Die Europäische Kommission hat heute entschieden, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land es versäumt hat, eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Artikel 63 AEUV und Artikel 40 des EWR-Abkommens) zu beseitigen, die durch die diskriminierende steuerliche Behandlung von reinvestierten Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien bedingt war. Deutschland gewährt einen Steueraufschub für reinvestierte Veräußerungsgewinne, die mit dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien erzielt wurden, sofern das Grundeigentum mindestens sechs Jahre lang ununterbrochen einer Betriebsstätte in Deutschland zuzuordnen war. Bei nach deutschem Recht gegründeten Unternehmen wird davon ausgegangen, dass sie am Ort ihrer Hauptverwaltung (d. h. in Deutschland) eine solche Betriebsstätte unterhalten, selbst wenn sie in Deutschland keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Bei vergleichbaren nach dem Recht eines anderen EU- oder eines EWR-Mitgliedstaats gegründeten Unternehmen wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass sie eine solche Betriebsstätte in Deutschland unterhalten. Ihnen wird daher kein Steueraufschub für reinvestierte Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von deutschen Immobilien gewährt.
Im November 2019 hatte die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland gerichtet und intensive Gespräche eingeleitet, um die Frage zu lösen. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die bisherigen Bemühungen der Behörden unzureichend waren, und verklagt Deutschland daher vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.
Hintergrund
Das deutsche Einkommensteuergesetz sieht die Möglichkeit eines Steueraufschubs für Veräußerungsgewinne aus bestimmten Vermögenswerten vor, indem es Unternehmen gestattet, die Veräußerungsgewinne von den Anschaffungskosten für in den Folgejahren erworbene neue Vermögenswerte abzuziehen. Dieser Aufschub stellt einen Steuervorteil dar. Ein gebietsfremdes Unternehmen aus einem anderen EU- oder einem EWR-Mitgliedstaat kann diese Bestimmung des deutschen Einkommensteuergesetzes nur geltend machen, wenn es über in Deutschland steuerpflichtige Vermögenswerte, wie etwa Grundeigentum, verfügt, die einer Betriebsstätte in Deutschland zuzuordnen sind. Ein deutsches Unternehmen in einer ähnlichen Situation, wie etwa ein Unternehmen, das nur über Grundeigentum verfügt, aber keine Betriebsstätte in Deutschland hat, kann diesen Steueraufschub nutzen, da bei ihm davon ausgegangen wird, dass es am Ort seiner Hauptverwaltung (d. h. in Deutschland) über eine solche Betriebsstätte verfügt.
Diese unterschiedliche Behandlung stellt eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Artikel 63 AEUV und Artikel 40 des EWR-Abkommens) dar, für die die Kommission keine überzeugende Rechtfertigung finden konnte.
Hinsichtlich der Anforderung einer Reinvestition von Veräußerungsgewinnen stellt die Kommission fest, dass die frühere Bestimmung des deutschen Steuerrechts, wonach neu angeschaffte Anlagegüter einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte zugeordnet werden, vom Gerichtshof der Europäischen Union bereits als Verstoß gegen das EU-Recht gewertet wurde (siehe C-591/13, Kommission/Deutschland).
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