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BFH zur allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens durch Bereitstellung einer Online-Plattform für Anliegen Dritter

Das Staatswesen im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 der Abgabenordnung kann durch die Zurverfügungstellung einer Online-Plattform gefördert werden, wenn deren Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen ‑‑auch par­teipolitisch‑‑ neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert und sich dabei in­nerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeitsrechts bewegt.

GG Art. 20 Abs. 2
AO § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24

BFH-Urteil vom 12.12.2024, V R 28/23 (veröffentlicht am 8.5.2025)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 14.11.2023, 8 K 8198/22 = SIS 24 01 06

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, verfolgte nach seiner in den Jahren 2016 und 2017 (Streitjahre) geltenden Satzung aus­schließlich und unmittelbar die "Förderung des demokratischen Staatswesens" als gemeinnützigen Zweck im Sinne der Abgabenordnung (AO).

Zur Verwirklichung seines Satzungszwecks unterhielt der Kläger auf seiner In­ternetseite eine Online-Plattform, die es den Nutzern ermöglichte, verschie­denste Anliegen, die auch als "Petitionen" oder "Kampagnen" bezeichnet wur­den, zu formulieren und zur elektronischen Abstimmung zu stellen, ohne ein Entgelt hierfür zu entrichten. Mit den Anliegen konnten grundsätzlich beliebige Forderungen, auch zur Unterstützung einzelner namentlich genannter Perso­nen, erhoben und an staatliche und nichtstaatliche Adressaten gerichtet wer­den. In den Streitjahren nahm der Kläger bei Anliegen, die er für erfolgreich oder relevant hielt, direkten Kontakt zu den Personen auf, die das jeweilige Anliegen gestartet hatten, und bot ihnen Unterstützung bei der weiteren Durchführung ihrer "Kampagnen" an. Neben der Online-Plattform stellte der Kläger auf seiner Internetseite Leitfäden, Antworten auf häufig gestellte Fra­gen und Schulungsvideos für Nutzer der Plattform zur Verfügung.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) stellte zunächst die Ein­haltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO für die Streitjahre fest. In der Folgezeit erließ das FA allerdings Körper­schaftsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es die Körperschaftsteuer jeweils auf 0 € festsetzte und die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) versagte, da der Kläger nach seiner tat­sächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolge. Der Betrieb der Plattform diene dann der Förderung des demokrati­schen Staatswesens, wenn er nur Anliegen erfasse, die sich an staatliche Stel­len im Rahmen des Art. 17 des Grundgesetzes (GG) richteten, nicht aber ‑‑wie im Fall des Klägers‑‑ auch Anliegen ermögliche, die sich an nichtstaatliche Stellen richteten. Die Vermittlung von Wissen zur Durchführung von "Petitio­nen" und "Kampagnen" diene zwar der Volks- und Berufsbildung im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO. Dieser Zweck sei jedoch in der Satzung in den Streitjahren nicht genannt.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2024, 529 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers sei auf die allge­meine Förderung des demokratischen Staatswesens gerichtet. Dessen Förde­rung verlange ein aktiv werbendes Eintreten für dessen Grundsätze, erlaube aber auch eine Schwerpunktbildung. Der Begriff des "demokratischen Staats­wesens" sei an grundrechtlich verbürgten Prinzipien, Rechten und Werten auszulegen und umfasse insbesondere die Ausübung der Grundrechte, wie etwa der Meinungsfreiheit, und die sich aus dem Demokratieprinzip ergebende allgemeine demokratische Teilhabe. Da Demokratie ohne Meinungsfreiheit nicht denkbar sei, fördere der Kläger das demokratische Staatswesen in sei­nem Kernbereich, wofür die Förderung des Einzelnen und dessen Erfahrungen im demokratischen Prozess ‑‑auch ohne messbare Erfolge‑‑ genüge. Die vom FA vorgenommene Beschränkung auf Anliegen, die dem Anwendungsbereich des Art. 17 GG unterlägen, verenge den Inhalt des Begriffs des "demokra­tischen Staatswesens" zu sehr und übersehe, dass der Kläger mit seiner Unterstützung der aktiven Nutzer der Plattform unmittelbar Meinungsäußerung und demokratische Teilhabe fördere. Die Tätigkeit des Klägers gehe über das Vorhalten einer "üblichen" Social Media-Plattform hinaus. Weiter habe der Kläger mit seiner Übersicht der "Kampagnen" verdeutlicht, sich die Inhalte der Anliegen nicht zu eigen zu machen und damit mit der nötigen geistigen Offen­heit tätig zu sein. Ein Konflikt mit den Vorgaben zur Parteienfinanzierung sei danach nicht ersichtlich. Unerheblich sei, dass einzelne Anliegen Einzel­interessen verfolgt hätten, weil sich die Tätigkeit des Klägers auf die "Vor­stufe" der Meinungsäußerung zur Zielerreichung beschränke. Soweit sich durch die Nutzung der Plattform ein Bildungseffekt im Sinne von "Erfahrung gewinnen" einstelle, sei dies lediglich eine mittelbare Folge, so dass die Tätigkeit des Klägers nicht den Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO erfülle.

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiel­len Rechts. Der Begriff der "allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens" in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO sei eng auszulegen, wofür auch die territoriale Begrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift spreche. Die einzelnen in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke müssten trennscharf von­einander abgegrenzt werden, auch wenn sie sich eventuell überschnitten. An­derenfalls würde jede öffentlichkeitswirksame Tätigkeit im Rahmen der grund­gesetzlichen Ordnung den (Auffang‑)Tatbestand der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens erfüllen und die gesondert in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke wären überflüssig. Weiter sei der Kläger nicht aktiv werbend für die demokratischen Grundsätze eingetreten, sondern stehe ihnen neutral gegenüber, weshalb seiner Tätigkeit die Unmittelbarkeit fehle. Er habe lediglich die Plattform und Leitfäden zur Verfügung gestellt, so dass seine Tä­tigkeit als Volksbildung nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO zu verstehen sei. Letztlich entscheide die "Internet-Community" über die gesellschaftspolitische Debatte. Dass der Kläger einzelne "Kampagnen" für relevanter halte, sei eben­falls im Hinblick auf die erforderliche parteipolitische Neutralität kritisch zu se­hen. Das FG habe ferner zu Unrecht eine Art Güterabwägung vorgenommen, wenn es bei der Förderung des demokratischen Staatswesens auf messbare Erfolge verzichte. Erforderlich sei vielmehr, dass das "Rechtsgut" durch eine "messbare Eigenleistung" "konkret berührt" werde. Zudem erfülle der Kläger zwar die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO, soweit es um An­liegen im Sinne des ‑‑weit zu verstehenden‑‑ Art. 17 GG gehe. Aus der not­wendig engen Auslegung des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO folge jedoch, dass das demokratische Staatswesen nicht gefördert werde, soweit Anliegen an nichtstaatliche Akteure herangetragen würden. Solche Anliegen dienten nicht der Wahrnehmung der Grundrechte und genössen daher nicht die staatliche Förderung durch § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO.

Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) trägt vor, der Kläger ha­be bei der von ihm angenommenen Relevanz ganz überwiegend Einzelinteres­sen ausgewählt, was dem Grundgedanken des Gemeinnützigkeitsrechts, das eine gesetzlich vorgesehene Förderung in Form einer Steuerbefreiung sei, wi­derspreche. Zudem erfordere die Förderung der Meinungsfreiheit eine essenti­elle Förderung, so dass die bloße Bereitstellung einer Online-Plattform zur Ausübung der Meinungsfreiheit als untergeordnete Hilfsleistung nicht gemein­nützig sei. Dies zeige sich auch an der häufigen Wiederholung des Wortes "Förderung" in § 52 Abs. 1 und 2 AO. Für den Zweck des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO bedürfe es danach einer erkennbaren Diskussion und der kritischen Auseinandersetzung mit den jeweiligen demokratischen Grundwerten in ihrem Kern, also einer umfassenden Befassung. Nicht ausreichend sei der bloß for­male Hinweis auf die Möglichkeit, die Meinungsfreiheit im digitalen Raum aus­üben zu können. Das FG habe insoweit zu Unrecht auf die Unterstützung der aktiven Nutzer abgestellt, da dies eine nicht signifikante Förderung von Einzel­fällen gewesen sei.

Das FA und das BMF beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er, der Kläger, fördere die Meinungsäußerung sowie die demokratische Teilha­be unabhängig von dem Adressaten des Anliegens und ohne dies inhaltlich einzugrenzen. Elementar sei, dass es sich jeweils um ein Anliegen handele, dem ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Bedeutung innerhalb des verfas­sungsmäßigen Rahmens zukomme, so dass die Sphäre des demokratischen Aushandlungsprozesses in einer Vorstufe der Meinungsbildung berührt sei. In­soweit seien auch Anliegen, die an nichtstaatliche Stellen gerichtet seien, er­heblich für das demokratische Staatswesen. Eine Verengung des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO auf das "staatliche Petitionswesen" verkenne, dass der insti­tutionalisierte Teil des Staatswesens ohnehin der Demokratie verpflichtet sei. Eine derartige Verdichtung ergebe sich auch nicht aus Art. 20 Abs. 2 GG, der eine Entscheidung für das demokratische Staatswesen als Strukturprinzip ent­halte. Er, der Kläger, fördere diese Strukturentscheidung, da er die Vorausset­zungen schaffe, um diese Entscheidung des Verfassungsgebers vollziehen zu können. Er erhöhe mit seiner Tätigkeit die Mündigkeit des Volkes. Dass er, der Kläger, sich nicht mit den Inhalten der Anliegen befasse, sei geradezu eine Vo­raussetzung für die allgemeine Natur seiner Handlungen zur Förderung der wirksamen Teilhabe der Nutzer an den demokratischen Prozessen. Er unter­stütze auch widersprüchliche "Petitionen", wobei er im Rahmen seiner be­grenzten personellen Ressourcen nach objektiven Kriterien die Relevanz der Themen auswähle, bei denen er direkt die Personen kontaktiere, die das An­liegen gestartet hätten. Die Anforderungen dürften insoweit nicht überspannt werden, da auch eine trennscharfe Abgrenzung sich ausschließender Anliegen nicht möglich sei. Das FG habe dies intensiv geprüft und in seinem Urteil in ei­ner Gesamtschau bejaht, dass seine, des Klägers, Tätigkeit offen und partei­politisch neutral sei. Weiter stelle § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO den Begriff des Staatswesens in einen besonderen Zusammenhang mit der Demokratie und sei daher als eigenständige Vorschrift notwendig, wobei die territoriale Begren­zung der Regelung nur aus außenpolitischer Rücksichtnahme bestehe. Im Üb­rigen fehle es seiner Tätigkeit nicht an der Unmittelbarkeit, da er die Nutzer der Plattform in der Ausübung und Festigung ihrer demokratischen Beteili­gungsmöglichkeiten und damit in ihren demokratischen Überzeugungen unmit­telbar fördere und auch kein ‑‑quantitatives‑‑ Mindestmaß an Auswirkungen abverlangt werden könne.

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG, das zutreffend davon ausgegangen ist, dass der Kläger trotz der Festsetzung der Körperschaftsteuer auf jeweils 0 € beschwert ist (z.B. Beschluss des Bun­desfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26.05.2021 ‑ V R 31/19, BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 28), hat bei seiner Entscheidung, ob eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO vorliegt, Art. 20 Abs. 2 GG außer Betracht gelassen. Die Sache ist nicht spruchreif.

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließ­lich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittel­bare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestim­mungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuer­vergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ver­folgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf ge­richtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO ist nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 Halbsatz 1 AO als Förderung der Allgemeinheit die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der Abgabenordnung anzuerkennen. Hierzu gehören nicht Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 Halbsatz 2 AO).

2. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 Halbsatz 1 AO definiert den Begriff des demokra­tischen Staatswesens nicht. Dessen Bedeutungsgehalt ist daher unter Berück­sichtigung der Strukturprinzipien der bundesstaatlichen Verfassung in Art. 20 GG zu ermitteln. Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat und gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus, wobei diese vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der voll­ziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Danach erfordert das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip, dass die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bür­ger am Prozess der politischen Willensbildung besteht und sich alle Akte der Ausübung der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes zurückführen lassen (Ur­teil des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 17.01.2017 ‑ 2 BvB 1/13, BVerfGE 144, 20, unter C.II.1.d aa und bb, juris, Rz 543 bis 545; vgl. BVerfG-Urteil vom 23.01.2024 ‑ 2 BvB 1/19, BVerfGE 168, 193, unter D.I.2.a aa, juris, Rz 211 und 212).

Da die Staatsorgane durch den Prozess der politischen Willensbildung des Vol­kes, der in die Wahlen einmündet, erst hervorgebracht werden, muss sich in einem demokratischen Staatswesen die Willensbildung des Volkes frei, offen und unreglementiert vollziehen (vgl. BVerfG-Urteil vom 19.07.1966 ‑ 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56, unter C.II.1.a, juris, Rz 115). Das bedeutet, dass es den Staatsorganen grundsätzlich verwehrt ist, sich in Bezug auf den Pro­zess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu betätigen, so dass dieser Prozess also grundsätzlich "staatsfrei" bleiben muss. Art. 5 GG garantiert auch insoweit die freie Bildung der öffentlichen Meinung. In die öffentliche Mei­nungsbildung und damit in die Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes gehen insbesondere die vielfältigen, sich möglicherweise widerspre­chenden, ergänzenden, gegenseitig beeinflussenden Wertungen, Auffassungen und Äußerungen des Einzelnen, der Gruppen, der politischen Parteien, Verbän­de und sonstigen gesellschaftlichen Gebilde ein (BVerfG-Urteil vom 30.07.1958 ‑ 2 BvF 3/58, BVerfGE 8, 104, unter B.II.4., juris, Rz 33). Einwir­kungen der gesetzgebenden Körperschaften und von Regierung und Verwal­tung auf diesen Prozess sind nur dann mit dem demokratischen Grundsatz der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorga­nen vereinbar, wenn sie durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legi­timierenden Grund gerechtfertigt werden können (BVerfG-Urteil vom 19.07.1966 ‑ 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56, unter C.II.1.a, juris, Rz 117).

3. Gehört somit zum demokratischen Staatswesen im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO die freie, offene und unreglementierte politische Willensbil­dung in Bezug auf die Ausübung der Staatsgewalt, kann dieses Staatswesen durch die Zurverfügungstellung einer hierfür eingerichteten Online-Plattform gefördert werden, wenn deren Betreiber die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen ‑‑auch parteipolitisch‑‑ neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert und sich dabei innerhalb des allgemeinen Rahmens des Gemeinnützigkeits­rechts (wie etwa § 51 Abs. 3 AO) bewegt.

a) Nach seinem Wortlaut beschränkt § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO die Gemein­nützigkeit auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens und damit auf Betätigungen, die sich nur in allgemeiner Form für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzen, wie etwa das Eintreten für demokra­tische Grundwerte (vgl. Hüttemann, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2019, 744, 749).

Aus dem "staatsfreien" Prozess der Meinungs- und Willensbildung (s. oben II.2.) folgt dabei für die Auslegung von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO, dass es mit der hierin vorgesehenen allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens nicht vereinbar ist, die Verbreitung bestimmter Auffassungen im Rahmen dieser Meinungs- und Willensbildung zu fördern. Bei der damit ver­bundenen Ausübung der Meinungsfreiheit durch Unterstützung bestimmter ‑‑etwa politischer‑‑ Meinungen als Ausübung eines Grundrechts handelt es sich nicht um einen eigenständigen gemeinnützigen Zweck im Sinne des § 52 AO. Die staatliche Förderung von Körperschaften durch das Gemeinnützig­keitsrecht erfolgt nur für die in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke, die vom Gesetzgeber als förderungswürdig anerkannt worden sind ("gegenständlich beschränktes Tätigwerden", vgl. BVerfG-Urteil vom 24.07.1979 ‑ 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63, unter C.III., juris, Rz 98), zu denen die Förderung der Aus­übung von Grundrechten im Sinne eines eigenständigen Tatbestandes nicht gehört. Hinzu kommt, dass sich die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 Halbsatz 1 AO ‑‑entspre­chend der Förderung der Volksbildung im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO‑‑ in geistiger Offenheit vollziehen muss (vgl. zu dieser BFH-Urteil vom 10.01.2019 ‑ V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 23 und 27; zur geistigen Offenheit "politischer" Stiftungen BVerfG-Urteil vom 22.02.2023 ‑ 2 BvE 3/19, BVerfGE 166, 93, unter C.II.1.a, juris, Rz 197).

b) Weiter sind Tätigkeiten von Körperschaften, die den Zweck des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO verfolgen und dabei den Prozess der Meinungs- und Willens­bildung als solchen fördern, von Tätigkeiten zu unterscheiden, die ‑‑wie bei Parteien‑‑ auf die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes ge­richtet sind (vgl. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 22.02.2023 ‑ 2 BvE 3/19, BVerfGE 166, 93, unter C.I.1.b, juris, Rz 170; vgl. zur kommunalen Ebene z.B. BVerfG-Beschluss vom 17.04.2008 ‑ 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, 108, unter C.I.2.b cc und C.II.1.b, Rz 54, 55 und 63). Insoweit ist eine § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO entsprechende Förderung des offenen Prozesses der politischen Willensbildung von der Einflussnahme auf die "politi­sche Willensbildung" (§ 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes ‑‑PartG‑‑) und der Ein­flussnahme auf die "Gestaltung der öffentlichen Meinung" (§ 1 Abs. 2 PartG) abzugrenzen. Der erkennende Senat berücksichtigt hierzu auch die bei Partei­en bestehenden Offenlegungspflichten im Hinblick auf Zuwendungen (§§ 23 ff. PartG), die dem Gemeinnützigkeitsrecht mangels gesetzlicher Transparenzan­forderungen wie etwa Rechenschaftspflichten fremd sind (vgl. Hüttemann, DB 2019, 744, 752; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 52 AO Rz 251 und Weitemeyer, Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisatio­nen ‑‑npoR‑‑ 2019, 97, 106) wie auch die Entstehungsgeschichte des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO, aus der gleichfalls eine Eigenständigkeit dieser Berei­che folgt (vgl. auch Weitemeyer, npoR 2019, 97, 101 ff.).

aa) § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO geht auf § 49 der Einkommensteuer-Durch­führungsverordnung vom 21.12.1955 (BGBl I 1955, 756) ‑‑EStDV 1955‑‑ zu­rück, der den seinerzeit neu eingeführten Sonderausgabenabzug für Ausgaben zur Förderung "staatspolitischer Zwecke" (§ 10b des Einkommensteuergeset­zes ‑‑EStG‑‑ i.d.F. von Art. 1 Nr. 18 Buchst. a des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16.12.1954, BGBl I 1954, 373) konkretisierte, mit dem "vor allem auch bestimmte Beiträge und sonstige Zuwendungen an politische Par­teien begünstigt werden" sollten (BTDrucks 2/961, S. 6). Neben dem danach durch § 49 Nr. 1 und 2 EStDV 1955 ermöglichten Abzug von Spenden für po­litische Parteien gestattete § 49 Nr. 3 EStDV 1955 den Abzug von Ausgaben zur Förderung "staatspolitischer Zwecke" an juristische Personen, die aus­schließlich allgemeinen staatspolitischen Zwecken dienten und die durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt wurden. § 49 Nr. 3 Satz 2 EStDV 1955 definierte die "allgemeinen staatspolitischen Zwecke" als solche, die auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) gerichtet waren, und schloss Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatspoliti­scher Art verfolgten, aus. Diese Begünstigung sollte nach einer seinerzeit ver­tretenen Auffassung im Schrifttum auch für andere Einrichtungen gelten, die der Förderung des demokratischen Staatswesens dienten und die im politi­schen Leben in Erscheinung traten (Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. 1955, § 10b EStG Anm. 5a).

bb) Nachdem das BVerfG unter anderem § 49 Nr. 1 und 2 EStDV 1955 für nichtig erklärt hatte (BVerfG-Urteil vom 24.06.1958 ‑ 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51), wurde § 49 EStDV insoweit geändert, als diese Vorschrift Spenden für po­litische Parteien nunmehr vom Sonderausgabenabzug ausschloss (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV in der ab 13.03.1959 geltenden Fassung ‑‑EStDV 1958‑‑, BGBl I 1959, 121). § 49 Abs. 1 Satz 2 EStDV 1958 übernahm aus § 49 Nr. 3 Satz 2 EStDV 1955 die Definition der "allgemeinen" staatspolitischen Zwecke und schloss darüber hinaus Bestrebungen, die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt waren, von den staatspolitischen Zwecken aus.

cc) Die Zuordnung der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswe­sens in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke erfolgte erst durch die Über­nahme der in § 49 Abs. 1 Satz 2 EStDV 1958 enthaltenen Formulierung, die bis dahin ‑‑anders als die Steuervergünstigung nach §§ 51 ff. AO‑‑ lediglich ei­nen Spendenabzug ermöglicht hatte, in den damaligen § 52 Abs. 2 Nr. 3 AO durch das Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1577), wobei das Wort "staatspolitischer" nach dem Wort "Einzelinteressen" im Gesetzgebungsverfahren ohne Begründung in "staatsbürgerlicher" geändert wurde (BTDrucks 10/183, S. 7 und BTDrucks 10/684, S. 18). Mit der Zuordnung zum Gemeinnützigkeitsrecht sollten Spen­den an die in Abschn. 112 der Einkommensteuer-Richtlinien 1981 ‑‑EStR 1981‑‑ (BStBl I, Sondernr. 1/1982) genannten Institutionen im Rahmen des § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG steuerlich begünstigt bleiben (BTDrucks 10/697, S. 11), wobei allerdings § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG ‑‑neben mildtätigen, kirch­lichen, religiösen und wissenschaftlichen Zwecken‑‑ nur Ausgaben zur Förde­rung der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwe­cke (Anlage 7 zu Abschn. 111 Abs. 1 EStR 1981, z.B. die Förderung der Volks­bildung; § 48 Abs. 4 EStDV 1981 ‑‑BGBl I 1982, 700‑‑, Abschn. 111 Abs. 2 EStR 1981) zum Abzug zuließ, zu denen die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens gerade nicht gehörte. Demgegenüber wurde ‑‑auf Grundlage des Berichtes zur Neuordnung der Parteienfinanzierung (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 97 vom 26.05.1983, S. 45 f.)‑‑ wieder eine prozentuale steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an politische Parteien eingeführt und definierte die Neufassung des § 10b Abs. 2 Satz 1 EStG als Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke nur noch Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 PartG.

dd) Eine Abzugsfähigkeit von Ausgaben zur allgemeinen Förderung des demo­kratischen Staatswesens ermöglichte schließlich das Gesetz zur weiteren Stär­kung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007 (BGBl I 2007, 2332), das die Begünstigung von Zuwendungen in § 10b EStG auf alle steuerbegüns­tigten Zwecke im Sinne der §§ 52 bis 54 AO ausdehnte (vgl. Hüttemann, Ge­meinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl., Rz 3.166) und das diesen Zweck nunmehr in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO erfasste.

c) Die vorstehende Abgrenzung zwischen der § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO entsprechenden Förderung des "staatsfreien" Prozesses der Meinungs- und Willensbildung einerseits und der damit nicht zu vereinbarenden Förderung po­litischer Einzelmeinungen im Rahmen dieses Prozesses andererseits entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BFH. Danach ist die Einflussnahme "auf die politische Willensbildung" durch "Gestaltung der öffentlichen Meinung" nicht als eigenständige Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet im Sinne von § 52 AO anzusehen (z.B. BFH-Urteil vom 10.01.2019 ‑ V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 31). Weder darf ein "politischer Zweck als alleiniger und ausschließlicher oder als überwie­gender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt" sein noch darf die Vereinigung mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder über­wiegend einen politischen Zweck verfolgen (BFH-Urteil vom 29.08.1984 ‑ I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844, unter 3.b (2)). Hiervon zu un­terscheiden ist die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die "öf­fentliche Meinung" zur Verfolgung der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genann­ten Zwecke. Der Gewährung einer Steuervergünstigung steht nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläu­fig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist (BFH-Urteil vom 10.01.2019 ‑ V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 18 und 20; BFH-Beschluss vom 18.08.2021 ‑ V B 25/21 (AdV), BFHE 273, 404, BStBl II 2021, 931, Rz 24). Ist es einer Körperschaft danach möglich, im Rahmen ihres gemeinnützigen Zwecks insoweit auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen, folgt hieraus zugleich, dass eine allgemeine Förderung des demokra­tischen Staatswesens im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO ausgeschlos­sen ist, wenn die Tätigkeit auf die Verbreitung bestimmter politischer Meinun­gen oder einer eigenen Meinung gerichtet ist oder ihr die parteipolitische Neu­tralität fehlt, was auch dadurch erfüllt ist, wenn andere Meinungen als eigene übernommen werden oder Kriterien, die zur Förderung bestimmter Anliegen führen, die notwendige Offenheit fehlt.

Im Übrigen kommt es nach dieser Rechtsprechung entgegen der Ansicht des FA und des BMF nicht in Betracht, eine besondere Intensität der Tätigkeit zu fordern. Denn nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO muss die Tätigkeit der Körperschaft lediglich darauf gerichtet sein, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet zu fördern. Demgemäß reicht es aus, dass die Handlun­gen der Körperschaft ernsthaft auf die Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks gerichtet und hierzu objektiv geeignet sind (vgl. BFH-Urteile vom 13.12.1978 ‑ I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482, unter I.4.b und vom 23.07.2003 ‑ I R 29/02, BFHE 203, 251, BStBl II 2003, 930, unter 4.d).

4. Im Streitfall hat das FG zwar im Ergebnis zutreffend entschieden, dass eine Beschränkung des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO auf (nur) von Art. 17 GG um­fasste Anliegen nicht in Betracht kommt, wie sich aus der nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Auslegung ergibt. Hieraus folgt aber auch, dass der Betrieb einer Online-Plattform, auf der die Anliegen Dritter zur Abstim­mung gestellt werden, nur dann als Förderung der Allgemeinheit im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO anzusehen ist, wenn die dort zur Abstimmung gestellten Anliegen auf eine öffentliche Meinungsbildung mit Bezug zur Aus­übung von Staatsgewalt Einfluss nehmen sollen. Im Hinblick darauf, dass Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG die Ausübung von Staatsgewalt durch "besondere Organe der Gesetzgebung" erwähnt, kann es sich dabei um ein beliebiges The­ma handeln, das aber ‑‑beispielsweise als Verhandlungsgegenstand (vgl. § 75 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 25.06.1980, BGBl I 1980, 1237, zuletzt geändert gemäß Bekanntmachung vom 22.02.2024, BGBl I 2024, Nr. 64)‑‑ geeignet sein muss, Gegenstand einer parlamentarischen Befassung zu sein. Daher verlässt der Betreiber einer Online-Plattform den Bereich der Förderung des demokratischen Staatswesens, wenn dort Anliegen in Bezug auf Themen zur Abstimmung gestellt werden, auf die dies ‑‑wie etwa auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat angespro­chenen Fälle der Kündigung eines Mietvertrags über einen bestimmten Kiosk zwischen zwei Privatrechtssubjekten oder den eines Boykottaufrufs gegenüber einem Privatrechtssubjekt als inländischem Grundrechtsträger‑‑ nicht zutrifft. Letzteres kann zwar als freie Meinungsäußerung anzusehen sein (vgl. hierzu z.B. BVerfG-Urteil vom 15.01.1958 ‑ 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, unter B.II.3 und B.II.4., juris, Rz 38 und 39; BVerfG-Beschluss vom 26.02.1969 ‑ 1 BvR 619/63, BVerfGE 25, 256, unter II.1., juris, Rz 17 und 18), reicht aber für die Annahme einer Förderung der Allgemeinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 24 AO nicht aus. Danach ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit das FG in einem zweiten Rechts­gang prüft, ob die Tätigkeit des Klägers auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 20 Abs. 2 GG ergebenden Einschränkung als Förderung des demokra­tischen Staatswesens anzusehen ist.

5. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

a) Soweit die Tätigkeit des Klägers auch die aktive Beratung bestimmter An­liegen durch den Kläger umfasste, lässt sich dem Urteil des FG nur entneh­men, dass der Kläger auf Befragung des FG im Rahmen der mündlichen Ver­handlung erklärt hat, selbst die auf der Plattform gestarteten "Kampagnen" täglich zu sichten und auf Relevanz und voraussichtlichen Erfolg zu untersu­chen. Insoweit habe der Vorstand des Klägers auf die bereits mit Schriftsatz vom 04.07.2019 im Veranlagungsverfahren vorgetragenen Auswahlkriterien verwiesen. Bei "Kampagnen", die für erfolgreich oder relevant gehalten wor­den seien, habe dann ein Mitarbeiter Kontakt mit dem "Petenten" aufgenom­men und Unterstützung hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung angeboten, um eine effektive Meinungsbildung zu ermöglichen. Außerdem seien jeweils Hinweise zur Verwaltung der "Kampagne" gegeben worden. Zudem habe der Kläger auch die Kontaktaufnahme des "Petenten" zu dem relevanten Entschei­dungsträger unterstützt. Im Zweifel unterstütze der Kläger auch sich inhaltlich widersprechende "Kampagnen", da er nur rechtswidrige "Kampagnen" nicht zulasse, sonst aber inhaltlich nicht eingreife (FG-Urteil in EFG 2024, 529, Rz 20). In dem vom FG in Bezug genommenen Schriftsatz vom 04.07.2019 verweist der Kläger darauf, dass im Streitjahr 2017 insgesamt 8 894 "Pe­titionen" auf die Plattform gestellt worden seien und er in den Streitjahren 188 Anliegen intensiv in direktem Kontakt mit den "Petenten" unterstützt habe. Die Liste der aktiv unterstützten Anliegen zeige, dass auch insoweit keinerlei Auswahl nach bestimmten Themen oder nach einer bestimmten politischen Richtung erfolge, sondern nach gesellschaftlicher Relevanz "usw". Einzelinteressen würden so gerade nicht unterstützt.

Ungeachtet dessen, dass sich das FG insoweit ‑‑in nicht zureichender Weise‑‑ allein auf das Klägervorbringen stützt, kann diesen Feststellungen nicht ent­nommen werden, ob der Kläger sich zur Verfolgung des in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO genannten Zwecks auf die Förderung des offenen Prozesses der po­litischen Willensbildung beschränkt oder ob er sich ‑‑dem entgegenstehend‑‑ durch die aktive Förderung bestimmter Anliegen bestimmte Meinungen zu ei­gen gemacht hat und ob die von ihm angewendeten Kriterien die notwendige geistige Offenheit gewährleisteten (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.1988 ‑ I R 11/88, BFHE 155, 461, BStBl II 1989, 391, unter II.4.c), damit nicht aus­schließlich oder überwiegend bestimmte politische Zwecke verfolgt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.1984 ‑ I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844, unter 3.b(2)). So hat das FG beispielsweise nicht festgestellt, nach wel­chen Kriterien der "kleine Teil der Gemeinschaft", dessen Reaktion nach eige­nem Vortrag des Klägers ein entscheidendes Kriterium der aktiven Beratung des Klägers war, bestimmt war. Ebenso wenig ist ersichtlich, mit welchem In­halt die übrigen Kriterien, die ebenfalls Wertungen unterliegen, ausgefüllt wa­ren. Weiter kann das FG der Frage nachzugehen haben, ob die vom Kläger an­gewendeten Kriterien noch die Offenheit des Prozesses der politischen Willens­bildung fördern, wenn sie ‑‑beispielsweise durch Berücksichtigung quantitati­ver Elemente‑‑ dazu führen, bestimmte Anliegen deshalb aktiv zu fördern, weil diese Anliegen mit besonderer Intensität von Dritten verfolgt werden und eine hieraus erfolgende Verstärkung der Reichweite dieser Anliegen durch den Klä­ger somit als nicht mehr neutral, sondern als parteiergreifend anzusehen wä­re. Eine Auswahl, die dazu führt, dass im Prozess der politischen Willensbil­dung jeweils die "lautstärkeste" Meinung gefördert würde, könnte dabei einer staatlichen Förderung durch das Gemeinnützigkeitsrecht entgegenstehen. Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und die tatsächliche Würdigung sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

b) Das FG wird auch prüfen müssen, nach welchen ‑‑die geistige Offenheit ge­währleistenden‑‑ Kriterien der Kläger entschieden hat, dass "Petitionen" einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt hatten und deshalb nicht auf die Plattform zur elektronischen Abstimmung gestellt wurden (vgl. auch zur erforderlichen Tätigkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung z.B. BFH-Urteil vom 29.10.1997 ‑ I R 13/97, BFHE 184, 226, BStBl II 1998, 9, unter II.3.b).

c) Ferner wird das FG ‑‑sofern entscheidungserheblich‑‑ sich damit auseinan­dersetzen müssen, ob die Beschränkung des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO auf den Geltungsbereich der Abgabenordnung eine bloß räumliche Beschränkung der Betätigung des Klägers bedeutet oder ob damit allein das demokratische Staatswesen im Inland Gegenstand der Förderung ist (vgl. Musil in HHSp, § 52 AO Rz 252 und Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl., Rz 3.167).

d) Sofern das FG zu der Auffassung gelangt, der Kläger verfolge eine allgemei­ne Förderung des demokratischen Staatswesens im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO und übe eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, wird es sich damit auseinanderzusetzen haben, ob eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor­liegt, die dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unterliegt (vgl. hierzu allgemein BFH-Beschluss vom 13.03.2019 ‑ I R 18/19, BFHE 265, 23, Rz 53, 66 f., 69 ff.), oder ob es sich unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (s. oben un­ter II.3.b cc) um eine "bestehende" Beihilferegelung im Sinne des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 AEUV handeln könnte.

e) Sollte der Kläger mit den von ihm zur Abstimmung gestellten Meinungen in Einzelfällen gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen verstoßen haben, hat das FG im Übrigen zu entscheiden, ob bei lediglich vereinzelten Verstößen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der ihm innewohnende Baga­tellvorbehalt dem Verlust der Gemeinnützigkeit entgegenstehen kann (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2020 ‑ V R 5/17, BFHE 268, 415, BStBl II 2021, 55, Rz 61).

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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