BFH: „Finanzielle Eingliederung“ bei unterjährigem qualifizierten Anteilstausch

  1. Stellt bei einem qualifizierten Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 der übernehmende Rechtsträger (Organträger) den Antrag, die Anteile unter dem gemeinen Wert anzusetzen, tritt er hinsichtlich des Merk­mals der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 in die Rechts­stellung des übertragenden Rechtsträgers ein; dass der umwandlungssteuerli­che Übertragungsstichtag im Fall des Anteilstauschs nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen werden kann, ist hier­für unerheblich (Bestätigung und Fortentwicklung der Senatsurteile vom 28.07.2010 ‑ I R 89/09, BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 = SIS 10 33 13 und I R 111/09, BFH/NV 2011, 67 = SIS 10 39 95, sog. Fußstapfentheorie).
  2. Die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge in die finanzielle Eingliede­rung setzt nicht voraus, dass beim übertragenden Rechtsträger sämtliche Vor­aussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft erfüllt waren.

KStG § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UmwStG 2006 § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 Satz 3, § 23 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 2

BFH-Urteil vom 11.7.2023, I R 40/20 (veröffentlicht am 23.11.2023)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 29.9.2020, 6 K 2704/17 K = SIS 20 18 30

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Jahr 2010 (Streitjahr) die Vorausset­zungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als Organgesellschaft und der B‑GmbH als Organträgerin erfüllt sind.

Die Klägerin, eine im Jahr 2008 gegründete GmbH, war zunächst zu jeweils 30 % an der D‑KG als Kommanditistin und an deren Komplementär-GmbH als Gesellschafterin beteiligt. Alleingesellschafter der Klägerin war C, der auch die übrigen 70 % an der D‑KG und deren Komplementär-GmbH als Kommanditist beziehungsweise Gesellschafter hielt.

Mit Vertrag vom …01.2010 brachte C seine Kommanditbeteiligung an der D‑KG und seine Anteile an der Komplementär-GmbH rückwirkend zum 01.01.2010 (00:00 Uhr) zu Buchwerten in die Klägerin ein. Ebenfalls am …01.2010 gründete er als Alleingesellschafter die B‑GmbH und erbrachte die Stammeinlage durch Einbringung seiner Beteiligung an der Klägerin mit wirt­schaftlicher Wirkung zum 15.01.2010. Darüber hinaus schloss die B‑GmbH am …01.2010 mit der Klägerin einen "Beherrschungs- und Gewinnabführungsver­trag" (EAV), der am …02.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Verpflichtung zur Gewinnabführung galt erstmals für den gesamten Gewinn des Geschäftsjahres, in dem der EAV wirksam wurde. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin entsprach im Streitjahr dem Kalenderjahr.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsklä­ger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft für das Streitjahr nicht an und erließ nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid. Da die B‑GmbH erst im Streitjahr gegründet worden sei und das Gesetz für den Fall des An­teilstauschs keine Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung regele, fehle zum Beginn des Streitjahres der Organgesellschaft (Klägerin) die finanzielle Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung ‑‑KStG‑‑). In der Folge qualifizierte das FA die Gewinnabführung der Klägerin von … € als Gewinnausschüt­tung an die B‑GmbH und setzte die Körperschaftsteuer auf … € fest. Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der hiergegen gerichteten Klage mit Urteil vom 29.09.2020 ‑ 6 K 2704/17 K (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1782) statt. Auf Grundlage der vom Bundesfinanzhof (BFH) in den Ur­teilen vom 28.07.2010 ‑ I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528) und I R 111/09 (BFH/NV 2011, 67) angewendeten sogenannten Fußstapfentheorie trete die Klägerin nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 des Umwandlungssteuergesetzes 2006 in der für das Streitjahr geltenden Fas­sung (UmwStG) umfassend in die steuerliche Rechtsstellung des übertragen­den Rechtsträgers ein. In der Folge werde in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 14.01.2010 die finanzielle Eingliederung zwischen der Klägerin und C (auch) der B‑GmbH als Rechtsnachfolgerin des C zugerechnet. Dass § 21 UmwStG für den Fall eines reinen Anteilstauschs nicht auf die Regelungen zur umwand­lungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG verweise, sei unerheblich.

Das FA macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft im Streitjahr erfüllt waren.

  1. Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Or­gangesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes ge­werbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesell­schaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Or­ganträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Zu diesen Voraussetzun­gen gehört unter anderem, dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Darüber hinaus muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschafts­jahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG).

Sofern sich eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapi­talgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (und damit auch eine inländische GmbH) wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen, gelten nach § 17 Satz 1 KStG die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend. Darüber hinaus sind die zusätzli­chen Voraussetzungen des § 17 Satz 2 KStG zu berücksichtigen.

  1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen der B‑GmbH als Or­ganträgerin und der Klägerin als Organgesellschaft für das Streitjahr eine wirksame Organschaft im Sinne des § 14 KStG bestand. Insbesondere war die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) schon vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin (01.01.2010) an erfüllt.

a) Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 28.07.2010 ‑ I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528) und I R 111/09 (BFH/NV 2011, 67) zu den Aus­wirkungen umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge auf das Tatbestandsmerk­mal der finanziellen Eingliederung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG erkannt und für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Or­gangesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 entscheidend auf die Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 abgestellt. Aus diesen Vorschriften folge, dass die übernehmen­de Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintrete (sogenannte Fußstapfentheorie). Dies gelte auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzun­gen. Deshalb sei es ausreichend, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragen­den Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger beste­he. Ob die finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur ist und ob dieses Merkmal von der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 erfasst wird, blieb in diesen Urteilen offen.

b) Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Sie ist auf den Streitfall übertragbar, obwohl hier ‑‑abweichend zu den Sachverhalten, die den Urteilen vom 28.07.2010 ‑ I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528) und I R 111/09 (BFH/NV 2011, 67) zugrunde lagen‑‑ der Beginn des Wirtschafts­jahres der Organgesellschaft (01.01.2010) nicht mit dem umwandlungssteu­erlichen Übertragungsstichtag (15.01.2010) zusammenfällt und ein Fall des Anteilstauschs nach § 21 UmwStG vorliegt, bei dem wegen des fehlenden Ver­weises auf § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG in § 21 Abs. 2 Satz 6 UmwStG eine um­wandlungssteuerliche Rückwirkung auch nicht möglich gewesen wäre. Denn der übernehmende Rechtsträger tritt hinsichtlich der finanziellen Eingliederung auch dann nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG in die Rechts­stellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerli­che Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Or­gangesellschaft zurückbezogen wird oder werden kann. Dies gilt durch den Verweis in § 23 Abs. 1 UmwStG auf § 12 Abs. 3 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG auch in der Konstellation des Streitfalls.

aa) Der Umstand, dass die Fragen, ob die finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur ist und ob dieses Merkmal von der umwandlungs­steuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 erfasst wird, in den Senatsurteilen vom 28.07.2010 ‑ I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528) und I R 111/09 (BFH/NV 2011, 67) offen bleiben konnten, hat bereits deutlich gemacht, dass allein die um­wandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG zur finanziellen Eingliederung in den übernehmenden Rechts­träger (Organträger) führen kann und nicht zusätzlich die Voraussetzungen einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung auf den Beginn des Wirt­schaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen müssen. Die Rechtsinstitute der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge und der umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung stehen gleichberechtigt nebeneinander; sie können den glei­chen Zeitraum betreffen, müssen es aber nicht. Dies entspricht im Ergebnis auch der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 206 f.; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, UmwStG Anhang 1 Rz 22a; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 949; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., Anhang 4 "Umwandlungen und Organschaft", Rz 44 f.; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 116; Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 294; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 158a und 523; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 224; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl, Umwandlungsgesetz/Umwandlungs­steuergesetz, 9. Aufl., § 12 UmwStG Rz 84; Wisniewski in Haritz/Menner/Bilitewski, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl., § 12 Rz 90; Beinert/M. Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 12.65; Brühl, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2021, 313, 315; Hierstetter in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 20.42; Klauck, Der Steuerbe­rater 2023, 161, 164 ff.; Prinz/Solowjeff, Der Betrieb 2023, 1433, 1438 f.; Pichler, Die ertragsteuerliche Organschaft im Umwandlungssteuerrecht, 2015, S. 195 ff.; Rödder, DStR 2011, 1053, 1054; Schneider/Ruoff/Sistermann, Fi­nanz-Rundschau 2012, 1, 11; Walter, GmbH-Rundschau ‑‑GmbHR‑‑ 2020, 1098, 1100; Walter, GmbHR 2021, 226, 228; wohl auch Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz 468.0.1). Für die Ge­genauffassung der Finanzverwaltung (Bundesministerium der Finanzen ‑‑BMF‑‑, Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz Org.02 Satz 2 und 02.03; vgl. auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., § 2 Rz 60) sind im Wortlaut des § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG und im Zweck dieser Regelungen keine Anhaltspunkte erkennbar.

Die Anwendung der Fußstapfentheorie ist dabei auch nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen das Unternehmen der Organgesellschaft zuvor ein Teil­betrieb des übertragenden Rechtsträgers war. Mit seinen Ausführungen zur Teilbetriebseigenschaft als "stärkste Form der Eingliederung" hat der Senat in dem Urteil vom 28.07.2010 ‑ I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528) lediglich begründet, weshalb die Fußstapfentheorie auch auf eine Sachver­haltskonstellation ausgedehnt wurde, bei der die für die finanzielle Eingliede­rung maßgebliche Beteiligung an der Organgesellschaft erst durch eine rück­wirkende Ausgliederung entstanden war.

Darüber hinaus steht einer Anwendung der Fußstapfentheorie nicht entgegen, dass es im Streitfall nicht um die Fortführung einer bereits beim übertragen­den Rechtsträger bestehenden Organschaft geht, sondern die körperschaft­steuerrechtliche Organschaft zwischen der B‑GmbH und der Klägerin neu be­gründet wurde. Denn die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge bezieht sich nicht auf die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft als solche, sondern auf die einzelnen Merkmale einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft, soweit sie von § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG erfasst werden. Damit setzt sie nicht voraus, dass beim übertragenden Rechtsträger sämtliche Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft erfüllt wa­ren.

bb) Die Regelungen über die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge gelten nach § 23 Abs. 1 UmwStG auch für die Fälle des Anteilstauschs (§ 21 UmwStG), wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ ein qualifizierter Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG vorliegt und die übernehmende Gesellschaft (B‑GmbH) einen Antrag gestellt hat, die Anteile mit einem unter dem gemei­nen Wert liegenden Wert anzusetzen (vgl. auch Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 216; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., Anh. 4 Rz 42; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 159b; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 224 und 303; Beinert/M. Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 12.65; Hasbach, Der Konzern 2020, 378, 382; Witt in Prinz/Witt, Steuerliche Organ­schaft, 2. Aufl., Rz 6.17; a.A. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz Org.15).

cc) Das FA kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die körperschaft­steuerrechtliche Organschaft als systematische Durchbrechung des steuer­rechtlichen Subjektprinzips eine restriktive Auslegung zur Folge haben müsse.

Zwar folgt aus dem Ausnahmecharakter der Organschaft eine grundsätzlich strenge Auslegung der gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft (vgl. Senatsurteile vom 02.11.2022 ‑ I R 29/19, BFHE 278, 469, BStBl II 2023, 405 und I R 37/19, BFHE 278, 480, BStBl II 2023, 409; jeweils m.w.N.). In Umwandlungsfällen werden diese Regelungen aber durch die umwandlungssteuerrechtlichen Vor­schriften ergänzt. Diese sehen in § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG eine umfassende umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge vor (zum Verhält­nis von § 12 Abs. 3 UmwStG zu § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG vgl. auch Kahle/Liedgens, Deutsche Steuer-Zeitung 2023, 533, 542 f., m.w.N.), die durch den Verweis in § 23 Abs. 1 UmwStG auch für den Streitfall gilt. Selbst eine grundsätzlich enge Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen kann nicht dazu führen, diese umwandlungssteuerrechtlichen Sonderregelungen zu negieren, zumal das Merkmal der finanziellen Eingliederung nicht personenge­bunden ist, sondern der Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft anhaf­tet, die mit der Umwandlung auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Aus Sicht der Organgesellschaft ändert die Umwandlung auf der Ebene des Organträgers nichts an der "Eingliederung" in ein anderes Unternehmen.

Dabei ist der Umstand, dass die B‑GmbH zum 01.01.2010 noch nicht rechtlich existierte, für das Konzept der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG unerheblich (vgl. Brühl/Weiss, Die Unternehmensbesteuerung 2020, 715, 720). Maßgebend ist allein die Stellung des übertragenden Rechtsträgers, in die der übernehmende Rechtsträger zum Zeitpunkt der Rechtsnachfolge eintritt.

Im Übrigen führt ein umfassendes Verständnis der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge auch nicht dazu, dass die Regelungen zur umwandlungssteu­erlichen Rückbeziehung obsolet werden. Dies zeigt sich schon daran, dass die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nicht für sämtliche Umwandlungen des Umwandlungssteuergesetzes Anwendung findet (vgl. § 23 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 UmwStG). Außerdem bleibt die umwandlungssteuerliche Rück­beziehung insbesondere dann von Bedeutung, wenn es um die Zurechnung des Einkommens geht, das die Organgesellschaft in einem bereits abgeschlos­senen Wirtschaftsjahr erzielt hat (vgl. hierzu Pichler, Die ertragsteuerliche Or­ganschaft im Umwandlungssteuerrecht, 2015, S. 201 ff.).

dd) Soweit das FA einwendet, dass ohne Berücksichtigung des umwandlungs­steuerlichen Übertragungszeitpunkts eine zeitgleiche Zuordnung der Beteili­gung an der Organgesellschaft zu zwei verschiedenen Konzernen möglich sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Übergang der finanziellen Eingliederung im Wege der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nicht mit einer Ver­doppelung des Zuordnungssubjekts gleichgesetzt werden kann. Insbesondere bedeutet dies nicht, dass es entgegen der gesetzlichen Systematik (Abführung des ganzen Gewinns an "ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen") auch zu einer Zurechnung desselben Gewinns der Organgesellschaft zu zwei verschiedenen Organträgern kommen kann.

Wird bei der Organgesellschaft zum umwandlungssteuerlichen Übertragungs­stichtag ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet, ist nur der ab diesem Zeitpunkt erzielte Gewinn an den (neuen) Organträger abzuführen und diesem steuerlich zuzurechnen. Wird dagegen ‑‑wie im Streitfall‑‑ kein Rumpfwirtschaftsjahr ge­bildet, ist handelsrechtlich keine Zwischenbilanz aufzustellen. Der zivilrechtli­che Anspruch auf Gewinnabführung richtet sich hier allein danach, wer am En­de des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft nach dem Gewinnabführungs­vertrag anspruchsberechtigter Organträger ist (vgl. auch Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 523; BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz Org.19 Satz 2). Auch das Steuerrecht knüpft in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG an den gesamten Gewinn nach dem handelsrechtlichen Jahresabschluss zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an, so dass ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ keine Rechtsgrundlage für eine zeitanteilige unterjäh­rige Einkommenszurechnung besteht (Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, UmwStG Anhang 1 Rz 22b; Walter, GmbHR 2021, 226, 228; vgl. auch BFH-Urteil vom 28.02.2013 ‑ IV R 50/09, BFHE 240, 270, BStBl II 2013, 494 zum unterjährigen Gesellschafterwechsel bei einer Organ­träger-Personengesellschaft). Damit ist das Einkommen der Organgesellschaft in vollem Umfang ausschließlich demjenigen Rechtsträger zuzurechnen, der am Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft die Rechtsstellung eines Organträgers inne hatte.

Die zivilrechtliche Notwendigkeit einer Zwischenbilanz bei unterjähriger Been­digung oder unterjährigem Beginn des EAV (vgl. hierzu Urteil des Bundesge­richtshofs vom 14.12.1987 ‑ II ZR 170/87, BGHZ 103, 1; Koch, Aktiengesetz, 17. Aufl., § 302 Rz 11) sowie die steuerliche Rückwirkung der unterjährigen Beendigung eines EAV aus wichtigem Grund (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 und 3 KStG) führen im Streitfall schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil ein EAV erstmals zwischen der B‑GmbH als Organträgerin und der Klägerin als Or­gangesellschaft abgeschlossen wurde (zur Fortführung einer bestehenden Or­ganschaft vgl. die Senatsurteile vom 11.07.2023 ‑ I R 21/20, I R 36/20 und I R 45/20, jeweils zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

ee) Soweit kritisiert wird, die alleinige Maßgeblichkeit der umwandlungssteu­erlichen Rechtsnachfolge führe zu Missbrauchs- und Gestaltungsmöglichkeiten (insbesondere zur Nutzung von Verlusten entgegen § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und zur Übertragung von Verlusten der Organgesell­schaft im Rahmen des § 8c Abs. 1 Satz 1 und 5 KStG), weist der Senat darauf hin, dass das Gesetz auch an anderen Stellen eine nachträgliche Rückbezie­hung körperschaftsteuerrechtlicher Organschaftsvoraussetzungen zulässt. Ins­besondere muss der Gewinnabführungsvertrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG nicht vor Beginn des ersten Organschaftsjahres abgeschlossen werden, son­dern es reicht aus, dass er bis zum Ende des ersten Organschaftsjahres zivil­rechtlich wirksam wird. Regelungen dieses Inhalts verdeutlichen, dass den Rechtsfolgen einer Rückbeziehung nicht allgemein der Einwand etwaiger Miss­brauchs- oder Gestaltungsmöglichkeiten entgegengehalten werden kann.

ff) Der weitere Einwand des FA, eine umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge helfe im Streitfall schon deshalb nicht weiter, weil C eine Privatperson und mangels gewerblicher Tätigkeit kein tauglicher Organträger sei, berücksichtigt das Senatsurteil vom 24.07.2013 ‑ I R 40/12 (BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272) nicht ausreichend. Danach muss die gewerbliche Tätigkeit des Organträ­ger nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorlie­gen. In der Folge ist es nicht erforderlich, der B‑GmbH zusätzlich zur finanziel­len Eingliederung auch eine gewerbliche Tätigkeit des übertragenden Rechts­trägers zuzurechnen.

c) Schließlich kann sich das FA auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich aus jüngeren Senatsentscheidungen eine abweichende Rechtsauffassung er­gebe.

Dies betrifft zunächst das Senatsurteil vom 10.05.2017 ‑ I R 19/15 (BFHE 258, 344, BStBl II 2019, 81). Dort ging es darum, dass die Anteile an der Organge­sellschaft erst zeitlich nach dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesell­schaft, auf den es gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG ankommt, im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben worden waren. Deshalb konnte eine nachfolgende umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge gemäß § 12 Abs. 3 UmwStG nicht dazu führen, dass die finanzielle Eingliederung schon ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorgelegen hat. Die finan­zielle Eingliederung lag auch beim übertragenden Rechtsträger zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht vor. Der übernehmende Rechtsträger kann aber nur in eine solche Rechtsstellung eintreten, die der übertragende Rechtsträger be­reits inne hatte.

Auch der Senatsbeschluss vom 05.11.2014 ‑ I B 34/14 (BFH/NV 2015, 356) führt zu keinen gegenteiligen Erkenntnissen. Die Anwendung der Fußstapfen­theorie nach § 12 Abs. 3 UmwStG auf das Tatbestandsmerkmal der finanziel­len Eingliederung scheiterte dort schon daran, dass es um eine Abspaltung zur Aufnahme auf Ebene der Organgesellschaft ging. Deshalb sah der Senat kei­nen Anhaltspunkt, dass § 12 Abs. 3 UmwStG auf Ebene des Organträgers dazu führen könnte, gegenüber der neuen Organgesellschaft die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung zu erfüllen.

Aus dem Senatsurteil vom 16.04.2014 ‑ I R 44/13 (BFHE 245, 248, BStBl II 2015, 303) lassen sich schließlich ebenfalls keine abweichenden Schlüsse zie­hen. Zwar hat der Senat zum gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 2a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2009 (GewStG 2009) entschie­den, dass für das dortige stichtagsbezogene Beteiligungserfordernis (Beteili­gung von mindestens 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums) weder § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG noch § 12 Abs. 3 UmwStG anwendbar seien. Maßge­bend war hierfür aber die Abgrenzung zwischen rein stichtagsbezogenen Betei­ligungserfordernissen und solchen, für die es auf einen Zeitraum ankommt. Die finanzielle Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG muss aber ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an vorliegen und ist deshalb ‑‑abweichend zum Beteiligungserfordernis nach § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG 2009‑‑ gerade nicht stichtags‑, sondern zeitraum­bezogen. Soweit im Senatsurteil vom 10.05.2017 ‑ I R 51/15 (BFHE 258, 351, BStBl II 2018, 30) auch bei der finanziellen Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG von einer zeitpunktbezogenen Regelung gesprochen wird, diente dies lediglich der Abgrenzung zu Merkmalen, die nicht nur bezo­gen auf den Zeitraum des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, sondern bezogen auf die Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags vorliegen müssen.

  1. Soweit das FA im Revisionsverfahren (erstmals) geltend macht, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188 ‑‑KStG i.d.F. vom 20.02.2013‑‑) nicht erfüllt seien, erübrigen sich nähere Ausführungen. Zwar muss die Beteiligung an der Organgesellschaft nach dieser Vorschrift ununterbrochen während der gesamten Dauer der Or­ganschaft einer inländischen Betriebstätte (§ 12 AO) des Organträgers zuzu­ordnen sein; sie gilt nach § 34 Abs. 1 KStG i.d.F. vom 20.02.2013 aber erst ab dem Veranlagungszeitraum 2012 und damit noch nicht für das Streitjahr.
     
  2. Auch zu den übrigen Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft sieht der Senat von näheren Ausführungen ab. Zwischen den Be­teiligten besteht hierüber zu Recht kein Streit.
     
  3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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