EuGH zum Begriff der staatlichen Beihilfe: Grundsteuerbefreiung für Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sindsind
Vorlage zur Vorabentscheidung – Beihilfen der Mitgliedstaaten – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Begriff „staatliche Beihilfe“ – Selektivität einer steuerlichen Maßnahme – Beurteilungskriterien – Bestimmung des Bezugsrahmens – Grundsteuer – Befreiung für Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind
EuGH-Urteil vom 29. April 2025, Rechtssache C-453/23
Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind, von der Grundsteuer befreien, wenn sie Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, nicht als Maßnahmen anzusehen sind, die den durch diese Befreiung Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffen.
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 und von Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der E. sp. z o.o. (im Folgenden: Gesellschaft E) und dem Prezydent Miasta Mielca (Bürgermeister der Stadt Mielec, Polen) (im Folgenden: Bürgermeister von Mielec) wegen dessen Weigerung, dieser Gesellschaft eine Befreiung von der Grundsteuer zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
AEU-Vertrag
3 Art. 107 Abs. 1 AEUV bestimmt:
„Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
4 Art. 108 Abs. 3 AEUV lautet:
„Die [Europäische] Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach [Art. 107 AEUV] mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in [Art. 108 Abs. 2 AEUV] vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.“
Richtlinie 2012/34/EU
5 Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. 2012, L 343, S. 32) sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie legt Folgendes fest:
a) die Vorschriften für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur und das Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben oder haben werden (Kapitel II);
b) die Kriterien für die Erteilung, Verlängerung oder Änderung von Genehmigungen für Eisenbahnunternehmen durch einen Mitgliedstaat, die ihren Sitz in der Union haben oder haben werden (Kapitel III);
c) die Grundsätze und Verfahren für die Festlegung und Erhebung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr und die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn (Kapitel IV).
(2) Diese Richtlinie gilt für die Nutzung von Fahrwegen im inländischen und grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr.“
6 Art. 3 Nr. 3 dieser Richtlinie fasst unter den Begriff „Eisenbahninfrastruktur“ alle in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Anlagen. Dieser Anhang I enthält ein Verzeichnis der Anlagen, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind, „sofern diese zu den Haupt- und Dienstgleisen gehören, ausgenommen Gleise innerhalb der Ausbesserungswerke, Bahnbetriebswerke oder Lokomotivschuppen sowie private Gleisanschlüsse“.
Verordnung 2015/1589
7 Art. 2 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 lautet:
„Soweit die Verordnungen nach Artikel 109 AEUV oder nach anderen einschlägigen Vorschriften des AEUV nichts anderes vorsehen, teilen die Mitgliedstaaten der Kommission ihre Vorhaben zur Gewährung neuer Beihilfen rechtzeitig mit. Die Kommission unterrichtet den betreffenden Mitgliedstaat unverzüglich vom Eingang einer Anmeldung.“
Polnisches Recht
8 Art. 2 Abs. 1 und 2 des Ustawa o podatkach i opłatach lokalnych (Gesetz über kommunale Steuern und Abgaben) vom 12. Januar 1991 (Dz. U. 2019, Pos. 1170) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über kommunale Steuern und Abgaben) sieht vor:
„1. Folgende Immobilien oder Bauwerke unterliegen der Grundsteuer:
1) Grundstücke;
2) Gebäude oder deren Teile;
3) Bauwerke oder deren Teile, die für eine gewerbliche Tätigkeit bestimmt sind.
2. Landwirtschaftliche Grundstücke und Wälder mit Ausnahme derjenigen, die für eine gewerbliche Tätigkeit genutzt werden, unterliegen nicht der Grundsteuer.“
9 Nach Art. 2 Abs. 3 Nr. 4 dieses Gesetzes sind Grundstücke, auf denen öffentliche Verkehrswege verlaufen, mit Ausnahme von Grundstücken, die mit der Ausübung anderer gewerblicher Tätigkeiten als der Unterhaltung öffentlicher Straßen oder dem Betrieb von gebührenpflichtigen Autobahnen zusammenhängen, von der Grundsteuer befreit.
10 Art. 4 dieses Gesetzes schreibt vor:
„1. Die Steuerbemessungsgrundlage ist:
1) bei Grundstücken die Fläche;
2) bei Gebäuden oder deren Teilen die Nutzfläche;
3) bei Bauwerken oder deren Teilen, die für eine gewerbliche Tätigkeit bestimmt sind, vorbehaltlich der Abs. 4 bis 6, der am 1. Januar des Steuerjahrs ermittelte Wert im Sinne der Vorschriften über die Einkommensteuer, der die Berechnungsgrundlage für die Abschreibung in diesem Jahr bildet, ohne durch Abschreibungen gemindert zu sein, und bei vollständig abgeschriebenen Bauwerken ihr Wert am 1. Januar des Jahres, in dem die letzte Abschreibung vorgenommen wurde.
…“
11 Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a desselben Gesetzes sieht vor:
„Von der Grundsteuer sind befreit:
1) Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur im Sinne der Bestimmungen über den Eisenbahnverkehr sind, die:
a) den Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt werden“.
12 Art. 6 Abs. 2 des Ustawa o postępowaniu w sprawach dotyczących pomocy publicznej (Gesetz über das Verfahren bei staatlichen Beihilfen) vom 30. April 2004 (Dz. U. 2023, Pos. 702) bestimmt:
„Staatliche Beihilfen, die in einem Rechtsakt vorgesehen sind, der den Anspruch auf eine Beihilfe allein von der Einhaltung der in diesem Rechtsakt vorgesehenen Voraussetzungen abhängig macht, ohne einen Beschluss oder den Abschluss eines Vertrags zu verlangen, oder in dessen Rahmen der erlassene Beschluss lediglich den Erwerb dieses Rechts bestätigt, können gewährt werden, wenn dieser Rechtsakt eine von der Kommission gemäß Art. 108 AEUV genehmigte Beihilferegelung ist oder die Gewährung von Beihilfen vorsieht, die nicht der Anmeldepflicht unterliegen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
13 Die Gesellschaft E besitzt einen privaten Gleisanschluss auf ihr gehörenden Grundstücken und ist auch Eigentümerin eines Teils der Infrastruktur dieses Gleisanschlusses. Im Jahr 2021 bekundete sie ihre Absicht, den Gleisanschluss einem Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung zu stellen, das Beförderungen für sie durchführen würde.
14 Sie war der Ansicht, dass sie ab dem Zeitpunkt dieser Zurverfügungstellung für alle diese Grundstücke sowie für Grundstücke, die sie zu erwerben beabsichtigte und die ebenfalls teilweise über einen privaten Gleisanschluss verfügten, die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben vorgesehene Befreiung von der Grundsteuer in Anspruch nehmen könne. Dementsprechend beantragte sie beim Bürgermeister von Mielec einen Steuervorbescheid, der bestätigen sollte, dass sie ab diesem Zeitpunkt in den Genuss dieser Befreiung kommen könne.
15 Mit Steuervorbescheid vom 14. Juni 2021 schloss der Bürgermeister von Mielec die Möglichkeit aus, dass die Gesellschaft E in den Genuss dieser Befreiung kommen könne. Er argumentierte, dass diese Gesellschaft, obwohl sie formal die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a genannten Voraussetzungen erfülle, nicht in den Genuss der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung kommen könne, da dies zur Folge hätte, dass der Gesellschaft eine staatliche Beihilfe gewährt würde, die nicht das Vorprüfungsverfahren der Kommission durchlaufen hätte.
16 Die Gesellschaft E erhob daraufhin gegen diesen Steuervorbescheid Klage beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Rzeszowie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Rzeszów, Polen), das die Klage mit Urteil vom 19. Oktober 2021 abwies. Dieses Gericht bestätigte den Standpunkt des Bürgermeisters von Mielec, soweit er die Befreiung als „staatliche Beihilfe“ eingestuft und festgestellt hatte, dass diese Beihilfe unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und Art. 2 der Verordnung 2015/1589 nicht bei der Kommission angemeldet worden sei.
17 Gegen dieses Urteil legte die Gesellschaft E Kassationsbeschwerde beim Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen), dem vorlegenden Gericht, ein.
18 Das vorlegende Gericht führt aus, dass Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben die Befreiung von der Grundsteuer auf private Gleisanschlüsse ausgedehnt habe, insbesondere solche, die eine sogenannte „private“ Infrastruktur darstellten, die sich u. a. in Bergwerken, Produktionsstätten oder Kraftwerken befänden und die zum Güterschienenverkehrsnetz gehörten. Solche Gleisanschlüsse sowie die zu ihrer Infrastruktur gehörenden Gebäude fielen unter diese Befreiung, wenn sie einem Eisenbahnunternehmen zur Verfügung gestellt würden. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der polnische Gesetzgeber einen Mechanismus vorgesehen habe, um Unternehmen dazu zu veranlassen, stillgelegte Dienstgleise wieder instand zu setzen und den Schienenverkehr, der keine Schadstoffemissionen verursache und mehr Sicherheit biete, wieder aufzunehmen.
19 Auch wenn sich diese Befreiung aufgrund ihres allgemeinen Charakters grundsätzlich auf einen unbegrenzten Kreis von Begünstigten beziehe, bestünden Zweifel hinsichtlich des in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a verwendeten Kriteriums, wonach die betreffende wirtschaftliche Einheit über eine bestimmte Art von Infrastruktur verfügen müsse, was in der Praxis in bestimmten Sektoren tätigen Unternehmen zugutekomme, nämlich insbesondere Bergbauunternehmen, Wärmekraftwerkbetreibern oder Brauereien. Die Anwendung eines solchen Kriteriums könnte somit, obwohl es auf den ersten Blick objektiven Charakter habe, zu einer „versteckten“ Selektivität führen.
20 Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Grundsteuer auf Unionsebene nicht harmonisiert sei, so dass es den Mitgliedstaaten freistehe, ihre Steuerpolitik und die Art der Festsetzung dieser Steuersätze zu bestimmen. Im polnischen Rechtssystem werde die Grundsteuer auf Grundstücke, die keine land- und forstwirtschaftlichen Flächen sind, auf Gebäude oder deren Teile sowie auf Bauwerke oder deren Teile, die für eine gewerbliche Tätigkeit bestimmt sind, erhoben. Im vorliegenden Fall gehe es nicht darum, ob die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben vorgesehene Befreiung von der Grundsteuer mit dem Unionsrecht vereinbar sei, sondern darum, ob ihre Anwendung möglich sei, wenn sie nicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV, auf dessen unmittelbare Wirkung das vorlegende Gericht hinweist, bei der Kommission angemeldet worden sei.
21 Schließlich wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob in dem Fall, dass die Befreiung unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV angewandt worden sei, ein Unternehmen, das in den Genuss dieser Befreiung gekommen sei, verpflichtet sei, die rechtswidrig erhaltenen Beihilfen zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen, oder ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes einer solchen Rückzahlung entgegenstehe. In diesem Zusammenhang weist es darauf hin, dass die polnischen Steuerbehörden die in Rede stehende Befreiung vier Jahre lang angewandt hätten und erst dann damit begonnen hätten, die Gewährung der Befreiung unter Berufung auf die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung abzulehnen.
22 Unter diesen Umständen hat der Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
- Verfälscht oder droht es den Wettbewerb im Licht von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu verfälschen, wenn ein Mitgliedstaat eine an alle Unternehmer gerichtete Steuervergünstigung wie die von Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben gewährt, die Grundstücke, Gebäude und Bauwerke von der Grundsteuer befreit, die Teil der Eisenbahninfrastruktur im Sinne der Bestimmungen über den Eisenbahnverkehr sind, die den Eisenbahnbetreibern zur Verfügung gestellt wird?
- Falls die erste Frage bejaht wird: Ist ein Unternehmer, der auf der Grundlage der genannten nationalen Vorschrift in den Genuss einer Steuerbefreiung gekommen ist, die nicht unter Einhaltung des in Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verfahrens eingeführt wurde, zur Zahlung der ausstehenden Steuer zuzüglich Zinsen verpflichtet?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
23 Die spanische Regierung ist der Ansicht, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig. Die Steuerbefreiung in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben gelte nämlich für Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die „Teil der Eisenbahninfrastruktur sind“. Nach der Definition des Begriffs „Eisenbahninfrastruktur“ in Art. 3 Nr. 3 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2012/34 seien private Gleisanschlüsse von diesem Begriff ausgenommen. Folglich habe die Gesellschaft E, die auf ihren Grundstücken nur einen privaten Gleisanschluss besitze, keinen Anspruch auf diese Befreiung. Unter diesen Umständen seien die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich.
24 Die polnische Regierung und die Kommission halten die zweite Frage für unzulässig. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen gehe nämlich hervor, dass die Gesellschaft E nicht in den Genuss der Befreiung gekommen sei. Daher sei eine Antwort auf die Frage, ob ein Unternehmen, das in den Genuss einer solchen Befreiung gekommen sei, zur Rückzahlung der Grundsteuer, von der es befreit wurde, zuzüglich Zinsen verpflichtet sei, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich.
25 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 4. Oktober 2024, Bezirkshauptmannschaft Landeck [Versuchter Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten], C‑548/21, EU:C:2024:830, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2024, Bezirkshauptmannschaft Landeck [Versuchter Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten], C‑548/21, EU:C:2024:830, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Im vorliegenden Fall betrifft die erste Frage die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft E und dem Bürgermeister von Mielec über dessen Weigerung, dieser Gesellschaft die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben vorgesehene Steuerbefreiung zu gewähren, weil die Gewährung dieser Befreiung aufgrund der unterbliebenen Anmeldung bei der Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstellen würde. Diese Auslegung steht somit in Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Rechtsstreits und dient der Lösung eines Problems, das nicht hypothetischer Natur ist. Der Gerichtshof verfügt außerdem über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ersten Frage erforderlich sind.
28 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2012/34 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 u. a. die Vorschriften für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur, die Kriterien für die Erteilung, Verlängerung oder Änderung von Genehmigungen für Eisenbahnunternehmen durch einen Mitgliedstaat sowie die Grundsätze und Verfahren für die Festlegung und Erhebung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr und die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn festlegt. Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie gilt sie für die Nutzung von Fahrwegen im inländischen und grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr.
29 Daraus folgt, dass diese Richtlinie im Rahmen eines Rechtsstreits wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem es um die etwaige Einstufung einer nationalen steuerlichen Maßnahme, die eine Befreiung von der Grundsteuer vorsieht, als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV geht, offensichtlich keine Anwendung findet.
30 Es ist daher unerheblich, dass Anhang I der Richtlinie 2012/34 für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie private Gleisanschlüsse vom Begriff der „Eisenbahninfrastruktur“ im Sinne von Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie ausnimmt.
31 Somit ist die erste Frage zulässig.
32 Die zweite Frage betrifft die Verpflichtungen, denen ein Unternehmen, das in den Genuss der in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben vorgesehenen Steuerbefreiung gekommen ist, für den Fall unterliegt, dass diese Befreiung Merkmale einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV aufweist, weil diese Befreiung gewährt wurde, ohne dass die Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung 2015/1589 eingehalten wurde.
33 Wie die polnische Regierung und die Kommission ausführen, geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Gesellschaft E nicht in den Genuss dieser Befreiung gekommen ist.
34 Nach ständiger Rechtsprechung ist es aber nicht Sache des Gerichtshofs, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteil vom 20. Oktober 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Rückführung eines Opfers des Menschenhandels], C‑66/21, EU:C:2022:809, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Folglich ist die zweite Frage unzulässig.
Zur ersten Frage
36 Vorab ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Maßnahme nur dann als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden kann, wenn alle nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss sie geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil verschafft werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. insbesondere Urteil vom 7. März 2024, Fallimento Esperia und GSE, C‑558/22, EU:C:2024:209, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die erste Frage, wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert worden ist, die Auslegung des Begriffs „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur im Hinblick auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Voraussetzung betrifft, dass die in Rede stehende Maßnahme den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Aus der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens geht jedoch klar hervor, dass das vorlegende Gericht auch Zweifel an der in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzung äußert, dass die Maßnahme den Begünstigten durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige einen selektiven Vorteil verschafft.
38 Im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 4. Oktober 2024, Bezirkshauptmannschaft Landeck [Versuchter Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten], C‑548/21, EU:C:2024:830, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Der Gerichtshof muss insoweit aus allem, was das nationale Gericht vorgelegt hat, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2024, Bezirkshauptmannschaft Landeck [Versuchter Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten], C‑548/21, EU:C:2024:830, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 So ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind, von der Grundsteuer befreien, wenn sie Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, den durch diese Befreiung Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.
41 Des Weiteren ist erstens darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bereichen, die wie der Bereich der direkten Besteuerung nicht unionsrechtlich harmonisiert sind, nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Kontrolle staatlicher Beihilfen ausgenommen sind. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine steuerliche Maßnahme erlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2024, Kommission/Irland u. a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Zweitens geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben die Begünstigten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Befreiung, die ihnen allein auf der Grundlage dieser Rechtsvorschrift gewährt werden kann, allgemein und abstrakt definiert. Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Befreiung den Begünstigten wegen der Modalitäten, die sie vorsieht, einen spürbaren Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern sichert und so beschaffen ist, dass sie ihrem Wesen nach vor allem Unternehmen zugutekommt, die sich am Handel zwischen Mitgliedstaaten beteiligen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 1987, Deutschland/Kommission, 248/84, EU:C:1987:437, Rn. 18, und vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International, C‑337/19 P, EU:C:2021:741, Rn. 77).
Zur Voraussetzung des selektiven Vorteils
43 Um festzustellen, ob eine nationale Maßnahme geeignet ist, einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu verschaffen, ist zu prüfen, ob diese Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann (Urteil vom 10. September 2024, Kommission/Irland u. a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Zur Einstufung einer steuerlichen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren als „selektiv“ ist in einem ersten Schritt der Bezugsrahmen, d. h. die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende „normale“ Steuerregelung, zu bestimmen und in einem zweiten Schritt darzutun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme insoweit von diesem Bezugsrahmen abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Maßnahmen, die eine Unterscheidung zwischen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der in Rede stehenden rechtlichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, einführen und damit a priori selektiv sind, fallen jedoch dann nicht unter den Begriff „staatliche Beihilfe“, wenn der betreffende Mitgliedstaat in einem dritten Schritt nachweisen kann, dass diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, weil sie sich aus der Natur oder dem Aufbau des Systems ergibt, in das sich die Maßnahmen einfügen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei, C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 36 und 44, sowie vom 10. September 2024, Kommission/Irland u. a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Im Kontext steuerlicher Maßnahmen kommt der Bestimmung des Bezugsrahmens eine besondere Bedeutung zu, da das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur im Verhältnis zu einer sogenannten „normalen“ Besteuerung festgestellt werden kann (Urteil vom 10. September 2024, Kommission/Irland u. a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Insoweit ist zu betonen, dass sich die Bestimmung des Bezugsrahmens aus einer objektiven Prüfung des Inhalts, des Zusammenhangs und der konkreten Wirkungen der nach dem nationalen Recht dieses Staates anwendbaren Vorschriften ergeben muss. Die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme kann nicht anhand eines Bezugsrahmens beurteilt werden, der aus einigen Bestimmungen des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats besteht, die künstlich aus einem breiteren rechtlichen Rahmen herausgelöst wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission, C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
47 Daher ist, wenn die fragliche steuerliche Maßnahme untrennbar mit dem allgemeinen Steuersystem des betreffenden Mitgliedstaats verbunden ist, auf dieses System Bezug zu nehmen. Erweist sich dagegen, dass sich eine solche Maßnahme eindeutig von diesem allgemeinen System trennen lässt, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zu berücksichtigende Bezugsrahmen enger ist als das betroffene allgemeine System oder sogar mit der Maßnahme selbst identisch ist, wenn sich diese als eine Norm mit eigenständiger rechtlicher Logik darstellt und es nicht möglich ist, eine kohärente Gesamtheit von Vorschriften außerhalb dieser Maßnahme zu bestimmen (Urteil vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission, C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
48 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, der betreffende Mitgliedstaat in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer bestimmt, die grundsätzlich den „normalen“ Bezugsrahmen oder die „normale“ Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 112, sowie vom 10. September 2024, Kommission/Irland u. a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 81).
49 Diese Bestimmung der grundlegenden Merkmale der Steuer umfasst ihre Bemessungsgrundlage, ihren Steuertatbestand, aber auch etwaige Steuerbefreiungen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 112, sowie vom 19. September 2024, Vereinigtes Königreich u. a./Kommission [Besteuerung der Gewinne von CFC], C‑555/22 P, C‑556/22 P und C‑564/22 P, EU:C:2024:763, Rn. 96).
50 Da die grundlegenden Merkmale der Steuer grundsätzlich den Bezugsrahmen definieren, anhand dessen die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist, ist eine allgemeine und abstrakte Befreiung von einer direkten Steuer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Befreiung normalerweise nicht als „staatliche Beihilfe“ einzustufen. Da nämlich davon ausgegangen wird, dass diese Befreiung der „normalen“ Steuerregelung inhärent ist, kann sie im Allgemeinen keinen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschaffen.
51 Diese Feststellung ergibt sich aus der den Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Besteuerung zuerkannten Autonomie, wie sie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, wobei diese Autonomie impliziert, dass die Mitgliedstaaten über die Möglichkeit verfügen, auf steuerliche Kategorien und insbesondere auf Steuerbefreiungen zurückzugreifen, die sie für am geeignetsten halten, um die von ihnen verfolgten Ziele des Gemeinwohls zu erreichen, unabhängig davon, ob diese Ziele steuerlicher Art sind oder nicht. Wie die Generalanwältin in Nr. 33 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, können die Mitgliedstaaten nämlich im Rahmen ihrer Steuerautonomie mit der direkten Besteuerung neben einem rein fiskalischen Ziel auch ein oder mehrere andere Ziele verfolgen, die gegebenenfalls zusammen das Ziel des maßgeblichen Bezugsrahmens bilden.
52 Die Kommission verfügt über eine weite Beurteilungsbefugnis, um bestimmte Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen (Urteil vom 31. Januar 2023, Kommission/Braesch u. a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Würde die Ausübung dieser Befugnis jede allgemeine und abstrakte Steuerbefreiung umfassen, bestünde die Gefahr, dass die Beurteilung der Kommission systematisch an die Stelle der Beurteilung der Mitgliedstaaten in diesem Bereich tritt und dadurch in deren Steuerautonomie eingreift.
53 Die Schlussfolgerung in Rn. 50 des vorliegenden Urteils lässt jedoch einerseits die Möglichkeit unberührt, festzustellen, dass der sich aus dem nationalen Recht ergebende Bezugsrahmen selbst mit dem Unionsrecht im Bereich staatlicher Beihilfen unvereinbar ist, wenn das fragliche Steuersystem nach offensichtlich diskriminierenden Parametern gestaltet wurde, durch die das Unionsrecht umgangen werden sollte, wie es in der Rechtssache, in der das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), ergangen ist, der Fall war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 114, sowie vom 10. September 2024, Kommission/Irland u. a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 83).
54 Andererseits kann abweichend von den Ausführungen in Rn. 50 des vorliegenden Urteils eine allgemeine und abstrakte Befreiung von einer direkten Steuer nicht als unter die „normale“ Steuerregelung fallend angesehen werden, wenn sich die in der einschlägigen Regelung festgelegten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Befreiung rechtlich oder tatsächlich auf ein oder mehrere spezifische Merkmale beziehen, die die Kategorie von Unternehmen kennzeichnen, die als einzige in den Genuss der Befreiung kommen können, wobei diese Merkmale untrennbar mit der Art dieser Unternehmen oder ihrer Tätigkeiten verbunden sind. Dies stellt eine kohärente Kategorie von Unternehmen dar. Der Umstand, dass nur eine solche kohärente Kategorie von Unternehmen in den Genuss einer Steuerbefreiung kommen kann, ist geeignet, den potenziell diskriminierenden und wettbewerbswidrigen Charakter dieser Befreiung zu belegen, obwohl der Bezugsrahmen selbst nicht anhand offensichtlich diskriminierender Parameter im Sinne der in Rn. 53 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ausgestaltet wurde.
55 Das ist insbesondere der Fall bei allgemeinen und abstrakten Steuerbefreiungen, die rechtlich oder tatsächlich Unternehmen vorbehalten sind, die über eine bestimmte Kapitalstruktur verfügen, in einem bestimmten geografischen Gebiet oder einem bestimmten Wirtschaftssektor tätig sind, von geringer Größe sind oder im Gegenteil über erhebliche finanzielle Mittel verfügen oder die im Inland keine Arbeitnehmer beschäftigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C‑222/04, EU:C:2006:8, Rn. 136 und 137, vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 104 bis 106, sowie vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei, C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 31 und 38).
56 Beziehen sich die in einer Steuerbefreiungsregelung vorgesehenen Voraussetzungen dagegen weder rechtlich noch tatsächlich auf spezifische, untrennbar mit der Art der Unternehmen oder ihrer Tätigkeiten verbundene Merkmale der Kategorie von Unternehmen, die als einzige in ihren Genuss kommen können, so fällt diese Regelung unter die „normale“ Steuerregelung. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Steuerbefreiung sind nämlich wettbewerbsneutral, da die Tatsache, dass bestimmte Unternehmen diese Voraussetzungen erfüllen, während andere sie nicht erfüllen, einen Umstand darstellt, der im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen nicht relevant ist.
57 Insoweit ist klarzustellen, dass der Umstand, dass eine Steuerbefreiung von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht wird, zwar zwangsläufig bedeutet, dass diese Befreiung nur solchen Unternehmen zugutekommt, die in der Lage sind, sie zu erfüllen. Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass der Umstand, dass nur die Unternehmen, die die Voraussetzungen für die Anwendung einer Maßnahme erfüllen, diese in Anspruch nehmen können, als solcher dieser Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. März 2012, 3M Italia, C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 41 und 42, sowie vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei, C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
58 Das bedeutet insbesondere, dass eine Steuerbefreiung, deren Anwendung von den Ergebnissen der Unternehmen abhängt, als solche nicht selektiv ist (Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 80, 82 und 83). Sofern die in Rn. 56 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt sind, gilt dies grundsätzlich auch für Steuerbefreiungen, deren Anwendung z. B. von einer bestimmten Einstellungspolitik oder von bestimmten Umweltschutzmaßnahmen abhängt.
59 Im Übrigen ist der Umstand, dass eine Steuerbefreiung unabhängig davon gewährt wird, ob die Steuerpflichtigen eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, ein Indiz dafür, dass diese Befreiung in den Bezugsrahmen fällt.
60 Hinzu kommt, dass eine allgemeine und abstrakte Befreiung von einer direkten Steuer selbst dann nicht automatisch selektiv wird, wenn sie aus dem Bezugsrahmen herausfällt. In einem solchen Fall ist nämlich, wie die Generalanwältin in Nr. 28 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat und wie sich aus Rn. 44 des vorliegenden Urteils ergibt, zu prüfen, ob sich die von dieser Befreiung begünstigten Unternehmen im Hinblick auf das mit dem Bezugsrahmen verfolgte Ziel in einer Situation befinden, die tatsächlich und rechtlich mit derjenigen der nicht begünstigten Unternehmen vergleichbar ist. Ist dies der Fall, so ist die Befreiung als selektiv anzusehen, es sei denn, es kann nachgewiesen werden, dass sich die aus ihr resultierende Differenzierung zwischen Unternehmen aus der Natur oder dem Aufbau des Systems ergibt, in das sich die Befreiung einfügt.
61 Hier hat das vorlegende Gericht anhand der obigen Erwägungen zu prüfen, ob Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben, nach dem Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind, von der Grundsteuer befreit werden, wenn diese Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, den von dieser Befreiung begünstigten Unternehmen einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschaffen kann.
62 Insoweit geht erstens aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Regelung der Grundsteuer, wie sie sich aus diesem Gesetz ergibt, die „normale“ Steuerregelung und damit den im vorliegenden Fall anwendbaren Bezugsrahmen darstellt.
63 Wie die polnische Regierung ausführt, besteht diese Regelung aus einem System von Vorschriften, die für alle Eigentümer oder Besitzer von Immobilien gelten und die u. a. den Gegenstand der Steuer, die Steuerbemessungsgrundlage, die Steuerpflichtigen sowie den Steuersatz bestimmen. Konkret sieht Art. 2 Abs. 1 dieses Gesetzes vor, dass Grundstücke, Gebäude oder deren Teile sowie Bauwerke oder deren Teile, die für eine gewerbliche Tätigkeit bestimmt sind, der Grundsteuer unterliegen.
64 Zweitens ergibt sich aus Rn. 54 des vorliegenden Urteils, dass die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a dieses Gesetzes vorgesehene Befreiung Teil des Bezugsrahmens ist, es sei denn, die Voraussetzungen für die Gewährung der Befreiung beziehen sich rechtlich oder tatsächlich auf ein oder mehrere spezifische Merkmale der Kategorie von Unternehmen, die als einzige in den Genuss dieser Befreiung kommen können, wobei diese Merkmale untrennbar mit der Art dieser Unternehmen oder ihrer Tätigkeiten verbunden sind und somit die Annahme zulassen, dass diese Unternehmen eine kohärente Kategorie bilden.
65 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Befreiung wird der Grundsteuer unterliegenden Personen gewährt, sofern sie über ein Grundstück, ein Gebäude oder ein Bauwerk verfügen, das Teil der Eisenbahninfrastruktur ist und Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt wird.
66 Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist diese Voraussetzung offenbar jedoch weder rechtlich noch tatsächlich mit einem oder mehreren spezifischen Merkmalen der von der Befreiung begünstigten Unternehmen verbunden, die es ermöglichen würden, alle diese Unternehmen in einer kohärenten Kategorie im Sinne der Rn. 54 und 64 des vorliegenden Urteils zusammenzufassen.
67 Vielmehr scheint die Befreiung von jedem Steuerpflichtigen erlangt werden zu können, der Eigentümer eines zur Eisenbahninfrastruktur gehörenden Grundstücks, Gebäudes oder Bauwerks ist, das Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt wird, unabhängig davon, ob der betreffende Steuerpflichtige eine gewerbliche Tätigkeit – gleich, welcher Art – ausübt. Somit dürfte es sich bei der Kategorie der Begünstigten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerbefreiung um eine disparate Gruppe handeln, die sich sowohl aus Akteuren, die keine Wirtschaftsteilnehmer sind, als auch aus Unternehmen zusammensetzt, wobei Letztere zudem sehr unterschiedliche Rechtsformen und Dimensionen haben können und in sehr unterschiedlichen Branchen tätig sein können.
68 Wie das vorlegende Gericht ausführt, beruht die Befreiung somit offenbar auf einem neutralen Kriterium, das u. a. unabhängig vom Wirtschaftssektor, der wirtschaftlichen Tätigkeit oder der Rechtsform der begünstigten Unternehmen anwendbar ist.
69 Daraus folgt, dass diese Befreiung, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, als Teil des im vorliegenden Fall anwendbaren Bezugsrahmens anzusehen ist.
70 Drittens weist dieser Bezugsrahmen offenbar eine eigenständige rechtliche Logik mit einem eigenen Ziel auf und kann nicht mit einer kohärenten Gesamtheit von Vorschriften außerhalb des Bezugsrahmens verknüpft werden.
71 Abgesehen von den Ausführungen in den Rn. 62 und 63 des vorliegenden Urteils geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen nämlich hervor, dass das Grundsteuersystem nicht nur eine haushaltspolitische Zielsetzung verfolgt, die für die eigentliche Funktion der Steuer wesentlich ist, sondern dass mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerbefreiung auch ein umweltpolitisches Ziel verfolgt wird, das darin besteht, die betroffenen Unternehmen dazu zu veranlassen, stillgelegte Dienstgleise wieder instand zu setzen und für den Schienenverkehr zu nutzen, der nicht zu Kohlenstoffdioxidemissionen (CO2) führt und mehr Sicherheit bietet als der Straßenverkehr.
72 Wie in Rn. 51 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann ein Mitgliedstaat im Rahmen seiner Steuerautonomie mit der direkten Besteuerung neben einem rein budgetären Ziel ein oder mehrere andere Ziele verfolgen, die gegebenenfalls gemeinsam das Ziel des maßgeblichen Bezugsrahmens darstellen.
73 Schließlich geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass dieser Bezugsrahmen nach offensichtlich diskriminierenden Parametern gestaltet worden wäre, mit denen die Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen im Sinne der in Rn. 53 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hätte umgangen werden sollen.
74 Daher ergibt sich, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, aus alledem, dass die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über kommunale Steuern und Abgaben vorgesehene Befreiung von der Grundsteuer den von dieser Befreiung begünstigten Unternehmen keinen selektiven Vorteil gewährt.
Zur Voraussetzung, dass die betreffende Maßnahme den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen muss
75 Sollte das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Befreiung einen selektiven Vorteil gewährt, würde sich die Frage stellen, ob diese Befreiung die in Rn. 36 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung erfüllt, dass die in Rede stehende Maßnahme den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen muss.
76 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nicht des Nachweises einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung bedarf, sondern nur der Prüfung, ob die Maßnahme geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 78, und vom 27. Januar 2022, Fondul Proprietatea, C‑179/20, EU:C:2022:58, Rn. 100).
77 Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Maßnahme auf dem betreffenden Markt eine tatsächliche Wettbewerbssituation besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2023, DOBELES HES, C‑702/20 und C‑17/21, EU:C:2023:1, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor auf Unionsebene liberalisiert worden ist, dazu führen kann, dass die Beihilfen den Wettbewerb tatsächlich oder potenziell beeinflussen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 34).
78 Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Maßnahmen, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Befreiung ein Unternehmen von den Kosten befreien sollen, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Geschäftsführung oder seiner üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätte, grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen verfälschen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 80).
79 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu beurteilen, ob diese Befreiung in Anbetracht ihrer allgemeinen Merkmale den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, ohne dass es verpflichtet wäre, die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 122, vom 28. Oktober 2021, Eco Fox u. a., C‑915/19 bis C‑917/19, EU:C:2021:887, Rn. 57, und vom 30. Mai 2024, Autoridad Portuaria de Bilbao/Kommission, C‑110/23 P, EU:C:2024:441, Rn. 69).
80 Nach alledem ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die Grundstücke, Gebäude und Bauwerke, die Teil der Eisenbahninfrastruktur sind, von der Grundsteuer befreien, wenn sie Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, nicht als Maßnahmen anzusehen sind, die den durch diese Befreiung Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffen.
An dieser Fassung sind noch Änderungen möglich; verbindlich sind nur die in der "Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts" und im "Amtsblatt der Europäischen Union" veröffentlichten Fassungen.