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BFH: Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen

  1. Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Anteilen dem Nießbrauchsbe­rechtigten zuzurechnen ist, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht und daher wegen § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsord­nung für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend.
  2. Ist der Vorbehaltsnießbraucher nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile, ist die Ablösung des Nießbrauchs ein für ihn nicht steuerbarer Vor­gang.

EStG § 17 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 5 Satz 3, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 24 Nr. 2
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1

BFH-Urteil vom 20.9.2024, IX R 5/24 (veröffentlicht am 28.11.2024)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 29.9.2023, 7 K 1029/21 = SIS 24 05 34

I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der entgeltlichen Ablö­sung eines Vorbehaltsnießbrauchs an Geschäftsanteilen an einer GmbH bei der Nießbrauchsberechtigten.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) übertrug mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2012 ihre Beteiligung an der … GmbH (Z‑GmbH) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der insbesondere das Gewinnbezugsrecht umfasste, unentgelt­lich auf ihren Sohn.

Im Rahmen der Veräußerung der Geschäftsanteile mit Urkunde vom xx.xx.2018 vereinbarten die Klägerin und ihr Sohn die Aufhebung des Nieß­brauchs an den Anteilen an der Z‑GmbH gegen Zahlung von … € (Ablösebetrag).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erfasste den Ablösebe­trag im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Streitjahr 2018 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 17 i.V.m. § 24 des Einkommen­steuergesetzes (EStG). Während des Einspruchsverfahrens wurde der Ein­kommensteuerbescheid mehrfach geändert (Bescheide vom 26.01.2021 und 22.06.2021). Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg (Einspruchsentschei­dung vom 21.07.2021).

Soweit die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hatte, dass die Zahlung des Ablösebetrags eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene darstelle, hatte die Klage keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte fest, dass der Sohn im Jahr 2012 auch wirtschaftli­cher Eigentümer der GmbH-Geschäftsanteile geworden sei. Es gab dem hilfs­weisen Begehren der Klägerin statt, mit dem sie eine Berücksichtigung des Ablösebetrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen begehrt hatte.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Zahlung des Ablösebetrags stelle eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene dar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 22.06.2021 sowie die Einspruchsentscheidung vom 21.07.2021 dahinge­hend zu ändern, dass der Ablösebetrag nicht berücksichtigt wird.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Fi­nanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage.

Ausgehend von der den Senat bindenden Feststellung des FG, die Klägerin ha­be das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen in 2012 ver­loren, ist die Entscheidung des FG rechtsfehlerhaft, der Ablösebetrag sei als Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern (dazu unter 1.). Bei Annahme fehlenden wirtschaftlichen Eigentums der Kläge­rin an den GmbH-Geschäftsanteilen sind auch andere Besteuerungstatbestän­de ausgeschlossen (dazu unter 2.).

1. Zu Unrecht gelangt das FG zu dem Ergebnis, dass der Ablösebetrag von der Klägerin als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu versteuern ist.

a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.

aa) Die Vorschrift des § 24 EStG hat keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeu­tung. Diese Klarstellung hat eine doppelte Wirkung. Einmal ist ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Zum anderen hat die Vorschrift auch eine negative Rechtsfolge. Sie stellt in Nr. 1 Buchst. a klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen sind, die für entgangene oder entgehende Ein­nahmen gewährt werden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG fallen. Die Entschädigung soll also nicht unter weitergehenden Voraussetzungen den Einkünften zugerechnet werden als die entgehende oder entgangene Einnahme, an deren Stelle sie tritt (vgl. Urteile des Bundesfinanz­hofs ‑‑BFH‑‑ vom 16.08.1978 ‑ I R 73/76, BFHE 126, 199, BStBl II 1979, 120; vom 11.02.2015 ‑ VIII R 4/12, BFHE 249, 154, BStBl II 2015, 647, Rz 17). Es muss demzufolge eine kausale Verknüpfung zwischen der Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen (BFH-Urteil vom 11.02.2015 ‑ VIII R 4/12, BFHE 249, 154, BStBl II 2015, 647, Rz 17). Mithin setzen nach­trägliche Einkünfte voraus, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die Entschädigung gewährt wird, auch steuerlich zuzurechnen sind. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte er­füllt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG).

bb) Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG genannte Kapital­vermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen, wobei das Rechts­verhältnis maßgebend ist, auf dem die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung beruht (BFH-Urteil vom 14.02.2022 ‑ VIII R 30/18, BFHE 276, 58, BStBl II 2022, 548, Rz 15, m.w.N.). Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist danach grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑).

Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (zum Beispiel aufgrund einer Abtretung gemäß § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ oder aufgrund einer Nießbrauchsbestellung gemäß § 1068 BGB) ist die Ausschüttung nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dis­positionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechts­position somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht. Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsbe­rechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchsberechtigte ‑‑zum Beispiel durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht‑‑ eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleich­stellt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG, wonach ein Nießbrauchsberechtigter als Anteilseigner gilt, wenn ihm die Einnahmen im Sin­ne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen sind. Diese Norm regelt keine ab­weichende Zurechnung der Einnahmen, sondern setzt diese voraus und fin­giert den Nießbrauchsberechtigten sodann als Anteilseigner (vgl. BFH-Urteil vom 14.02.2022 ‑ VIII R 30/18, BFHE 276, 58, BStBl II 2022, 548, Rz 16, m.w.N.). § 20 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG geht auf die fast wortgleichen, durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.09.1993 (BGBl I 1993, 1569) in § 20 Abs. 2a Satz 1 bis 3 EStG in der bis zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) gültigen Fassung eingefügten Re­gelungen zurück. Durch die Einfügung dieser Regelungen sollte keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende steuerliche Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen erfolgen. Vielmehr sollte lediglich klargestellt werden, dass ein Dividendenanspruch bis zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbe­schlusses ein unselbständiger Bestandteil des Stammrechts ist und daher von demjenigen als Kapitalertrag zu versteuern ist, dem im Zeitpunkt des Gewinn­verteilungsbeschlusses das Stammrecht steuerlich zuzurechnen ist (BTDrucks 12/5016, S. 87). § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG setzt mithin für eine Zurechnung der Einnahmen aus einer Beteiligung an einer GmbH zum Nießbrauchsberechtigten voraus, dass diesem auch das wirtschaftliche Eigentum im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den Geschäftsanteilen, an denen der Nießbrauch einge­räumt wurde, zusteht (so im Ergebnis auch Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 455; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 25).

cc) Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechts­geschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerich­tete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbe­sondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertmin­derung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (stän­dige Rechtsprechung des BFH, Senatsurteil vom 24.01.2012 ‑ IX R 51/10, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308, Rz 15, m.w.N.; vgl. auch Binnewies, GmbH-Steuerberater ‑‑GmbH‑StB‑‑ 2018, 183, 184). Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsberechtigten ledig­lich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB ein­räumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechts­position innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Ge­sellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleich­stellt (Senatsurteil vom 24.01.2012 ‑ IX R 51/10, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308, Rz 15 und BFH-Urteil vom 14.02.2022 ‑ VIII R 29/18, BFHE 276, 49, BStBl II 2022, 544, Rz 16; Binnewies, GmbH‑StB 2018, 183, 184).

dd) Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Geschäftsanteilen dem Nieß­brauchsberechtigten zuzurechnen ist, bleibt indes eine Tatfrage des Einzelfalls. Die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums ist Gegenstand der tatrichterli­chen Würdigung durch das FG und daher wegen § 118 Abs. 2 FGO für den BFH grundsätzlich bindend. Das Revisionsgericht prüft lediglich, ob das FG die ge­setzlichen Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze be­achtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände er­forscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat (Senatsurteil vom 18.11.2014 ‑ IX R 49/13, BFHE 247, 435, BStBl II 2015, 224, Rz 15 und BFH-Urteil vom 23.02.2021 ‑ II R 44/17, BFHE 272, 384, BStBl II 2022, 188, Rz 22, m.w.N.). Verstößt die Sachverhaltswürdigung des FG nicht gegen Denkgesetze oder all­gemeine Erfahrungssätze, ist sie für den BFH selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.03.2009 ‑ IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902; vom 20.11.2012 ‑ VIII R 57/10, BFHE 239, 422, BStBl II 2014, 56). Eine tat­richterliche Würdigung ist danach unter anderem zu beanstanden, wenn sie widersprüchlich ist (BFH-Urteile vom 23.08.2023 ‑ X R 15/22, Rz 34 sowie vom 12.04.2018 ‑ IV R 5/15, BFHE 261, 157, BStBl II 2020, 118, Rz 27, m.w.N.).

b) Daran gemessen kommt das FG zu Unrecht zu dem Ergebnis, der Klägerin sei der Ablösebetrag als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zuzurechnen, obwohl das wirtschaftliche Eigentum an den An­teilen bereits 2012 auf den Sohn übergegangen ist. Die Feststellung des FG, das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen an der Z‑GmbH sei bereits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Klägerin auf ihren Sohn übergegangen, schließt es aus, der Klägerin die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen. Da § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG keine die Ein­künfte erweiternde Bedeutung hat, liegen bei der Klägerin insoweit keine steuerbaren Einkünfte vor.

aa) Zwar kann bei Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs an einem GmbH-Anteil nach Maßgabe der zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung durch die Vertragsbeteiligten die Annahme wirtschaftlichen Eigentums beim Nießbraucher anstelle des zivilrechtlichen An­teilsinhabers möglich sein. In diesem Fall geht das wirtschaftliche Eigentum am Gesellschaftsanteil nicht bereits bei Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs, sondern erst bei dessen Ablösung über. So liegt der Fall hier aber nicht. Das FG ist auf der Grundlage seiner Feststellungen und unter Würdigung des Ge­samtbilds der tatsächlichen Verhältnisse zu dem Ergebnis gekommen, das wirtschaftliche Eigentum sei bereits 2012 anlässlich der Anteilsübertragung unter Vorbehaltsnießbrauch mit Vertrag vom xx.xx.2012 von der Klägerin auf ihren Sohn übergegangen.

bb) Diese Sachverhaltswürdigung des FG ist für den Senat bindend, da sie möglich ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Feststellung wirtschaftlichen Eigentums ist ‑‑wie oben dargelegt‑‑ Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung und daher nur eingeschränkt im Revisionsverfahren überprüfbar (BFH-Urteil vom 23.02.2021 ‑ II R 44/17, BFHE 272, 384, BStBl II 2022, 188, Rz 22, m.w.N.; s.a. Senatsurteil vom 24.01.2012 ‑ IX R 51/10, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308, Rz 21). Das FG hat die für die Auslegung und Durchführung der Verein­barungen vom xx.xx.2012 und vom xx.xx.2018 maßgeblichen Umstände un­tersucht und gewürdigt. Anhaltspunkte dafür, dass das FG bei der Auslegung der zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen die gesetzlichen Ausle­gungsregeln nicht beachtet oder Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, liegen nicht vor. Verfahrensrügen, die sich gegen die Feststellung des der Ausgangsentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts seitens des FG richten, sind nicht erhoben worden.

c) Rechtsfehlerhaft ist weiter die Annahme des FG, dass der Klägerin, obwohl sie bereits mit der zivilrechtlichen Anteilsübertragung im Rahmen der vorweg­genommenen Erbfolge auch das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen an der Z‑GmbH verloren hat, nach § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG die Dividenden aus der Beteiligung steuerlich zuzurechnen sein sollen. Denn das Gewinnbezugs­recht ist als dessen unmittelbarer Ausfluss an den Geschäftsanteil gebunden (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 30.06.2004 ‑ VIII ZR 349/03, un­ter II.1.; BFH-Urteil vom 02.10.2018 ‑ IV R 24/15, Rz 49) und kann nicht von diesem abgespalten werden (Verse in Scholz, GmbHG, 13. Aufl., § 29 Rz 10, m.w.N.; allgemein zum Abspaltungsverbot BGH-Urteil vom 25.02.1965 ‑ II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, unter I.2.; H. Bartl in HK GmbH-Recht, 8. Aufl., § 14 GmbHG Rz 11, m.w.N.).

2. Die bindende Feststellung der Vorinstanz, dass die Klägerin bereits 2012 neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen verloren habe, lässt es nicht zu, den Ablösebetrag für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts einem anderen Besteuerungstatbestand zuzu­weisen.

a) Zum einen unterliegt der Ablösebetrag nicht § 17 EStG. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräuße­rer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war, wobei nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter anderem die Anteile an einer GmbH zählen. Eine Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften liegt vor, wenn der Erwerber vom Veräußerer zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt (vgl. Senatsurteile vom 18.11.2014 ‑ IX R 30/13 und vom 13.10.2015 ‑ IX R 43/14, BFHE 251, 236, BStBl II 2016, 212, Rz 11). Da nach den Feststellungen des FG das wirtschaft­liche Eigentum bereits im Jahr 2012 mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn über­gegangen ist, liegt im Moment der Ablösung des Nießbrauchs keine Anteils­veräußerung im Sinne von § 17 EStG vor.

b) Zum anderen ist der Ablösebetrag nicht als Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 17 i.V.m. § 24 EStG von der Klägerin zu versteuern.

aa) Die entgeltliche Ablösung des Nießbrauchs ist nicht nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar. Da die Klägerin nach den Feststellungen des FG be­reits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums auch das wirtschaftli­che Eigentum verloren hat, fehlt es jedenfalls an der kausalen Verknüpfung zwischen der Zahlung des Ablösebetrags und der Aufgabe der Geschäftsanteile an der Z‑GmbH. Infolge des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums wä­ren die Einnahmen von deren Sohn und nicht von der Klägerin als Einkünfte zu versteuern. Die Vereinnahmung des Ablösebetrags bei der Klägerin ist daher als nicht steuerbare Vermögensumschichtung einzuordnen.

bb) Auch liegen keine Einkünfte aus einer ehemaligen steuerbaren Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG vor. Aufgrund der Unentgeltlichkeit der Anteilsübertra­gung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge im Jahr 2012 fehlt es be­reits an der Verwirklichung von Einkünften im Sinne von § 17 EStG (vgl. Schießl, Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins 2016, 91, 92). Die Vor­schrift des § 24 EStG knüpft an eine bereits vorliegende Verwirklichung eines Einkünftetatbestands an und hat ‑‑wie oben ausgeführt‑‑ keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsar­ten klarstellende Bedeutung.

3. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat ‑‑für die Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO bindend‑‑ einen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Jahr 2012 angenommen. Im Streitjahr 2018 hat die Klägerin daher weder einen Anteil übertragen noch war sie wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile. Der Ablösebetrag in Höhe von … € ist weder bei den Einkünften aus § 17 EStG noch als Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern und unterliegt auch aus anderen Gründen nicht der Besteuerung. Da das FG nicht festgestellt hat, dass die Klä­gerin im Streitjahr aufgrund des Nießbrauchs Bezüge aus der Z‑GmbH erhal­ten hat, ist die Einkommensteuer 2018 unter Abänderung des Einkommen­steuerbescheids vom 22.06.2021 auf den Betrag festzusetzen, der sich ohne Berücksichtigung der Zahlung von … € für die Ablösung des Nieß­brauchs ergibt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Übertragung der Berechnung der Einkommensteuer beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO.

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