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BFH: Widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht bei unentgeltlicher Bürgschaft

Die Einkünfteerzielungsabsicht für Verluste aus dem Ausfall einer Bürgschafts­regressforderung ist bei einer unentgeltlichen Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten widerlegbar zu vermuten. Sie ist grundsätzlich erst dann wi­derlegt, wenn die Bürgschaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund hin­gegeben worden ist.

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 6, Abs. 9

BFH-Urteil vom 1.7.2025, VIII R 3/23 (veröffentlicht am 4.9.2025)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 18.11.2021 – 4 K 519/18 = SIS 23 09 54

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen des Ausfalls ei­ner Bürgschaftsregressforderung einen steuerbaren Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2012 (Streitjahr) realisiert hat.

Der Kläger war im Streitjahr als … und … tätig. Er wird für das Streitjahr getrennt veranlagt.

Nach den Feststellungen der Außenprüfung im Bericht vom 06.09.2018 hatte der Kläger gegenüber der A Bank am 20.12.2010 eine Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 € für ein Darlehen der A Bank an die Z‑GmbH über 200.000 € übernom­men. Der Kläger war an der Z‑GmbH nicht beteiligt.

Der Kläger schloss am 10.01.2011/15.01.2011 mit der Z‑GmbH eine Verein­barung. Nach dem Vertrag (§ 1) gewährte der Kläger der Z‑GmbH ein verzins­liches Darlehen in Höhe von 180.273,72 € "durch Umwandlung" des Darlehens der A Bank an die Z‑GmbH. Das Darlehen sollte mit 7 % pro anno verzinst werden. Es war analog den Darlehensbedingungen der A Bank in monatlichen Raten von jeweils 2.000 € (Zins und Tilgung) an den Kläger zurückzuzahlen (§ 2). Zusätzlich sollte der Kläger eine Gewinn- und Verlustbeteiligung ab dem 01.01.2011 in Höhe von 10 % des Jahresergebnisses der Z‑GmbH (zu bemes­sen nach dem Steuerbilanzgewinn der Z‑GmbH vor Abzug der Körperschaft­steuer) erhalten. Die Dauer der Gewinn- und Verlustbeteiligung war bis zum 01.01.2016 vereinbart (§ 2). In § 4 der Vereinbarung wurde auf die mit der A Bank vereinbarten Sicherheiten Bezug genommen; die Z‑GmbH sollte die Kosten der Kreditsicherung tragen.

Am 26.01.2012 wurde dem Kläger die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die A Bank in Höhe von 187.840,35 € angekündigt. Im Januar 2012 wurde über das Vermögen der Z‑GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 12.04.2012 kündigte die A Bank dem Kläger erneut die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft (nunmehr einschließlich Zinsen und Mahngebühren) an. Der Kläger zahlte nach Anforderung an die A Bank am 20.04.2012  188.276,61 €. Er meldete am 19.03.2012 (wegen der Vereinbarung mit der Z‑GmbH vom 10.01.2011/15.01.2011) und am 02.05.2012 (wegen der auf ihn als Bürgen übergegangenen Darlehensforderung der A Bank gegen die Z‑GmbH) jeweils Forderungen in Höhe von 190.086,47 € zur Insolvenztabelle an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) lehnte für das Streit­jahr eine Berücksichtigung des in der Einkommensteuererklärung geltend ge­machten Verlusts bei den dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 des Ein­kommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) unter­liegenden Kapitalerträgen in Höhe von 135.392,47 € ab. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Während des Einspruchsverfahrens wurde eine Außenprü­fung unter anderem für das Streitjahr durchgeführt, in der die Berücksichti­gung des Verlusts im Streitjahr ebenfalls abgelehnt wurde. Nachdem der Klä­ger noch während des laufenden Einspruchsverfahrens eine Untätigkeitsklage erhoben und das Finanzgericht (FG) gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 der Finanzge­richtsordnung (FGO) dem FA eine Frist zur Entscheidung über den Einspruch gesetzt hatte, lehnte das FA die Berücksichtigung der Verluste bei den Ein­künften aus Kapitalvermögen in der Einspruchsentscheidung endgültig ab.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es sei kein Verlust des Klägers als typisch stiller Gesellschafter oder aus einem partiarischen Darlehen aufgrund der Ver­einbarung vom 10.01.2011/15.01.2011 anzuerkennen. Der Kläger habe keine Einlage als stiller Gesellschafter im Sinne des § 230 des Handelsgesetzbuchs geleistet, sodass eine stille Gesellschaft nicht entstanden sei. Eine Schuldüber­nahme des Darlehens der A Bank durch den Kläger im Außenverhältnis sei mangels Zustimmung der A Bank gescheitert. Auch eine Erfüllungsübernah­me des Darlehens der A Bank an die Z‑GmbH durch den Kläger im Innenver­hältnis sei weder vereinbart noch tatsächlich durchgeführt worden. Da der Kläger der Z‑GmbH im Innenverhältnis keine Mittel zum Bestreiten des Darle­hens zur Verfügung gestellt habe, sei das Darlehen des Klägers auch nicht mit einer Rückforderung aus einem "partiarischen Darlehen" ausgefallen. Ferner habe der Ausfall der Bürgschaftsregressforderung nicht zu negativen Kapital­einkünften geführt. Es fehle insoweit an der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Übergangs der besicherten Darle­hensforderung auf den Kläger gemäß § 774 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetz­buchs (BGB) nach dessen Inanspruchnahme sei die Bürgschaftsregressforde­rung gegen die insolvente Z‑GmbH wertlos gewesen. Die Übernahme der Bürgschaft sei zudem unentgeltlich erfolgt. Ferner sei die Lebensgefährtin des Klägers im Streitjahr die damals noch nicht geschiedene Ehefrau eines Gesell­schafters der Z‑GmbH gewesen. Das FG war davon überzeugt, dass der Kläger durch die Hingabe der Bürgschaft für den Betriebskredit der Familie seiner Le­bensgefährtin die Fortführung des Familienunternehmens zumindest noch für eine Weile habe ermöglichen wollen. Die Begründung des FG ist im Einzelnen in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2023, 1128 wiedergegeben.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt die Verlet­zung materiellen Bundesrechts durch das FG in Gestalt der Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Nürnberg vom 18.11.2021 ‑ 4 K 519/18 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 30.10.2018 in Gestalt der Ein­spruchsentscheidung vom 23.01.2019 dahingehend zu ändern, dass die Ein­kommensteuer 2012 unter Berücksichtigung eines Verlusts bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von … € herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet.

Das FG-Urteil verletzt materielles Bundesrecht. Das FG hat zu Unrecht ent­schieden, dass ein Abzug des begehrten Verlusts bei den Einkünften des Klä­gers aus Kapitalvermögen im Streitjahr endgültig nicht in Betracht kommt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger einen steuerbaren Verlust aufgrund des Ausfalls seiner Bürgschaftsregressforderung gegen die Z‑GmbH gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG mit Einkünfteerzielungsabsicht realisiert hat. Das Urteil des FG ist aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger über die erforderli­che Einkünfteerzielungsabsicht verfügt hat und falls ja, ob der Ausfallverlust bereits im Streitjahr realisiert worden ist. Der Streitfall wird aus diesem Grund zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) ‑‑nach Ergehen der Vorentscheidung‑‑ ent­schieden hat, gehört auch eine Bürgschaftsregressforderung zu den sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, deren Ausfall gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG zu einem steuerbaren Verlust führen kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf das BFH-Urteil vom 20.06.2023 ‑ IX R 2/22 (BFHE 280, 531, Rz 25 bis 30; unklar Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 14.05.2025, BStBl I 2025, 1330, Tz. 58, 60). Die Re­gelungen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG sind im Streitfall auch zeitlich anwendbar. Die Bürgschaftsregress­forderung ist gemäß § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG nach dem 31.12.2008 am 20.12.2020 zwischen dem Kläger und der A Bank begründet worden (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses s. BFH-Urteil vom 18.06.2024 ‑ VIII R 25/23, BStBl II 2024, 691, Rz 25). Auch das FG ist zutref­fend von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG auf den Ausfall der Bürgschaftsregressforderung ausgegangen.

2. Das FG hat der Prüfung, ob die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers für einen Ausfallverlust der Bürgschaftsregressforderung bestanden hat, jedoch in mehrfacher Hinsicht unzutreffende Kriterien zugrunde gelegt. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

a) Das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich für alle Einkunftsarten, allerdings unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Besonderhei­ten hinsichtlich der Einkünfteermittlung. Für die Einkünfte aus Kapitalvermö­gen, welche dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, be­dingen die Besonderheiten der Einkünfteermittlung eine tatsächliche (wider­legbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Dies entspricht der mitt­lerweile gefestigten Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 14.03.2017 ‑ VIII R 38/15, BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040; vom 27.10.2020 ‑ IX R 5/20, BFHE 271, 359, BStBl II 2021, 600; vom 20.06.2023 ‑ IX R 2/22, BFHE 280, 531 zur Bürgschaftsregressforde­rung). Dem ist die Finanzverwal­tung zwischenzeitlich grundsätzlich beigetreten (BMF-Schreiben vom 14.05.2025, BStBl I 2025, 1330, Tz. 125).

b) Ob die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht widerlegt ist, ist für Bürg­schaftsregressforderungen im Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft zu beur­teilen (BFH-Urteil vom 20.06.2023 ‑ IX R 2/22, BFHE 280, 531, Rz 31; Jachmann-Michel, Betriebs-Berater 2018, 2329, 2330 f.).

c) Die widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht greift anders als das FG meint auch für eine unentgeltlich übernommene Bürgschaft grund­sätzlich ein. Die Vermutung ist bei einer Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten erst bei Fehlen jeglichen wirtschaftlichen Hintergrunds für die Hingabe der Bürgschaft widerlegt.

aa) Wie der Senat in den BFH-Urteilen vom 14.03.2017 ‑ VIII R 38/15 (BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040, Rz 19, 20, 21) und vom 14.03.2017 ‑ VIII R 25/14 (BFHE 258, 237, BStBl II 2017, 1038, Rz 18) ausgeführt hat, sollten mit der Besteuerung der Kapitalerträge im System der abgeltenden Besteuerung in § 20 Abs. 2 EStG umfassend alle in Betracht kommenden Kapi­talanlagen und ‑einkünfte, insbesondere auch realisierte positive und negative Wertsteigerungen des Kapitalstamms (§ 20 Abs. 2 EStG) erfasst werden; zu­dem beruht die widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht auf den Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips durch das Werbungskos­tenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG und den Verlustabzugsbeschrän­kungen gemäß § 20 Abs. 6 EStG.

bb) Diese Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich auch für atypische, strukturell verlustgeneigte Kapitalanlagen. Im BFH-Urteil vom 14.03.2017 ‑ VIII R 25/14 (BFHE 258, 237, BStBl II 2017, 1038, Rz 18) hatte der Senat über die Steuerbarkeit des Verlusts aus der Veräußerung einer Ster­begeldversicherung (Kapitalversicherung mit Sparanteilen) zu entscheiden, die nur in den Fällen des Rückkaufs (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und ab dem 01.01.2009 des Verkaufs der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an ei­nen Dritten (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG) überhaupt zu einer Besteuerung führen konnte, da die Auszahlung des Sterbegelds im Todesfall nicht der Be­steuerung unterlag. Bei der Verwirklichung der beiden gesetzlich vorgesehe­nen Besteuerungstatbestände stellte im Zeitpunkt des Abschlusses des Versi­cherungsvertrags das Erzielen eines Verlusts den wahrscheinlicheren Fall dar. Gleichwohl hat der Senat im Hinblick auf das Regelungsziel der umfassenden Wertzuwachsbesteuerung sämtlicher Kapitalanlagen im Rahmen der erweiter­ten Besteuerungstatbestände des § 20 Abs. 2 EStG die Einkünfteerzielungsab­sicht auch in diesem Fall widerlegbar vermutet. Dass im Zeitpunkt des Veräu­ßerungsentschlusses nur ein Verlust erzielbar war, begründete ebenfalls keine Widerlegung der Vermutung.

cc) Die Hingabe einer unentgeltlich übernommenen Bürgschaft ist dem ver­gleichbar und die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht auch insoweit heranzuziehen.

Der Bürge übernimmt eine unentgeltliche Bürgschaft in der Regel in der Er­wartung, nicht in Anspruch genommen zu werden und hat unter fremden Drit­ten anzunehmende hinreichende geschäftliche Gründe für die Sicherheitenge­stellung in dieser Form. Der Bürge kann die Bürgschaftsregressforderung (theoretisch) gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG oberhalb seiner Anschaf­fungskosten an einen Dritten veräußern. Daneben erfassen § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG auch den Fall des Verlusts, wenn der Bürge nach einer Inanspruchnahme keinen vollständigen Regress beim Schuldner nehmen kann. Dass bei fehlender Inan­spruchnahme des Bürgen aus der unentgeltlichen Bürgschaft in der Regel kein Totalgewinn erzielbar ist, sondern die Übernahme aus anderen wirtschaftlichen Beweggründen oder angestrebten Vorteilen des Bürgen erfolgt, stellt die Ver­mutung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht in Frage (s. ähnlich zur Vermu­tung der Einkünfteerzielungsabsicht beim Gesellschafterbürgen aufgrund mög­licher Vorteile aus der Beteiligung BFH-Urteil vom 20.06.2023 ‑ IX R 2/22, BFHE 280, 531, Rz 32 unter Ablehnung der abweichenden Auffassung des FG Münster im rechtskräftigen Urteil vom 03.11.2021 ‑ 13 K 3187/19 E, F, EFG 2022, 325 und zustimmend BMF-Schreiben vom 07.06.2022, BStBl I 2022, 897, Tz. 22). Die Einkünfteerzielungsabsicht für den Verlust aus dem Ausfall einer Bürgschaftsregressforderung ist bei einer unentgeltlichen Bürgschafts­übernahme unter fremden Dritten danach grundsätzlich erst dann widerlegt, wenn die Bürgschaft ohne jeden wirt­schaftlichen Hintergrund hingegeben worden ist.

dd) Der rechtliche Standpunkt des FG weicht hiervon ab. Sein Urteil kann da­her keinen Bestand haben.

aaa) Das FG hat für die Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungs­absicht aus­schließlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des gesetzlichen Forderungs­übergangs gemäß § 774 Abs. 1 BGB nach Eintritt der Insolvenz der Z‑GmbH abgestellt. Es hat zudem keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ablei­ten ließe, dass der Kläger im Zeitpunkt der Bürgschaftshingabe mit einer Inan­spruchnahme rechnen musste.

bbb) Zwar hat das FG das Fehlen eines wirtschaftlichen Hintergrunds für die Bürgschaftsübernahme durch den Kläger geprüft und das besondere persönli­che Beziehungsgeflecht zwischen dem Gesellschafter der Z‑GmbH als ge­trenntlebenden Ehemann der Lebensgefährtin des Klägers und dem Kläger als Motiv herangezogen. Insoweit tragen die Feststellungen des FG jedoch seine Würdigung nicht, dass die Hingabe der Bürgschaft durch den Kläger jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund vermissen ließ und dieser Umstand vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zugestanden worden sei. Das FG hat diese Schlussfolgerung nur aus den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung abgeleitet. Der Kläger hat ausweislich der Niederschrift jedoch nicht gesagt, dass er die Bürgschaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund hingegeben und seine Inanspruchnahme als Bürge billigend in Kauf genommen habe, weil seine damalige Lebensgefährtin die getrenntlebende Ehefrau eines Gesell­schafters der Z‑GmbH gewesen sei und er die Z‑GmbH aus altruistischen Gründen habe unterstützen wollen. Er hat in der mündlichen Verhandlung er­klärt, dass seine Lebensgefährtin im Streitjahr zwar die getrenntlebende frühere Ehefrau eines Gesellschafters der Z‑GmbH gewesen sei. Es hätten je­doch bereits seit dem Jahr 19... Geschäftsbeziehungen des Klägers mit der Z‑GmbH bestanden, die trotz der Veränderungen im persönlichen Umfeld der Beteiligten auch im Streitjahr fortgeführt worden seien.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das FG zur anderweitigen Ver­handlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das FG wird anhand des vom Senat aufgezeigten Maßstabs nochmals zu prü­fen haben, ob die Einkünfteerzielungsabsicht im Zeitpunkt der Bürgschaftshin­gabe fehlte, weil die hierfür eingreifende Vermutung ausnahmsweise mangels eines erkennbaren wirtschaftlichen Hintergrunds widerlegt ist. Für wirtschaftli­che Beweggründe des Klägers zu diesem Zeitpunkt könnte der aus den Akten ersichtliche übrige Geschehensablauf sprechen. Der Kläger hat annähernd zeitgleich zur Hingabe der Bürgschaft die Vereinbarung vom 10.01.2010/15.01.2010 mit der Z‑GmbH abgeschlossen. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ‑‑ungeachtet der mangels Zustimmung der A Bank fehlgeschlagenen Schuldübernahme‑‑ für seine Bereitschaft zur Erfüllungs­übernahme Zinsen in Höhe von 7 % der besicherten Darlehenssumme zustün­den. Er hat diese Zinsen für das nicht mehr anhängige Streitjahr 2011 in die Berechnung seines geltend gemachten Verlusts einbezogen und zur Insolvenz­tabelle angemeldet. In diesem Kontext stellte die Bürgschaft ein vom Kläger zur Verfügung gestelltes Sicherungsmittel neben dem Freistellungsanspruch dar, den der Kläger der Z‑GmbH nach seinem Verständnis entgeltlich einge­räumt hatte.

Sollte das FG die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht im zweiten Rechtsgang als nicht widerlegt ansehen, wäre zu prüfen, ob der Ausfallverlust dem Kläger bereits im Streitjahr entstanden ist. Die dem Senat vorliegenden Akten legen nahe, dass der Insolvenzverwalter der Z‑GmbH bereits am 07.03.2012 gegenüber dem zuständigen Insolvenzgericht die Masseunzuläng­lichkeit für das Insolvenzverfahren der Z‑GmbH angezeigt hat. Hierzu weist der Senat für die weitere Prüfung auf das Senatsurteil vom 01.07.2021 ‑ VIII R 28/18 (BFHE 273, 301, BStBl II 2021, 911) hin. Danach kann in den Fällen der Masseunzulänglichkeit ein endgültiger Forderungsausfall bereits zu diesem Zeitpunkt anzunehmen sein. Dem hat sich mittlerweile auch die Fi­nanzverwaltung angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14.05.2025, BStBl I 2025, 1330, Tz. 60).

4. Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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