diesem Zeitpunkt [hat] in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 … der Schuldner der Kapitalerträge … den Steuerabzug für Rechnung des Gläubi­gers der Kapitalerträge vorzunehmen.

§ 49 Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte

(1) Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Absatz 4) sind …

5. Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des

a) § 20 Absatz 1 Nummer 1, … wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftslei­tung oder Sitz im Inland hat, …

§ 50d Besonderheiten im Fall von Doppelbesteuerungsabkommen und der §§ 43b und 50g

(1) Können Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder dem Steu­erabzug auf Grund des § 50a unterliegen, nach den §§ 43b, 50g oder nach ei­nem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, so sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet der §§ 43b und 50g sowie des Abkommens anzuwenden. Unberührt bleibt der An­spruch des Gläubigers der Kapitalerträge oder Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten oder der auf Grund Haftungsbescheid oder Nachforderungsbescheid entrichteten Steuer. Die Er­stattung erfolgt auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge oder Vergütun­gen auf der Grundlage eines Freistellungsbescheids; der Antrag ist nach amt­lich vorgeschriebenem Vordruck bei dem Bundeszentralamt für Steuern zu stellen. Der zu erstattende Betrag wird nach Bekanntgabe des Freistellungsbe­scheids ausgezahlt.

c) Vorschriften des DBA-Japan 1966 und des japanischen Körper­schaftsteuergesetzes

DBA-Japan 1966 = Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkom­men und bei einigen anderen Steuern vom 22.04.1966 (BGBl II 1967, 871, BStBl I 1967, 58).

aa) DBA-Japan 1966

Art. 10 Abs. 1: Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesell­schaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, können in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden.

Art. 10 Abs. 2: Diese Dividenden können jedoch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Vertragsstaates besteuert werden; die Steuer darf aber 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen.

Art. 23 Abs. 2: Unter Beachtung der Bestimmungen des japanischen Rechts über die Anrechnung von im Ausland zu zahlenden Steuern auf die japanische Steuer wird die deutsche Steuer, die unmittelbar oder im Abzugswege in Über­einstimmung mit diesem Abkommen zu zahlen ist, auf die japanische Steuer angerechnet.

bb) Japanisches Körperschaftsteuergesetz

Maßgeblich sind die schon dargestellten Regelungen in Art. 22‑4 und Art. 69 des japanischen Körperschaftsteuergesetzes.

2. Beurteilung des Streitfalls auf der Grundlage des nationalen Rechts

Die Revision ist auf der Grundlage des nationalen Rechts unbegründet und ge­mäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Klä­gerin hat nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 keinen Anspruch auf Erteilung eines Freistellungsbescheids zur Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer.

Die Klägerin, deren Sitz und Geschäftsleitung sich nicht im Inland, sondern in Japan befindet, unterliegt gemäß § 2 Nr. 1 KStG mit ihren Einkünften aus den Dividenden der GmbH der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).

§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG se­hen vor, dass bei Dividenden im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Körper­schaftsteuer durch den Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben wird. Nach § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG ist der Steuereinbehalt ungeachtet der 95 %‑Steuerbefreiung für Dividenden gemäß § 8b Abs. 1 KStG von der Brutto­dividende vorzunehmen. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Einbehalt der Steuer ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG in den Streitjahren jeweils der Zu­flusszeitpunkt der Kapitalerträge mit Fassung des zugrunde liegenden Gewinn­verteilungsbeschlusses. Die Höhe der Kapitalertragsteuer richtet sich für die Dividenden der Streitjahre einheitlich nach § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und beträgt 25 % des jeweiligen Dividendenbetrags.

Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG wird die Körperschaftsteuerschuld für Einkünfte einer beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft aus inländischen Dividenden im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ‑‑wie bei der Klägerin‑‑ durch den Einbehalt der Kapitalertragsteuer ab­gegolten. Beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften steht ‑‑anders als unbe­schränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften‑‑ die Möglichkeit der Veranla­gung und Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die deutsche Körperschaft­steuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG sowie deren Erstattung gemäß § 36 Abs. 4 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht offen. Die Klägerin als Kapitalgesell­schaft mit Sitz in einem Drittstaat kann auch nicht die Erstattung der deut­schen Kapitalertragsteuer nach Maßgabe des Erstattungsverfahrens in § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG verlangen, das Gesellschaften offen steht, die in einem an­deren Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirt­schaftsraums ansässig und zu mindestens 25 % an einer inländischen GmbH beteiligt sind. Solche Gesellschaften könnten sich in den Streitjahren die erho­bene Kapitalertragsteuer unter den weiteren Voraussetzungen der Regelungen in § 43b EStG i.V.m. Art. 5 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mit­gliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Gemein­schaften 1990 Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997, Nr. L 16, 98), geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 (ABlEU 2006 Nr. L 363, 129; Mutter-Tochter-Richtlinie ‑‑MTR‑‑) ungeachtet der Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zur Höhe des zu­lässigen Quellensteuereinbehalts vollständig erstatten lassen.

Liegt der in Höhe des anwendbaren DBA zulässige Satz für die Erhebung deut­scher Kapitalertragsteuer auf die Dividende wie hier nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 (15 %) unter dem generellen Steuersatz für die einzubehaltende Kapitalertragsteuer (25 %), ist einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft wie der Klägerin die Differenz auf Antrag im Rahmen des Verfahrens nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG zu erstatten oder ‑‑wie im Streitfall‑‑ nach vorheriger Er­teilung einer Teilfreistellungsbescheinigung die Kapitalertragsteuer von vorn­herein nur in Höhe des zulässigen DBA-Satzes (hier 15 %) zu erheben.

Dies ist geschehen. Die in Höhe von 15 % auf die Bruttodividende erhobene Kapitalertragsteuer entspricht der nach nationalem Recht und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 geschuldeten Körperschaftsteuerschuld der Klägerin. Sie hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines Freistellungsbescheids zur Erstattung der Kapitalertragsteuer. Der Senat hätte das klageabweisende Urteil des FG zu bestätigen.

C. Vereinbarkeit des abgeltenden Kapitalertragsteuereinbehalts mit dem Unionsrecht

1. Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten unionsrechtlichen Fra­gen

Der Senat kann über die Revision nicht abschließend entscheiden. Es bestehen Zweifel, ob die abgeltende (definitive) Erhebung der Kapitalertragsteuer auf die Dividenden der Streitjahre in Höhe von jeweils 15 % mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die erste Vorlagefrage des Senats zielt darauf ab, ob die Kapitalverkehrsfrei­heit gemäß Art. 63 AEUV als Prüfungsmaßstab im Streitfall überhaupt eröffnet ist. Zweifelhaft ist, ob die Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfrei­heit nach Art. 49 AEUV nach den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bislang herausgearbeiteten Abgrenzungskriterien verdrängt wird. Auf die Niederlassungsfreiheit kann sich die Klägerin als Dritt­staaten-Kapitalgesellschaft nicht stützen (dazu C.2.a).

Ist die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab eröffnet, hat der Senat Zweifel, ob die mit der Revision angegriffenen nationalen Besteuerungsrege­lungen eine von der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) verursachte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu Lasten der Klägerin auslösen. Die von der Klägerin gerügte definitive Wirkung des Kapitalertragsteuereinbehalts ab dem 01.04.2009 beruht aus Sicht des Senats maßgeblich auf der Einfüh­rung der japanischen Steuerbefreiung und nicht auf den unveränderten natio­nalen deutschen Besteuerungsregeln und dem ebenso unverändert gebliebe­nen Entlastungsmechanismus nach Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966. Die Frage, nach welchen Kriterien die Verursachung und Zurechnung der Deutschland von der Klägerin vorgehaltenen Beschränkung zu bestimmen ist, ist ebenfalls ent­scheidungserheblich (Vorlagefrage 2, dazu C.2.b).

Ist eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu Lasten der Klägerin an­zunehmen, ist der Senat der Auffassung, dass der Einbehalt der abgeltenden (definitiven) deutschen Kapitalertragsteuer mit der Aufteilung der Besteue­rungsrechte zwischen Deutschland und Japan nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 gerechtfertigt ist. Er hat angesichts der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu Dividendenausschüttungen zwischen den Gesell­schaften zweier Mitgliedstaaten aber Zweifel, ob diese Beurteilung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Ferner stellt sich dem Senat die unionsrechtlich zweifelhafte Frage, ob der Einbehalt der abgeltenden (definitiven) deutschen Kapitaler­tragsteuer dadurch gerechtfertigt sein kann, dass der Klägerin wegen der schon in Anspruch genommenen japanischen Steuerbefreiung keine Doppelbe­günstigung der Dividende zu gewähren ist (dazu C.2.c).

Sollte im Ergebnis eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die abgeltende Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer anzuneh­men sein, stellt sich die Frage der Erstattungsmodalitäten (Vorlagefrage 4, dazu C.2.d). Aus Sicht des Senats ist Voraussetzung für eine Erstattung, dass die Klägerin den Betrag der in Japan nicht anrechenbaren deutschen Kapitaler­tragsteuer für die einzelnen Ausschüttungen konkret in Euro berechnet und das BZSt die Richtigkeit der Angaben im Wege des Informationsaustauschs mit den japanischen Steuerbehörden überprüfen kann. Hierin lägen aber höhe­re Anforderungen als eine gebietsansässige Mutterkapitalgesellschaft bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer zu erfüllen hätte, sodass in den beschrie­benen Erstattungsvoraussetzungen eine eigenständige Beschränkung der Ka­pitalverkehrsfreiheit liegen könnte. Da die Erteilung des Freistellungsbescheids von den maßgeblichen Erstattungsvoraussetzungen und deren Erfüllung ab­hängt, ist auch diese Rechtsfrage entscheidungserheblich.

2. Erläuterung der Vorlagefragen im Einzelnen und Auffassung des Se­nats

a) Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungs­freiheit?

aa) Im Ausgangspunkt ist für den Senat nicht zweifelhaft, dass die Beteiligung der Klägerin an der GmbH und die steuerliche Belastung der Dividenden mit deutscher Kapitalertragsteuer grundsätzlich in den Schutzbereich der Kapital­verkehrsfreiheit fallen können und diese als Prüfungsmaßstab eröffnet sein kann.

Es handelt sich im Streitfall bei der Beteiligung an der GmbH um eine soge­nannte Direktinvestition im Sinne des Art. 64 Abs. 1 AEUV (EuGH-Urteile SECIL vom 24.11.2016 ‑ C‑464/14, EU:C:2016:896, Rz 75 folgende ‑‑ff.‑‑; EV vom 20.09.2018 ‑ C‑685/16, EU:C:2018:743, Bundessteuerblatt Teil II ‑‑BStBl II‑‑ 2019, 111, Rz 67 bis 69).

Eine ungünstigere Behandlung von Dividenden, die an gebietsfremde Gesell­schaften gezahlt werden, als von Dividenden, die an gebietsansässige Gesell­schaften gezahlt werden, kann unter bestimmten Voraussetzungen die nicht gebietsansässigen Gesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH davon abhalten, im erstgenannten Mitgliedstaat zu investieren (EuGH-Urteile Credit Suisse Securities (Europe) vom 19.12.2024 ‑ C‑601/23, EU:C:2024:1048, Rz 31; XX (Contrats dits unit-linked) vom 07.11. 2024 ‑ C‑782/22, EU:C:2024:932, Rz 32, m.w.N.; ACC Silicones vom 16.06. 2022 ‑ C‑572/20, EU:C:2022:469, Rz 33; EV vom 20.09.2018 ‑ C‑685/16, EU:C:2018:743, BStBl II 2019, 111, Rz 67 bis 69).

bb) Der sachliche Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ist aus Sicht des Senats jedoch ebenfalls eröffnet.

Die Klägerin nimmt für die von der GmbH bezogenen Dividenden eine 95 %‑Steuerbefreiung nach dem japanischen Steuerrecht in Anspruch. Diese Befreiung steht der Klägerin nur deshalb zu, weil sie im Streitzeitraum zu min­destens 25 % für den Mindestzeitraum von sechs Monaten vor dem Dividen­denbezug an der GmbH beteiligt war. Eine solche Beteiligung und erst recht die Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin der GmbH vermittelt der Klägerin nach der Rechtsprechung des EuGH einen sicheren Einfluss auf die GmbH (EuGH-Urteil Scheunemann vom 19.07.2012 ‑ C‑31/11, EU:C:2012:481).

Daneben begehrt die Klägerin zusätzlich zur japanischen Steuerbefreiung die vollständige Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer. Sie will innerhalb des Zusammenschlusses mit der GmbH erreichen, dass es ausschließlich auf Ebene der GmbH zu einer Körperschaftsteuerbelastung der Gewinne kommt. Eine Belastung der Dividende soll für die Klägerin als Anteilseignerin weder im Quellen- noch im Sitzstaat anfallen.

Sowohl nach den tatsächlichen Gegebenheiten und dem Rechtsschutzziel (der Minderung der steuerlichen Belastung der Gewinne des Zusammenschlusses der Klägerin mit der GmbH) ist qualitativ die Ausübung der Niederlassungsfrei­heit in Art. 49 AEUV betroffen. Die Befreiung von der Quellenbesteuerung, das heißt die Nichtbesteuerung der Dividende in qualifizierten Mutter-Tochter-Ver­hältnissen ‑‑unabhängig von der Existenz eines DBA und dessen Ausgestal­tung‑‑ sichert zwischen den Mitgliedstaaten die steuerliche Neutralität der Gewinnausschüttungen für Zusammenschlüsse von Gesellschaften im Binnen­markt, um die Kapitalimport- und die Kapitalexportneutralität zu fördern. Die­se Situation ist von der Niederlassungsfreiheit geprägt, da sie die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Niederlassung einer Mutterkapitalgesellschaft in Form des Zusammenschlusses mit einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat unter sicherer Einflussnahmemöglichkeit ausgestaltet.

Auch der EuGH hat in dem Urteil Denkavit International und Denkavit France vom 14.12.2006 ‑ C‑170/05, EU:C:2006:783, Rz 18 ff., 30 ‑‑vor Einführung der Mutter-Tochter-Richtlinie‑‑ die Belastung einer Anteilseignergesellschaft mit einer definitiven Quellensteuer aus einem anderen Mitgliedstaat am Maßstab der Niederlas­sungsfreiheit gemessen. Für die Rechtslage unter Geltung der Mutter-Tochter-Richtlinie hat der EuGH den Zweck der Richtlinie und damit auch § 43b Abs. 2 EStG zum Bei­spiel (z.B.) in dem Urteil Deister und Juhler Holding vom 20.12.2017 ‑ C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rz 48 bis 52 konkretisiert. Er hat die Quellensteuerbefreiung im Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft als wichtiges Element für die Funktion des Binnenmarkts betont. Die Richtlinie solle den Zusammenschluss von Gesellschaften auf Unionsebene erleichtern und sicherstellen, dass Gewinnausschüttungen einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansäs­sige Mutterkapitalgesellschaft steuerlich neutral bleiben.

cc) Der EuGH hat zur Abgrenzung der Grundfreiheiten im Zusammenhang mit Drittstaatengesellschaften Kriterien entwickelt, die auf Bezüge von Dividenden einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft von einer Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat anzuwenden sind (EuGH-Urteile Test Claimants in the Fii Group Litigation vom 13.11.2012 ‑ C‑35/11, EU:C:2012:707, Rz 89 ff.; X (in Drittländern ansässige Zwischengesellschaften) vom 26.02.2019 ‑ C‑135/17, EU:C:2019:136; Kronos International/Finanzamt Leverkusen vom 11.09.2014 ‑ C‑47/12, EU:C:2014:2200 sowie SECIL vom 24.11.2016 ‑ C‑464/14, EU:C:2016:896 und EV vom 20.09.2018 ‑ C‑685/16, EU:C:2018:743, BStBl II 2019, 111). Diese Kriterien hat der EuGH in dem Ur­teil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249 (siehe ‑‑s.‑‑ ferner EuGH-Urteil College Pension Plan of British Columbia vom 13.11.2019 ‑ C‑641/17, EU:C:2019:960, Rz 48 ff.) für eine Fallkonstellation, in der es um Ausschüt­tungen aus der Gesellschaft eines Mitgliedstaats an einen Drittstaaten-Invest­mentfonds mit einer Portfoliobeteiligung ging, in Rz 25 bis 32 dieser Entschei­dung für "sinngemäß" anwendbar erklärt. Danach ergibt sich aus der Recht­sprechung des EuGH, dass die steuerliche Behandlung von Dividenden bei der Ausschüttung an eine Drittstaatengesellschaft unter die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 AEUV und unter den freien Kapitalverkehr nach Art. 63 AEUV fallen kann. Bei der Antwort auf die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Grundfreiheit fällt, ist auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen.

dd) Nach Rz 29 und 32 des EuGH-Urteils Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249 ist für die Abgrenzung der Grundfreiheiten auch bei Ausschüttungen der Gesell­schaft eines Mitgliedstaats an eine Drittstaatengesellschaft maßgeblich auf den Gegenstand der nationalen Besteuerungsregelungen abzustellen.

aaa) Bei entsprechender Anwendung der Aussagen in Rz 26 und 32 des EuGH-Urteils Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249 ist die Niederlassungsfreiheit die vor­rangige Grundfreiheit für Dividenden, die aus einem Mitgliedstaat an eine Drittstaatengesellschaft ausgeschüttet werden, wenn sich aus dem Gegen­stand der angefochtenen nationalen Regelung ergibt, dass sie nur auf Beteili­gungen Anwendung finden soll, die es erlauben, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkei­ten zu bestimmen. Für den Senat betrifft der hier maßgebliche Gegenstand der angegriffenen Regelungen in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und in Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 nur Beteiligungen von japanischen Mutterkapitalgesellschaften, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der deutschen Tochtergesell­schaft vermitteln.

Der "Gegenstand" der nationalen Besteuerungsregelungen zum definitiven Ka­pitalertragsteuereinbehalt in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 bestimmt sich nach dem Ziel und Zweck der Regelungen in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966. Nach Rz 29 des Urteils Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249 ist wiederum der Zweck der Regelungen in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 im "Kontext der konkre­ten Ausschüttungen" zu bestimmen. Der "Kontext" der hier streitigen Aus­schüttungen ist dadurch geprägt, dass die Klägerin zu mindestens 25 % und für einen Zeitraum von sechs Monaten vor dem Dividendenbezug an der GmbH beteiligt sein musste und auch war. Nur unter diesen rechtlichen Vor­aussetzungen wird ihr die japanische Steuerbefreiung für die Dividende von der GmbH in Höhe von 95 % der Dividenden gewährt. Nur aufgrund der japa­nischen Steuerbefreiung entsteht die von der Klägerin geltend gemachte Be­schränkung durch den definitiven (abgeltenden) Einbehalt der deutschen Kapitalertrag­steuer auf die Dividenden: Da auf die Dividenden wegen der japanischen Steu­erbefreiung weitgehend keine japanische Körperschaftsteuer anfällt, geht die nach Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 und Art. 69 des japanischen Körper­schaftsteuergesetzes vor dem 01.04.2009 mögliche vollständige Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die japanische Körperschaftsteuer weit­gehend ins Leere. Es handelt sich bei der Höhe der Beteiligung der Klägerin nicht um einen rein tatsächlichen, sondern um einen prägenden rechtlichen Umstand, der aus Sicht des Senats auch den Gegenstand der angegriffenen Regelungen bestimmt. Denn bei einer japanischen Kapitalgesellschaft, deren Beteiligung an einer GmbH unterhalb der Schwelle von mindestens 25 % liegt, kann die von der Klägerin geltend gemachte Beschränkung der Kapitalver­kehrsfreiheit von vornherein nicht eintreten. Solche japanischen Mutterkapitalgesell­schaften können auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 und des japanischen Körperschaftsteuerrechts die Anrechnung der deutschen Kapi­talertragsteuer auf die japanische Körperschaftsteuer beanspruchen. Folglich betrifft der hier relevante Gegenstand der Regelungen in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 im konkreten Kontext nur Beteili­gungen japanischer Mutterkapitalgesellschaften, die einen sicheren Einfluss auf die deutsche Tochtergesellschaft vermitteln und der Niederlassungsfreiheit unter­fallen.

bbb) Allerdings könnten der Sichtweise des Senats die Aussagen in Rz 30 und 32 der Entscheidung des EuGH im Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249 ent­gegenstehen. In Rz 30 hat der EuGH klargestellt, dass eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus einem Drittstaat, die nicht ausschließlich für Situationen gilt, in denen die Mutterkapitalgesellschaft ent­scheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüt­tet, nach Art. 63 AEUV zu beurteilen ist. Eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft könne sich in diesem Fall unabhängig vom Umfang ihrer Beteili­gung an der in einem Drittstaat ansässigen Dividenden ausschüttenden Gesell­schaft auf diese Bestimmung berufen, um die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung in Frage zu stellen. Nach Rz 32 der Entscheidung soll diese Wertung für die Ausschüttungen der Gesellschaft eines Mitgliedstaats an eine Dritt­staaten-Gesellschaft "entsprechend" gelten. Bei einem wörtlichen Verständnis dieser Aussage kommt es maßgeblich auf den tatbestandlichen Anwendungs­bereich der nationalen Besteuerungsregelungen an (Rz 30: "Regelung, … die nicht ausschließlich … gilt"). Die abgeltende Erhebung der deutschen Kapitaler­tragsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 "gilt" nach ihrem sachlichen Anwendungsbereich (und ohne Berücksichtigung des konkreten Kontexts) auch für Ausschüttungen deutscher Gesellschaften an japanische Mutterkapitalgesellschaften, die zu weniger als 25 % an einer deutschen Kapitalgesellschaft beteiligt sind.

ccc) Der Senat hielte eine Eröffnung der Kapitalverkehrsfreiheit, weil § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 abstrakt für sämtliche Dividendenausschüttungen einer deutschen Tochter- an eine japanische Mut­terkapitalgesellschaft gelten, im hier zu beurteilenden Fall jedoch für unzutreffend.

(1) Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Eröffnung der Kapitalverkehrs­freiheit als Prüfungsmaßstab für "neutrale" Vorschriften, die tatbestandlich nicht an eine bestimmte Beteiligungsgrenze der Anteilseignergesellschaft an­knüpfen, in vielen Situationen geboten ist. Denn ansonsten könnte für Portfo­liobeteiligungen und Direktinvestitionen ein unterschiedliches Schutzniveau entstehen.

Die objektive Reichweite einer Norm (Sind alle Beteiligungen oder nur unter­nehmerische Beteiligungen erfasst?) kann ihrerseits aber nur eine indizielle Bedeutung für die Zwecksetzung der Regelung und die Bestimmung ihres Ge­genstands besitzen. Andernfalls könnte der Gesetzgeber durch eine künstliche Aufteilung eines Normkomplexes die Wirkkraft der Kapitalverkehrsfreiheit ausschließen, indem er eine Beteiligungsgrenze in die Norm aufnimmt. Der Normzweck als Gegenstand der angegriffenen nationalen Regelung kann je nach dem Kontext der betroffenen Ausschüttung aber unterschiedlich zu beur­teilen sein. Im Streitfall betrifft der Gegenstand der nationalen Regelungen wie schon erläutert nur Beteiligungen, die unter den Anwendungsbereich der Nie­derlassungsfreiheit fallen.

(2) Weiterer Zweck der Regelungen in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 ist, für japanische Mutterkapitalgesellschaften wie die Klägerin mit einer Beteiligung, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der deut­schen Tochtergesellschaft ermöglicht, für Ausschüttungen an diese die definiti­ve Erhebung der Körperschaftsteuer auf die Dividende in Höhe des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 (15 %) sicherzustellen. Insoweit steht Deutschland nach dem nationalen Recht und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 das Besteue­rungsrecht für die Dividenden zu. Die Klägerin strebt mit der Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit hingegen eine Keinmalbesteuerung der Dividenden in Japan und in Deutschland auf ihrer Ebene an. Sie will für den Zusammen­schluss mit der GmbH eine binnenmarktähnliche Besteuerungssituation wie im Anwendungsbereich des Art. 5 MTR herbeiführen. Für dieses Rechtsschutzziel müsste sie sich nach Ansicht des Senats aber wie unter C.2.a bb ausgeführt auf die Niederlassungsfreiheit stützen können.

ddd) Es besteht aus Sicht des Senats ferner ein geringeres Schutzniveau der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber dem Schutzniveau der Niederlassungsfrei­heit. Der EuGH hat in Rz 31 des Urteils Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249 aus­geführt, es müsse verhindert werden, dass die Auslegung von Art. 63 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Beziehungen zu Drittstaaten es Wirtschaftsteilnehmern, die sich außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs der Niederlassungs­freiheit befinden, erlaube, in den Genuss dieser Freiheit zu gelangen.

Das Kriterium des "Marktzugangs" ist für den Senat auch im Streitfall berührt, da die Klägerin eine binnenmarktähnliche Besteuerungssituation für den Transfer von Gewinnen im Zusammenschluss mit der GmbH erreichen will. Für den Senat ist aber der Umfang und Inhalt dieses Kriteriums unionsrechtlich nicht abschließend geklärt. Der EuGH hat diese Einschränkung der Kapitalver­kehrsfreiheit einerseits immer wieder in Fallgestaltungen hervorgehoben, die die ungünstigere Behandlung von Dividenden im Quellenstaat oder im Emp­fängerstaat betreffen. Andererseits hat er ausgeführt, dass Regelungen, die nicht die Voraussetzungen für den Zugang einer Gesellschaft eines Drittstaats zum Markt eines Mitgliedstaats betreffen, sondern lediglich die steuerliche Be­handlung von Dividenden, die aufgrund von Investitionen des Empfängers der Dividenden in die Gesellschaft, die die Dividenden ausschüttet, gezahlt wer­den, den Marktzugang nicht betreffen (EuGH-Urteile SECIL vom 24.11.2016 ‑ C‑464/14, EU:C:2016:896, Rz 42, 43; Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.04.2014 ‑ C‑190/12, EU:C:2014:249, Rz 33).

Aus der Sicht des Senats ist das Kriterium des Marktzugangs in einem steuer­rechtlichen Sinn im Streitfall berührt. Denn die Klägerin als Drittstaatengesell­schaft will wie schon erläutert eine binnenmarktähnliche Keinmalbesteuerung des Gewinntransfers für den Anteilseigner innerhalb des grenzüberschreiten­den Zusammenschlusses mit der GmbH wie in den Fällen des Art. 5 MTR errei­chen. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit würde überdehnt, wenn Deutschland über diese verpflichtet werden könnte, der Klägerin einen Markt­zugang in dem Sinne zu gewähren, bei dem Deutschland auf das ihm nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 zustehende Besteuerungsrecht und Quellen­steueraufkommen für Dividenden verzichten und der Klägerin eine einseitige (nicht reziproke) Vollentlastung der Ausschüttungen von der deutschen Kapi­talertragsteuer gewähren müsste.

b) Ist in der definitiven (abgeltenden) Erhebung der Kapitalertrag­steuer eine von Deutschland verursachte Beschränkung der Kapital­verkehrsfreiheit zu sehen?

aa) Wäre die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab eröffnet, ist aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft, dass die grenzüberschreitende Belastung von Dividendenausschüttungen grundsätzlich zu einer Beschränkung der Kapi­talverkehrsfreiheit führen kann.

Eine ungünstigere Behandlung von Dividenden, die an gebietsfremde Gesell­schaften gezahlt werden, als von Dividenden, die an gebietsansässige Gesell­schaften gezahlt werden, kann die nicht gebietsansässigen Gesellschaften da­von abhalten, im erstgenannten Mitgliedstaat zu investieren (Credit Suisse Securities (Europe) vom 19.12.2024 ‑ C‑601/23, EU:C:2024:1048, Rz 31). Einer solchen Prüfung bedarf es im Hinblick auf die vom gebietsfremden Steu­erpflichtigen geschuldete Dividendensteuer (Quellensteuer) einerseits und die vom gebietsansässigen Steuerpflichtigen geschuldete Dividenden‑, Einkom­men- oder Körperschaftsteuer andererseits, deren Bemessungsgrundlage die Einkünfte aus den Anteilen umfasst, aus denen die Dividenden fließen (EuGH-Urteil XX (Contrats dits unit-linked) vom 07.11. 2024 ‑ C‑782/22, EU:C:2024:932, Rz 32, m.w.N.). Zu Ausschüttungen deutscher Kapitalgesell­schaften an Mutterkapitalgesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat der EuGH Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit von Anteilseignergesell­schaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bereits bejaht (EuGH-Urteile ACC Silicones vom 16.06.2022 ‑ C‑572/20, EU:C:2022:469, Rz 33; Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670, Rz 72 und 73).

bb) Ursachen einer grundsätzlich unzulässigen Beschränkung können nach der Rechtsprechung des EuGH sämtliche Regelungen des nationalen Rechts des Quellenstaates sein, die trotz des Dividendenzuflusses zu einer Minderung der Körperschaftsteuerfestsetzung für die gebietsansässige Mutterkapitalgesellschaft füh­ren und in der weiteren Folge eine Anrechnung oder Erstattung der innerstaat­lich erhobenen Quellensteuer bewirken, wenn daneben die Erhebung der Quel­lensteuer gegenüber der gebietsfremden Mutterkapitalgesellschaft eine definitive (abgeltende) Wirkung für deren Körperschaftsteuerfestsetzung hat (zum Sys­tem des § 8b Abs. 1 KStG mit Veranlagung und Anrechnung auf die Körper­schaftsteuerfestsetzung s. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 20.10.20211 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670, Rz 44 bis 73). Ein Vorteil der gebietsansässigen Mutterkapitalgesell­schaft kann in einem Liquiditäts- und Stundungsvorteil oder in einem endgültig eintretenden Vorteil (Steuerbefreiung) für die Einkünfte aus der Dividende be­stehen (vgl. EuGH-Urteile Credit Suisse Securities (Europe) ‑ vom 19.12.2024 ‑ C‑601/23, EU:C:2024:1048, Rz 35 bis 42; Sofina u.a. vom 22.11.2018 ‑ C‑575/17, EU:C:2018:943; XX (Contrats dits unit-linked) vom 07.11.2024 ‑ C‑782/22, EU:C:2024:932, Rz 34 bis 41).

cc) Dies zugrunde gelegt, befinden sich gebietsansässige Mutterkapitalgesell­schaften, die eine Dividende von einer gebietsansässigen Kapitalgesellschaft erhalten, ‑‑bei isolierter Betrachtung ohne Einbeziehung der japanischen Steu­erbefreiung der Dividende‑‑ in einer günstigeren Situation als die Klägerin. Sie sind gemäß § 31 Abs. 1 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer zu veranla­gen. Bei der Veranlagung findet die technische Steuerbefreiung für die Dividen­de in § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG in Höhe von 95 % Anwendung, sodass auf die Dividen­de keine Körperschaftsteuer festzusetzen ist. Die erhobene Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % der Dividende kann in der Körperschaftsteuerfestsetzung gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG angerechnet und gegebenenfalls gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG erstattet werden (vgl. zum nationalen Besteuerungs­system bereits das EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670, Rz 33, 34). Eine vergleichbare Entlastung von der Kapitalertragsteuer wird der Klägerin nach den schon dargestellten nationalen Regelungen nicht gewährt.

dd) Allerdings kann nach der Rechtsprechung des EuGH der Quellenstaat die Beschränkung durch eine ungünstigere Behandlung der Dividendenausschüt­tungen an eine gebietsfremde Mutterkapitalgesellschaft vermeiden, in dem er mit einem anderen Mitgliedstaat ein DBA schließt. Dafür ist jedoch erforderlich, dass die Anwendung des DBA es erlaubt, die Wirkungen der sich aus dem na­tionalen Recht des Quellenstaats ergebenden unterschiedlichen Behandlung im Vergleich zu einer gebietsansässigen Mutterkapitalgesellschaft vollständig auszuglei­chen (EuGH-Urteile Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670, Rz 62 ff.; ACC Silicones vom 16.06.2022 ‑ C‑572/20, EU:C:2022:469, Rz 46 bis 50; Miljoen vom 17.09.2015 ‑ C‑10/14, C‑14/14 und C‑17/14, EU:C:2015:608, Rz 76 bis 88). Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob ein DBA in dieser Weise zu berücksichtigen ist, und zu prüfen, ob dieses Abkommen es ermöglicht, die Wirkungen einer nach nationalem Recht eintretenden Be­schränkung des freien Kapitalverkehrs zu neutralisieren (EuGH-Urteil Amurta vom 08.11.2007 ‑ C‑379/05, EU:C:2007:655).

Bis zum 31.03.2004 wurde die nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 auf die Di­videnden der GmbH erhobene Kapitalertragsteuer in dieser Weise vollständig neutralisiert. Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 ordnete die Anrechnung der Ka­pitalertragsteuer auf die japanische Körperschaftsteuer an, die auf die Dividen­den entfiel. Die japanische Körperschaftsteuer erreichte oder überstieg den Be­trag der deutschen Kapitalertragsteuer. Erst die Einführung der japanischen Steuerbefreiung für 95 % des Dividendenbetrags ab dem 01.04.2009 bewirkt, dass keine japanische Körperschaftsteuer auf die Dividende mehr anfällt. Die in Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 unverändert angeordnete Anrechnungsmög­lichkeit ausländischer (deutscher) Quellensteuerbeträge in Japan geht für die Ausschüttungen der GmbH an die Klägerin seitdem ins Leere.

Die Gesamtsteuerbelastung der Dividende im Quellen- und Empfängerstaat hat sich für die Klägerin nach dem 01.04.2009 nicht geändert. Bis zum 01.04.2009 wurde für die bezogene Dividende neben der Kapitalertragsteuer auch japanische Körperschaftsteuer mindestens in Höhe von 15 % oder mehr erhoben, auf die die Kapitalertragsteuer (15 %) vollständig angerechnet wer­den konnte. Ab dem 01.04.2009 wird technisch betrachtet die vollständige An­rechnung der Kapitalertragsteuer nach dem DBA-Japan 1966 durch eine natio­nale japanische Steuerbefreiung der Dividende zugunsten der Klägerin ersetzt.

ee) Aus der technischen Umgestaltung des japanischen Entlastungsmechanis­mus für ausländische (deutsche) Dividenden ergibt sich ab dem 01.04.2009 zwar eine definitive Belastung der Dividende der Klägerin mit deutscher Kapi­talertragsteuer, die bei einer veranlagten gebietsansässigen deutschen Mut­terkapitalgesellschaft nicht eintreten würde. Allein aus der höheren Kapitalertrag­steuerbelastung der Klägerin in Deutschland ergibt sich aus der Sicht des Se­nats nach den Umständen des Streitfalls jedoch keine von Deutschland verur­sachte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu Lasten der Klägerin.

Art. 10 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG bilden den Rechtsrahmen für die Erhebung der deutschen Kapitalertrag­steuer zum 01.04.2009. Alle Normen sind unverändert geblieben. Die von der Klägerin geltend gemachte ungünstigere Besteuerung der Dividende ab dem 01.04.2009 wird allein durch die neu eingeführte japanische Steuerbefreiung der Dividende verursacht. Diese vereitelt die nach Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 bestehende Anrechnungsmöglichkeit der Kapitalertragsteuer.

ff) Soweit ersichtlich hat der EuGH über die Frage der Zurechnung einer Be­schränkung in einer Situation für Drittstaatensachverhalte wie im Streitfall noch nicht entschieden. Daher ist auch die Beantwortung dieser Rechtsfrage zweifelhaft und Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens.

c) Ist die definitive (abgeltende) Erhebung der Kapitalertragsteuer aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses durch die Auftei­lung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt?

aa) Der EuGH hat bereits entschieden, dass eine Beschränkung des freien Ka­pitalverkehrs, deren Wirkungen durch ein DBA nicht neutralisiert werden kön­nen, gegebenenfalls aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses ge­rechtfertigt sein kann (vgl. EuGH-Urteil Miljoen vom 17.09.2015 ‑ C‑10/14, C‑14/14 und C‑17/14, EU:C:2015:608, Rz 89).

bb) Andererseits hat der EuGH im Urteil Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670 die für die unterschiedliche Behandlung der Dividende auf Ebene einer deutschen Mutterkapitalgesellschaft streitenden Umstände (Rz 74 bis 76) nicht für eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemein­interesses genügen lassen. Er hat in Rz 78 bis 82 der Entscheidung das Ein­greifen dieses Rechtfertigungsgrundes abgelehnt, wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entschieden hat, die in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Empfängerge­sellschaften im Hinblick auf Dividendeneinkünfte nicht zu besteuern, anderer­seits aber die Dividenden der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Emp­fängergesellschaften zu besteuern. Die Entscheidung Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670 betraf Ausschüttungen zwischen den Gesellschaften zweier Mitgliedstaaten.

cc) Aus Sicht des Senats ist im Streitfall aber eine andere Situation gegeben, die die Prüfung des Rechtfertigungsgrundes eröffnet. Dessen Voraussetzungen sind nach der Ansicht des Senats auch erfüllt.

aaa) Gebietsansässige deutsche Mutterkapitalgesellschaften sind gemäß § 31 Abs. 1 KStG zur Körperschaftsteuer zu veranlagen, wobei für bezogene Dividenden die technische Steuerbefreiung in § 8b Abs. 1 KStG Anwendung findet, was zur Anrechnung oder Erstattung der Quellensteuer gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG bzw. § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG führen kann. 5 % des Dividendenbetrags unterliegen gemäß § 8b Abs. 5 KStG als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben der Besteuerung, sodass die technische Steuerbefreiung der Dividenden für 95 % des Dividendenbetrags gilt. Es handelt sich ‑‑wie schon in der EuGH-Ent­scheidung Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670, Rz 33, 34 wiederge­geben‑‑ um ein Teileinkünftesystem, das die Dividendenbesteuerung in zwei Schritte teilt. Danach wird im ersten Teilbesteuerungsschritt die ausschüt­tende inländische Gesellschaft mit einer definitiven, nicht anrechenbaren Kör­perschaftsteuer (und Gewerbesteuer) belastet, und zwar seit dem 01.01.2008 in Höhe von 15 %, wohingegen im zweiten Teilbesteuerungsschritt der letzte Anteilseigner, an den ausgeschüttet wird, in einem Umfang belastet wird, der zusammen mit dem ersten Teilbesteuerungsschritt zu einer vollen Besteue­rung des ausgeschütteten Gewinns führt. Folgerichtig kommt es beim Zusam­menschluss zweier gebietsansässiger Körperschaften zu einer Einmal-Vollbe­steuerung in zwei Teilbesteuerungsschritten, das heißt zwischengeschaltete Anteilseignergesellschaften werden von der Besteuerung freigestellt, um eine Überbesteuerung zu verhindern. Der Verzicht auf eine Besteuerung der Divi­dendenausschüttung in Höhe von 95 % des Bruttobetrags an eine gebietsan­sässige Anteilseignergesellschaft auf Ebene der gebietsansässigen Mutterkapitalge­sellschaft gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG ist nicht als eine Entscheidung zu beurteilen, die Zuständigkeit für die Dividendenbesteuerung nicht wahrzuneh­men, da diese mittels eines mehrere Schritte umfassenden Gesamtsystems wahrgenommen wird. Es soll bei einer Einmal-Vollbesteuerung der Dividende beim endgültigen Anteilseigner verbleiben.

Durch die definitive (abgeltende) Erhebung der Kapitalertragsteuer für Divi­denden an eine japanische Mutterkapitalgesellschaft nimmt Deutschland die ihm nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 in Verbindung mit dem Territorialitätsgrund­satz zustehende Befugnis effektiv wahr, die von der deutschen GmbH erwirt­schafteten Gewinne besteuern zu dürfen. Durch die definitive Erhebung der Kapitalertragsteuer auf die Dividende wird die Einmal-Vollbesteuerung der Di­vidende als Teil des Gewinntransfers an die Anteilseigner (Klägerin) sicherge­stellt (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670, Rz 33, 34).

bbb) Der EuGH hat im Kontext der Ausschüttung von Dividenden zwischen den Gesellschaften zweier Mitgliedstaaten in Rz 81 und 82 des Urteils Kommission/Deutschland vom 20.10.2011 ‑ C‑284/09, EU:C:2011:670 ausgeführt, Deutschland dürfe unge­achtet des Systems der Dividendenbesteuerung in zwei Teilbesteuerungs­schritten auf der Grundlage der Kapitalverkehrsfreiheit zur Verwirklichung des Binnenmarkts keine definitive Kapitalertragsteuer gegenüber ausländischen Anteilseignergesellschaften erheben und habe die daraus resultierenden Steu­erausfälle hinzunehmen. Dies begründet der EuGH maßgeblich damit, Deutschland könne den Gewinn, aus dem die Dividende ausgeschüttet werde, auf Ebene der deutschen Tochterkapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer belasten. Diese Betrachtungswei­se schließt aber ein, dass eine deutsche Empfängergesellschaft im umgekehr­ten Fall der Ausschüttung einer Dividende von einer anderen Mitgliedstaaten-Gesellschaft dieselbe Behandlung verlangen könnte.

ccc) Anders ist dies im Streitfall. Eine Möglichkeit für deutsche Anteilseigner­gesellschaften, im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit reziproke Entlastungen in Japan verlangen zu können, ist nicht gegeben. Zudem besteht auch keine Verpflichtung zur Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarkts gegenüber Japan. Die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer ist daher als Bestandteil der Aufteilung der Besteuerungsrechte gerechtfertigt. Es ist nach den Umständen des Streitfalls verhältnismäßig, dass Deutschland und Japan ihre Besteuerungsbefugnisse für die Dividenden der Streitjahre nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 nebeneinander wahrnehmen. Die Verhält­nismäßigkeit der Aufteilung der Besteuerungsrechte in dieser Weise ergibt sich insbesondere daraus, dass sich die steuerliche Gesamtbelastung der Dividende für die Klägerin durch die Beibehaltung der definitiven Erhebung der deutschen Kapitaler­tragsteuer nicht erhöht hat und sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Investition der Klägerin in Deutschland als Quellenstaat nicht geändert ha­ben.

dd) Ferner stellt sich zum Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteue­rungsbefugnisse aus Sicht des Senats die bislang ungeklärte unionsrechtliche Frage, ob die Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer gerechtfertigt ist, weil die Klägerin eine grenzüberschreitende Doppelbegünstigung der Dividen­de begehrt.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung bereits angedeutet, dass die Beibehal­tung beschränkender nationaler Besteuerungsregeln gerechtfertigt sein kann, wenn ein grenzüberschreitender Doppelvorteil angestrebt wird (zur Belastung von Dividenden EuGH-Urteil XX (Contrats dits unit-linked) vom 07.11.2024 ‑ C‑782/22, EU:C:2024:932, Rz 71, 72; zur doppelten Verlustberücksichtigung EuGH-Urteil NN vom 04.07.2018 ‑ C‑28/17, EU:C:2018:526, Rz 42, 48).

Ob der Rechtfertigungsgrund hier eingreift, weil die Klägerin neben der Inan­spruchnahme der japanischen Steuerbefreiung auch die Nichterhebung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die Dividende anstrebt, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Er bittet den EuGH um Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Rechtfertigungsgrund in einem Fall wie dem Streitfall zur Anwendung zu bringen sein könnte.

d) Anforderungen an die Erstattungsmodalitäten, falls eine nicht ge­rechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt

aa) Unionsrechtswidrig erhobene Steuern sind nach der Rechtsprechung des EuGH zu erstatten (z.B. EuGH-Urteile Accor vom 15.09.2011 ‑ C‑310/09, EU:C:2011:581, Rz 71 ff.; Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost u.a. vom 28.04.2022 ‑ C‑415/20, C‑419/20 und C‑427/20, EU:C:2022:306, Rz 51 ff.).

Auf dieser Grundlage ist die Klägerin der Auffassung, dass ihr die Kapitaler­tragsteuer ohne weitere Voraussetzungen in Form der Erteilung von Teilfrei­stellungsbescheiden zu erstatten wäre, wenn die Regelungen zur Abgeltungs­wirkung des Kapitalertragsteuereinbehalts in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 eine unionsrechtswidrige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit beinhalten. Denn eine gebietsansässige Mutterkapitalgesell­schaft könnte sich auf die Steuerbefreiung der Dividenden in § 8b Abs. 1 KStG berufen und hätte im Rahmen der Veranlagung nur den Einbehalt der Kapital­ertragsteuer durch eine deutsche Steuerbescheinigung nachzuweisen. Unter diesen Voraussetzungen könnte die Kapitalertragsteuer gemäß § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG angerechnet und gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG erstattet werden.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Wäre § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG unions­rechtswidrig, könnte der Klägerin die definitive (abgeltende) Wirkung des Ka­pitalertragsteuereinbehalts zwar nicht mehr entgegengehalten werden. Der Senat hätte mangels einer in diesem Fall unmittelbar eingreifenden Vorschrift des nationalen Rechts die Voraussetzungen für eine Erstattung der erhobenen Kapitalertragsteuer in unionsrechtskonformer Weise zu definieren.

aaa) In dem durch das nationale Recht gezogenen Rahmen bilden die Kapital­ertragsteueranmeldungen der GmbH sowohl gegenüber gebietsansässigen Mutterkapitalgesellschaften als auch gegenüber nicht gebietsansässigen Mutterkapitalgesell­schaften den Rechtsgrund für das Vereinnahmen und das "Behaltendürfen" der Kapitalertragsteuerbeträge für den deutschen Fiskus. Es ist nicht gebietsan­sässigen Mutterkapitalgesellschaften zumutbar, den Rechtsgrund für das Behalten­dürfen der Steuerbeträge durch die Beantragung eines auf Erstattung gerich­teten Freistellungsbescheids beseitigen zu müssen. Dieses System des "zwei­geteilten Steuerabzugs" ist unionsrechtskonform, da auch eine gebietsan­sässige Mutterkapitalgesellschaft den Kapitalertragsteuereinbehalt zu dulden hat und eine Veranlagung nach Maßgabe des § 31 KStG durchführen lassen muss, um die Kapitalertragsteuer auf die festzusetzende Körperschaftsteuer anrechnen zu können und sich gegebenenfalls erstatten zu lassen. Dies folgt für den Se­nat aus dem EuGH-Urteil FKP Scorpio Konzertproduktionen vom 03.10.2006 ‑ C‑290/04, EU:C:2006:630, BStBl II 2007, 352.

bbb) Da der Einbehalt der Kapitalertragsteuer als solcher unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist und nur die definitive Abgeltungswirkung des Steuereinbe­halts unionsrechtswidrig wäre, wäre der Klägerin zur Beseitigung des Unions­rechtsverstoßes aus der Sicht des Senats der Zugang zu einem antragsgebun­denen Erstattungsverfahren gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG zu gewähren. Hiervon geht auch die Klägerin aus, die die Erteilung eines solchen Freistel­lungsbescheids beantragt hat.

bb) Die unionsrechtswidrige Beschränkung der Klägerin bestünde unter Be­rücksichtigung der zur zweiten Vorlagefrage dargelegten Amurta-Rechtspre­chung des EuGH (s. C.2.b) darin, dass der Klägerin diejenige Kapitalertrag­steuer, die aufgrund der japanischen 95 %‑Steuerbefreiung der Dividenden in Japan nicht mehr anrechenbar wäre, zu erstatten wäre. Hierin bestünde die ungünstigere Behandlung gegenüber einer gebietsansässigen Mutterkapitalgesell­schaft, da die Klägerin die Kapitalertragsteuer weiterhin in Japan anrechnen könnte, soweit in Japan Körperschaftsteuer erhoben wird. Der Senat ist der Auffassung, dass die Erstattung der Kapitalertragsteuer davon abhängig ge­macht werden darf, dass die Klägerin den ihr entstehenden Nachteil in Höhe der in Japan nicht mehr anrechenbaren Kapitalertragsteuer für jede Ausschüt­tung konkret berechnet und es dem BZSt dadurch ermöglicht, die Richtigkeit ihrer Angaben zu überprüfen.

Der Senat sieht sich hierin durch die Aussagen im EuGH-Urteil ACC Silicones vom 16.06.2022 ‑ C‑572/20, EU:C:2022:469, Rz 26 bestätigt. Danach bedarf die Vereinbarkeit der Erstattungsmodalitäten der an der Quelle einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf Dividenden, die an in Drittstaaten ansässige Gesell­schaften ausgeschüttet werden, einer eigenständigen Beurteilung, da die Rechtsprechung zu Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs in der Union nicht in vollem Umfang auf den Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern übertragen werden kann, der sich in einen anderen rechtlichen Rahmen einfügt. Die dortigen Bezugnahmen auf Rz 90 ff. des EuGH-Urteils X (in Drittländern ansässige Zwischengesellschaften) vom 26.02.2019 ‑ C‑135/17, EU:C:2019:136 sowie auf Rz 63 des EuGH-Urteils A vom 18.12.2007 ‑ C‑101/05, EU:C:2007:804 ergeben aus Sicht des Senats, dass die Gewährung der Erstattung im Streitfall von weiteren Beweismitteln der Klägerin oder Auskünften der zuständigen japanischen Behörden abhängig ge­macht werden darf, die geeignet sind, die Höhe des von der Klägerin berech­neten Nachteils zu verifizieren.

Wären die Angaben der Klägerin für das BZSt auf der Grundlage des Art. 25 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein­kommen und bestimmter Steuern anderer Staaten sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und ‑umgehung (BGBl II 2016, 956, BStBl I 2016, 1306) ‑‑DBA-Japan 2015‑‑ (zur Anwendbarkeit schon für die Streitjahre s. Art. 31 Abs. 3 DBA-Japan 2015) als einziger ersichtlicher Informationsgrundlage nicht zu erlangen oder nicht zu verifizieren, könnte der Klägerin aus Sicht des Se­nats die Erstattung verweigert werden.

cc) Auch insoweit bestehen aber unionsrechtliche Zweifel des Senats, ob hierin eine eigenständige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen sein könnte, da der EuGH den unionsrechtlichen Rahmen für die Erstattungsmodali­täten der Kapitalertragsteuer an Drittstaatengesellschaften nach dem Ver­ständnis des Senats noch nicht abschließend geklärt hat. Er entnimmt der Rechtsprechung des EuGH jedoch, dass Beschränkungen für Kapitalbewegun­gen für in und aus Drittstaaten, die sich aus erhöhten Darlegungs- und Nach­weisanforderungen für die Inanspruchnahme eines steuerlichen Vorteils erge­ben, nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls gerechtfertigt sein kön­nen (EuGH-Urteil A vom 18.12.2007 ‑ C‑101/05, EU:C:2007:804, Rz 37, 67), auch wenn solche Darlegungs- und Nachweisanforderungen im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (dazu im vorliegenden Kontext EuGH-Urteil ACC Silicones vom 16.06.2022 ‑ C‑572/20, EU:C:2022:469, Rz 59) führen würden.

D. Verfahren

Der Senat hält es für ermessensgerecht, das Verfahren ohne vorherige Durch­führung einer mündlichen Verhandlung auszusetzen und dem EuGH die im Te­nor aufgeworfenen Fragen vorzulegen. Die Vereinbarkeit der nationalen Be­steuerungsgrundlagen mit dem Unionsrecht und die Erstattung der Kapitaler­tragsteuer bilden die zentralen Gegenstände des bisherigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens.

Der Senat regt an, das Vorabentscheidungsersuchen der Großen Kammer des EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

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