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BFH: Umsatzsteuerrechtliche Organschaft in der Insolvenz

  1. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.
  2. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft.
  3. Die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaft ändert hieran nichts.

BFH-Urteil vom 15.12.2016, V R 14/16 (veröffentlicht am 15.3.2017)

UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
MwStSystRL Art. 11
InsO §§ 270 ff., 276a

Vorinstanz: Hessisches FG vom 15.2.2016 6 K 2013/12 (EFG 2016 S. 863 = SIS 16 13 05)

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, übte im Streitzeitraum eine unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Ihre alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer waren A, B und C.

Die Klägerin war unmittelbar oder über die Tochtergesellschaft D-GmbH Alleingesellschafter der E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH und J-GmbH. Mit Ausnahme der J-GmbH war A bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH waren N, der bei der Klägerin zugleich in leitender Funktion tätig war, und C.

Für den Zeitraum bis zum 1.5.2012 gingen die Klägerin und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) übereinstimmend davon aus, dass alle sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Klägerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG waren.

Am ... stellte die Klägerin beim zuständigen Amtsgericht (AG) Insolvenzantrag für sich und ihre Tochtergesellschaften und beantragte Eigenverwaltung, wie sich aus den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Steuerakten ergibt. Das zuständige AG bestellte noch am gleichen Tag P zum vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Klägerin berechtigt ist, unter Aufsicht des P als vorläufigen Sachwalter ihr Vermögen weiter zu verwalten und darüber zu verfügen.

Mit Beschluss vom ... eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und zeitgleich auch für die sechs Tochtergesellschaften. Für alle Verfahren ordnete das Insolvenzgericht Eigenverwaltung i.S. von § 270 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an, bestellte wiederum P jeweils zum Sachwalter und setzte Gläubigerausschüsse ein. In allen Eröffnungsbeschlüssen ordnete es an, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe und schuldbefreiende Leistungen nur an diese zu erfolgen haben.

Die für die Klägerin sowie deren Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das FA in der Annahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ am 5.7.2012 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 gegenüber der Klägerin in Höhe von ... €. Die Vorauszahlungen der Tochtergesellschaften wurden durch die Bescheide vom 24.7.2012 auf 0 € festgesetzt. Die I-GmbH wurde bei der Festsetzung vom 5.7.2012 noch nicht berücksichtigt, sondern erst bei Erlass des Änderungsbescheids vom 18.10.2012.

Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg. Das FG ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 863 veröffentlichten Urteil davon aus, dass die Organschaft zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften auch nach der Insolvenzeröffnung fortbestanden habe. Im Insolvenzverfahren der Klägerin sei der Umsatzsteueranspruch auch insoweit Masseverbindlichkeit, als er auf die Umsatztätigkeit der Tochtergesellschaften entfalle. Zudem sei der sich aufgrund der Organschaft ergebende Ausgleichsanspruch des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft Masseforderung. Die Eingliederungsvoraussetzungen lägen unverändert weiter vor. In Bezug auf die finanzielle Eingliederung habe sich aus der Insolvenz der Tochtergesellschaften keine Änderung ergeben. Auch die organisatorische Eingliederung habe aufgrund der personellen Verflechtung über die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften fortbestanden. Im Verfahren der Eigenverwaltung ändere sich hieran durch die §§ 275, 276 und 277 InsO nichts. Ebenso sei auch die wirtschaftliche Eingliederung weiterhin gegeben gewesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Es fehle sowohl an der organisatorischen wie auch an der finanziellen Eingliederung. Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz widerspreche der Organschaft. Aus der Bestellung einer Person in mehreren Verfahren zum Sachwalter ergebe sich kein Indiz für eine gleichgerichtete Interessenlage bei den Insolvenzschuldnern. Der Sachwalter habe die Trennung der einzelnen Vermögensbereiche zu beachten. Es gebe keine Konzernleitungsmacht in der Insolvenz. Eine Durchsetzung gegen Gläubigerausschüsse sei nicht möglich. Es dürfe nicht zu Verteilungseffekten zwischen den Gläubigern unterschiedlicher Konzerngesellschaften kommen. Auch bei der Eigenverwaltung habe die Gesellschafterversammlung keinen Einfluss auf die Geschäftsführung mehr. Es bestehe zudem keine alleinige Befugnis zur Abberufung von Geschäftsführern mehr. Hieran ändere sich auch nichts unter Berücksichtigung von Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 vom 5.7.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.8.2012, geändert durch Bescheid vom 18.10.2012, aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz verlange keine Beendigung der Organschaft. Bei der Eigenverwaltung stehe die Unternehmenssanierung, nicht aber die Verwertung des Unternehmens im Vordergrund. Die Existenz eines Sachwalters sei unschädlich. Aus dem Grundsatz des Einzelverfahrens ergebe sich nur, dass über jede Vermögensmasse ein eigenes Verfahren zu eröffnen ist. Die Organschaft kläre nur die Frage, wie sich diese Vermögensmasse zusammensetzt. Aus dem Insolvenzrecht folge keine Änderung der Vermögensmasse. Der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beeinflusse die Frage der Verbindlichkeitsbegründung nur im Rahmen der Entscheidungskompetenz eines Insolvenzverwalters. Auch soweit der Umsatzsteueranspruch auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft entfalle, liege eine Masseverbindlichkeit im Verfahren des Organträgers vor. Zudem sei der Ausgleichsanspruch des Organträgers im Verfahren der Organgesellschaft Masseverbindlichkeit. Die Eingliederungsvoraussetzungen hätten weiter vorgelegen.

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen dem Urteil des FG hat die Organschaft im Streitfall mit der Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögensmassen des Organträgers und der Organgesellschaften geendet. Dem steht die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Verfahren nicht entgegen.

1. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.

a) Umsatzsteuerrechtlich begründet die Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen.

aa) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Erhebungsgebiet gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 11 MwStSystRL führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin vom 22.5.2008 C-162/07, EU:C:2008:301, Rz 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen, vgl. auch EuGH-Urteile Kommission/Irland vom 9.4.2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 35 ff., und Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16.7.2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:496). Aufgrund dieser Verschmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe als "Steuereinnehmer" für den gesamten Organkreis wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II.3.a, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung).

bb) Aufgrund der Zusammenfassung zu einem Unternehmen ist der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen. Der Organträger übernimmt die - nach § 370 AO strafbewährte - Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person (BFH-Urteil vom 2.12.2015 V R 15/14, BFHE 252, 158, unter II.1.a dd (2). So sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen (BFH-Urteil vom 19.5.2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteil vom 19.10.1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2.). Leistungsbeziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sind demgegenüber als Innenumsätze nichtsteuerbar und begründen kein Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteil vom 17.1.2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, Leitsatz 2). Die vom Organkreis geschuldete Steuer ist einheitlich in einem gegenüber dem Organträger zu erlassenden Steuerbescheid festzusetzen.

b) Anders als das Umsatzsteuerrecht mit der Organschaft fasst das Insolvenzrecht die Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen.

aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch für das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit wie z.B. einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft.

bb) Das Insolvenzrecht enthält keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen (zur Reformüberlegung, vgl. z.B. Siemon, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz 2014, 55, und Verhoeven, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2014, 217). Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzrechtlich selbständig. Dabei scheidet die Bildung einer einheitlichen Haftungsmasse bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften aus, da ansonsten der unterschiedliche Umfang der Gläubigerrechte, wie sie im Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzschuldnern bestehen, missachtet würde (vgl. Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 11 Rz 394). Die Insolvenz eines herrschenden Unternehmens erstreckt sich daher nach geltendem Recht nur auf dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner Tochtergesellschaften (Hirte in Uhlenbruck, a.a.O., § 11 Rz 395). Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften und Personen sind dementsprechend trotz konzernmäßigen Verbundes getrennt abzuwickeln, so dass es keine Konzerninsolvenz gibt (Peters in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 72; vgl. Ehricke in Jaeger, Insolvenzordnung, 2004, § 11 Rz 32).

c) Danach entfällt die Organschaft mit der Insolvenzeröffnung beim Organträger.

aa) Der Senat hat bereits für die nach der Konkursordnung bestehende Rechtslage entschieden, dass eine Organschaft mit dem Konkurs des Organträgers enden kann (BFH-Urteil vom 28.1.1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.). Der Senat hat hierfür insbesondere angeführt, konkursrechtlich sei zwischen dem Vermögen des Organträgers und dem Vermögen der Organgesellschaft zu unterscheiden. Während das Vermögen des Organträgers in die Konkursmasse falle, bleibe das Vermögen der Organgesellschaft konkursfrei. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten des Organträgers zähle zu den Massekosten oder Masseschulden, sei aus der Konkursmasse zu berichtigen und in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organgesellschaft sei nicht aus der Konkursmasse zu berichtigen und dementsprechend auch nicht in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen (BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.).

bb) Dementsprechend ist unter der Geltung der Insolvenzordnung zu beachten, dass das FA - bei Annahme eines Fortbestands der Organschaft - den sich für den Organkreis ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festsetzen kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Unternehmers - hier des Organträgers - handelt.

Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit der Insolvenzmasse nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich um eine "durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet[e]" Verbindlichkeit handelt (BFH-Urteil vom 29.1.2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Dies gilt aber nur für den Umsatzsteueranspruch aus der eigenen Umsatztätigkeit des bisherigen Organträgers, nicht aber auch für den Umsatzsteueranspruch, der auf die Umsatztätigkeit seiner bisherigen Organgesellschaften entfällt. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit dieser Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, die sich auf das rechtlich eigene Vermögen des bisherigen Organträgers bezieht und sich nicht auf das Vermögen der bisherigen Organgesellschaften erstreckt, wie sich insbesondere aus § 35 Abs. 1 InsO ergibt. Zur Insolvenzmasse des Organträgers gehört daher nur seine Beteiligung an der Organgesellschaft, nicht aber auch das Vermögen der Organgesellschaft.

Daher begründet die Umsatztätigkeit der bisherigen Organgesellschaft in der Insolvenz des bisherigen Organträgers keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Hierdurch wird entgegen Wagner/Fuchs (Betriebs-Berater - BB - 2014, 2583, 2584) nicht das "Entstehen einer (Steuer-)Forderung von ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung abhängig" gemacht. Vielmehr führt die auch umsatzsteuerrechtlich zu beachtende insolvenzrechtliche Trennung dazu, dass sich der Umsatzsteueranspruch aus der Umsatztätigkeit der bisherigen Organgesellschaft nunmehr gegen diese richtet. Bei der Annahme einer fortbestehenden Organschaft bestünde demgegenüber für das FA nur die Möglichkeit, einen auf die eigene Umsatztätigkeit des Organträgers beschränkten Steuerbescheid zu erlassen und die Organgesellschaft als Haftende nach § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Dies ist mit dem umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz der organschaftlichen Unternehmenseinheit und der mit der Organschaft bezweckten Verwaltungsvereinfachung (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 252, 158, unter II.1.a aa) nicht vereinbar.

d) Soweit das FA hiergegen einwendet, dass bei der Eigenverwaltung die Unternehmenssanierung, nicht aber die Verwertung des Unternehmens im Vordergrund stehe, berücksichtigt es nicht, dass die Ziele des Insolvenzverfahrens (§ 1 InsO) nichts am Umfang der dem Insolvenzverfahren unterliegenden Haftungsmasse ändern. Nur soweit durch die Insolvenzmasse Umsatzsteueransprüche begründet werden, liegen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten vor.

Damit ist auch die Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren des Organträgers ohne Bedeutung. Denn sie ändert nichts an der insolvenzrechtlichen Verfahrenstrennung.

2. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft, da zu diesem Zeitpunkt die finanzielle Eingliederung entfällt (zur Beendigung bereits mit Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, vgl. BFH-Urteile vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, und vom 24.8.2016 V R 36/15, BFH/NV 2017, 242).

a) Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG insbesondere eine Eingliederung in finanzieller Hinsicht voraus. Der Organträger muss finanziell in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22.11.2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30.4.2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22.4.2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1.12.2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.; vom 7.7.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a, und in BFHE 242, 433, unter II.2.a). Maßgeblich ist hierfür die "Stimmenmehrheit" (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd) und damit eine Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft von über 50 v.H. der gesamten Stimmrechte, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a).

Die finanzielle Eingliederung ist nicht Selbstzweck, sondern stellt sicher, dass eine Person nur dann Organträger einer juristischen Person sein kann, wenn sie die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte gegenüber den Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen der juristischen Person ausüben kann. Sie ist somit die Grundlage dafür, dass für den Organträger aufgrund der Gesamtheit der Eingliederungsvoraussetzungen eine Durchgriffsmöglichkeit auf die Organgesellschaft besteht, die es dem Organträger ermöglicht, die ihm nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zugeordnete Verantwortung für die Besteuerung der Umsatztätigkeit des gesamten Organkreises zu übernehmen (BFH-Urteil in BFHE 252, 158, unter II.1.a dd (2). Dementsprechend setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 252, 158, unter II.2.a).

b) Im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft entfällt ihre Eingliederung in den Organträger.

aa) Bestellt das Insolvenzgericht im Verfahren einen Insolvenzverwalter, folgt dies bereits daraus, dass das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht (vgl. BFH-Urteile vom 13.3.1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; vom 21.6.2001 V R 68/00, BFHE 195, 446, BStBl II 2002, 255, unter II.1.). Der erkennende Senat hält an dieser zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung auch unter der Geltung der Insolvenzordnung fest, ohne dass dabei zu entscheiden ist, ob die Eingliederung in finanzieller oder in organisatorischer Hinsicht oder aus mehreren Gründen endet.

bb) Die Eingliederung entfällt auch, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO anordnet, da dann die finanzielle Eingliederung endet.

(1) Zwar ist der Schuldner und damit die Organgesellschaft gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen.

Die für die Organschaft erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt aber gleichwohl. Denn ist der Schuldner - wie die Tochtergesellschaften der Klägerin - eine juristische Person, so haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe gemäß § 276a Satz 1 InsO keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners mehr. Zudem ist die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt (§ 276a Satz 2 InsO). Die Vorschrift ist gemäß Art. 103g Satz 1 des Einführungsgesetzes der Insolvenzordnung auf die Insolvenzverfahren, die seit dem 1.3.2012 beantragt worden sind, und damit auch im Streitfall anzuwenden.

(2) § 276a InsO entzieht der für die Organschaft erforderlichen finanziellen Eingliederung die Grundlage. Denn die Überwachungsorgane haben bei der Eigenverwaltung keine weiter gehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung als im Falle der Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter (BTDrucks 17/5712, S. 63; Klöhn, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2014, § 276a, Rz 4). Die Überwachung obliegt bei der Eigenverwaltung stattdessen dem Sachwalter, dem Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung. Zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten von Aufsichtsrat oder Gesellschafterversammlung könnten in dieser Situation "wenig nützen, wohl aber hemmend und blockierend wirken" (Landfermann in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2016, § 276a, Rz 3). Die durch § 276a InsO angeordnete Beschränkung der Organkompetenzen (Klöhn, a.a.O., Rz 12) führt zu einer Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenverwaltung (Klöhn, a.a.O., Rz 5). Das durch § 276a InsO angeordnete Verbot der Einflussnahme umfasst nicht nur unmittelbare Einwirkungen, sondern auch mittelbare, wie Einsichts- und Informationsrechte, um einen unbeeinflussten Zustand herzustellen, mithin die Unabhängigkeit der Geschäftsleitung von den Organen der Gesellschaft zu sichern (Zipperer in Uhlenbruck, a.a.O., § 276a, Rz 6).

(3) Danach ist im Streitfall auch die finanzielle Eingliederung wegen § 276a InsO entfallen. Zwar war es der Klägerin auch unter Beachtung von § 276a InsO möglich, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen. Kommt diesen aber wegen § 276a InsO keine Bedeutung mehr zu, besteht keine finanzielle Eingliederung mehr. Es wäre sinnlos, für die "finanzielle Eingliederung allein auf die rechtliche Möglichkeit zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen" (Wagner/Fuchs, BB 2014, 2583, 2588) abzustellen, da die finanzielle Eingliederung kein Selbstzweck ist (s. oben II.2.a). Soweit Möhlenkamp/Möhlenkamp (Deutsches Steuerrecht 2014, 1357, unter 4.2.2) hiergegen einwenden, dass § 276a InsO einer anderweitig begründeten organisatorischen Eingliederung nicht entgegenstehe, berücksichtigen sie nicht hinreichend, dass diese Vorschrift bereits die finanzielle Eingliederung entfallen lässt. Die Beendigung der Organschaft entspricht damit den gesetzlichen Auflösungsgründen bei juristischen Personen (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und § 262 Abs. 1 Nr. 3 des Aktiengesetzes).

c) Auf die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch des Organträgers gegen die Organgesellschaft in der Insolvenz der Organgesellschaft Masseverbindlichkeit ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 19.3.2014 V B 14/14, BFHE 244, 156, unter II.4.b bb), kommt es somit nicht mehr an.

3. Die Bestellung des P als Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaften ändert hieran nichts. Ebenso wie bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters in den Insolvenzverfahren von Organträger und Organgesellschaft ist dies für die insolvenzrechtliche Verfahrenstrennung, die in der Insolvenz des Organträgers gegen einen Fortbestand der Organschaft spricht, ohne Bedeutung (s. oben II.1.b und c). Zudem kommt es auch bei Personenidentität des Sachwalters zur Anwendung von § 276a Satz 1 InsO (s. oben II.2.b bb). Im Hinblick auf diese Sondervorschrift ist, anders als unter der Geltung der Konkursordnung, nicht mehr davon auszugehen, dass eine Organschaft trotz Insolvenzeröffnung bei Organträger und Organgesellschaft fortbestehen kann (zur Konkursordnung, vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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