1 Die Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörde und die Mitwirkungspflicht der Beteiligten stehen nebeneinander (BFH-Urteil vom 15.2.1989, X R 16/86, BStBl II S. 462). Die Pflicht des Beteiligten zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung hängt nicht davon ab, dass die Finanzbehörde diesen zur Mitwirkung auffordert.
2 Die allgemeine Mitwirkungspflicht des § 90 Abs. 1 Satz 1 AO betrifft die Ermittlung des Sachverhalts und wird für bestimmte Sachverhaltskonstellationen in § 90 Abs. 2 und Abs. 3 AO erweitert. Die Mitwirkungspflicht wird zudem durch gesonderte verfahrensrechtliche (z. B. in §§ 93 bis 100, 140 ff., 149, 150, 153, 154, 160, 200, 210 ff. AO) und einzelsteuergesetzliche Regelungen (z. B. in §§ 16, 17 AStG; §§ 33, 34 ErbStG; §§ 18, 19 GrEStG und § 22 UStG) ausgestaltet.
3 § 200 AO tritt im Rahmen der Außenprüfung neben § 90 AO und ergänzt und erweitert die gemäß §§ 90 ff. AO bereits bestehenden allgemeinen Mitwirkungs-pflichten für die Außenprüfung (BFH-Urteil vom 6.6.2012, I R 99/10, BStBl II 2013 S. 196; BFH-Urteil vom 4.11.2003, VII R 28/01, BStBl II 2004 S. 1032). Auch die Pflichten des Steuerpflichtigen mit Bezug zum Datenzugriff gemäß § 147 Abs. 6 AO werden durch § 200 Abs. 1 Satz 2 AO erweitert. Die Vorlagepflicht gemäß § 200 Abs. 1 Satz 2 AO erfasst ferner auch solche Urkunden, für welche den Steuerpflichtigen zwar keine gesetzliche Aufbewahrungspflicht gemäß § 147 Abs. 1 AO trifft, diese Urkunden aber vorhanden sind und folglich vorgelegt werden können (BFH-Urteil vom 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010 S. 455).
4 Hinsichtlich des durch § 393 AO geregelten Verhältnisses des Strafverfahrens zum Besteuerungsverfahren und den damit einhergehenden Pflichten zur Mitwirkung des Steuerpflichtigen, vgl. Nr. 16 der AStBV (St) 2020.
5 Der Umfang der Mitwirkungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Verantwortung des Beteiligten für die Aufklärung des Sachverhalts ist umso größer, je mehr Tatsachen und Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- oder Tätigkeitssphäre angehören (BFH-Urteil vom 15.2.1989, X R 16/86, BStBl II S. 462). Der Umfang der allgemeinen Mitwirkungspflicht wird durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt.
6 Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Finanzbehörde an ihn wenden. Nur bei Vorliegen besonderer Gründe soll sich die Finanzbehörde an den Beteiligten selbst wenden, z. B. um ihn um Auskünfte zu bitten, die nur er selbst als Wissensträger geben kann. In diesem Fall ist der Bevollmächtigte zu unterrichten (vgl. AEAO zu § 80).
7 Ein Mitwirkungsverweigerungsrecht für Beteiligte besteht nicht. Ein Mitwirkungs-verweigerungsrecht steht nach §§ 101 bis 106 AO nur Dritten zu.
8 Die Möglichkeit der Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach den DBA, der EU-Schiedskonvention (EWG/90/463; ABl. L 225 vom 20.8.1990, S. 10) oder dem Streitbeilegungsgesetz (12.12.2019, BGBl. I S. 2103) oder der Antrag auf Eröffnung oder die tatsächliche Eröffnung eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens im Laufe einer Außenprüfung entbindet die Beteiligten nicht von ihren Mitwirkungspflichten gemäß § 90 AO.
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