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EuGH: Gebietsfremder Steuerpflichtiger, Diskriminierung gebietsfremder gegenüber gebietsansässigen Steuerpflichten

Direkte Besteuerung - Art. 43 EG - Gebietsfremder Steuerpflichtiger - Unternehmer - Recht auf Selbständigenabzug - Stundenkriterium - Diskriminierung gebietsfremder gegenüber gebietsansässigen Steuerpflichten - Gleichstellungsoption

EuGH-Urteil vom 18. März 2010, Rechtssache C-440/08

Art. 49 AEUV steht einer nationalen Regelung entgegen, die in Bezug auf die Gewährung einer Steuervergünstigung wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Selbständigenabzugs diskriminierende Wirkungen für gebietsfremde Steuerpflichtige hat, selbst wenn diese Steuerpflichtigen hinsichtlich der betreffenden Vergünstigung die Regelung wählen können, die für gebietsansässige Steuerpflichtige gilt.

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 43 EG.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Gielen und dem Staatssecretaris van Financiën über die Einkommensteuer für 2001.

Nationales Recht

3        Nach Art. 2.1 Buchst. b des Gesetzes von 2001 über die Einkommensteuer (Wet op de Inkomstenbelastingen 2001, im Folgenden: EStG 2001) sind natürliche Personen, die nicht in den Niederlanden wohnen, aber niederländische Einkünfte beziehen, einkommensteuerpflichtig.

4        Gemäß Art. 3.2 EStG 2001 gilt als steuerpflichtiger Gewinn der um den Selbständigenabzug verminderte Gewinn, den der Steuerpflichtige als Unternehmer aus einem oder mehreren Unternehmen erzielt.

5        Nach Art. 3.76 Abs. 2 EStG 2001 richtet sich der Umfang des Selbständigenabzugs nach der Höhe des Gewinns gemäß der in dieser Vorschrift enthaltenen degressiven Staffelung. Er beträgt 6 084 Euro für einen Gewinn von weniger als 11 745 Euro und sinkt mit Zwischenschritten bis auf 2 984 Euro für einen Gewinn von mehr als 50 065 Euro.

6        Gemäß Art. 3.76 Abs. 1 EStG 2001 gilt für das Recht auf Selbständigenabzug u. a. ein „Stundenkriterium“.

7        Dabei handelt es sich nach Art. 3.6 EStG 2001 um die während eines Kalenderjahrs erfolgte Aufwendung von mindestens 1 225 Stunden Arbeit für eines oder mehrere Unternehmen, aus dem bzw. denen der Steuerpflichtige als Unternehmer einen Gewinn erzielt.

8        Bei der Beurteilung, ob ein gebietsfremder Steuerpflichtiger dieses Kriterium erfüllt, werden nur die Stunden berücksichtigt, die für Arbeiten in einem Unternehmensteil aufgewendet werden, der mit Hilfe einer Betriebsstätte in den Niederlanden geführt wird.

9        Ein gebietsfremder Steuerpflichtiger, der als Einwohner eines anderen Mitgliedstaats in die Besteuerung durch diesen Mitgliedstaat einbezogen wird, kann sich jedoch gemäß Art. 2.5 Abs. 1 EStG 2001 für die Anwendung der Vorschriften entscheiden, die für gebietsansässige Steuerpflichtige gelten (im Folgenden: Gleichstellungsoption). Diese Vorschrift verlangt nicht, dass das Einkommen des gebietsfremden Steuerpflichtigen ganz oder teilweise in den Niederlanden erzielt wird. Dort heißt es:

„Ein inländischer Steuerpflichtiger, der sich nicht während des gesamten Kalenderjahrs in den Niederlanden aufhält, und ein ausländischer Steuerpflichtiger, der als Einwohner eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines durch Ministerialerlass bestimmten Drittstaats, mit dem die Niederlande ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Förderung des Informationsaustauschs abgeschlossen haben, in die Besteuerung durch diesen Mitgliedstaat oder Drittstaat einbezogen wird, können sich für die Anwendung der Vorschriften entscheiden, die dieses Gesetzes für inländische Steuerpflichtige vorsieht. ...“

10      Nach den Art. 2 bis 10 der Verordnung zur Ausführung des EStG 2001 (Het Uitvoeringsbesluit inkomstenbelasting) wird demjenigen, der sich für die Gleichstellung mit einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen entscheidet, eine Ermäßigung der Einkommensteuerschuld gewährt, soweit sich die Steuer auf Einkommensbestandteile bezieht, die in den Niederlanden nicht oder nur mit einem ermäßigten Satz besteuert werden.

11      In Art. 3 dieser Verordnung heißt es:

„(1) Die Ermäßigung wegen des Vorhandenseins von Bestandteilen, die in den Niederlanden nicht ... besteuert werden, in den Einkünften aus Arbeit und Wohnen entspricht dem Betrag, der zu der Steuer, die ohne Anwendung der Art. 2 bis 10 nach dem Gesetz auf die steuerbaren Einkünfte aus Arbeit und Wohnen geschuldet würde, in demselben Verhältnis steht wie der Gesamtbetrag der Bestandteile, die in den Niederlanden nicht ... besteuert werden, des Einkommens im Nenner zu dem Einkommen im Nenner.

...

(5) Unter „Einkommen im Nenner“ werden die Einkünfte aus Arbeit und Wohnen verstanden ...“

12      Art. 9 Abs. 1 der Verordnung von 2001 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Besluit voorkoming dubbele belasting 2001) sieht vor:

„Die ausländischen Einkünfte aus Arbeit und Wohnen aus einem anderen Staat besteht aus dem Gesamtbetrag der Bestandteile der Einkünfte, die der Steuerpflichtige aus Arbeit und Wohnen in dem betreffenden Staat erzielt als:

a) steuerbarer Gewinn, der in einem ausländischen Unternehmen erzielt wird, d. h. einem Unternehmen bzw. einem Teil eines Unternehmen, das bzw. der mit Hilfe einer Betriebsstätte oder eines ständigen Vertreters in dem anderen Staat geführt wird;

...“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13      Herr Gielen wohnt in Deutschland und betreibt dort zusammen mit zwei anderen Personen ein Unternehmen auf dem Gebiet des Gartenbaus unter Glas. Er hat in den Niederlanden eine Betriebsstätte errichtet, in der auf Vertragsbasis Beetpflanzen gezogen werden.

14      Im Jahr 2001 leistete er für dieses Unternehmen mehr als 1 225 Arbeitsstunden in Deutschland, während er für die Betriebsstätte in den Niederlanden weniger als 1 225 Arbeitsstunden aufwendete.

15      Daher vertrat die niederländische Steuerverwaltung die Ansicht, dass Herr Gielen nicht das „Stundenkriterium“ erfüllt habe. Die Rechtbank Breda bestätigte diese Auslegung.

16      Demgegenüber war der Gerechtshof te ’s-Hertogenbosch der Ansicht, dass eine solche Auslegung des „Stundenkriteriums“ zu einer nach Art. 43 EG verbotenen Diskriminierung führen würde, weil dadurch ein Unterschied zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen entstünde. Denn bei der Anwendung dieses Kriteriums dürften sich gebietsansässige Steuerpflichtige unabhängig davon nach ihrem Gewinn besteuern lassen, wo in der Welt er erzielt werde.

17      Der Gerechtshof te ’s-Hertogenbosch meint, diese Unterscheidung und Behinderung sei nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation von gebietsfremden und gebietsansässigen Steuerpflichtigen gerechtfertigt, insbesondere, weil der Selbständigenabzug unmittelbar mit der Tätigkeit der Steuerpflichtigen in Zusammenhang stehe.

18      Herr Gielen legte gegen die Entscheidung des Gerechtshof te ’s-Hertogenbosch Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein. Zur Begründung führte er aus, der Umstand, dass ihm als gebietsfremden Steuerpflichtigen das Recht auf Selbständigenabzug verweigert werde, stelle einen nach Art. 43 EG verbotene Diskriminierung dar.

19      Der Hoge Raad der Nederlanden bemerkt, die Diskriminierung im Sinne von Art. 43 EG ergebe sich daraus, dass bei einem gebietsfremden Steuerpflichtigen nicht alle Stunden berücksichtigt würden, die er für sein Unternehmen aufwende, also auch die Stunden, in denen er Arbeiten für Unternehmen oder Betriebsstätten erbringe, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befänden.

20      Er stellt sich allerdings die Frage, ob eine solche Diskriminierung mit der Gleichstellungsoption vermieden werden könne. Danach unterliege der Satz, zu dem der gebietsfremde Steuerpflichtige in den Niederlanden besteuert werde, wenn er sich für die steuerliche Gleichstellung mit gebietsansässigen Steuerpflichtigen entscheide, der Progression.

21      Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 43 EG dahin auszulegen, dass dieser Artikel nicht der Anwendung einer Vorschrift des Steuerrechts eines Mitgliedstaats auf den Gewinn, den ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats (ausländischer Steuerpflichtiger) aus einem im ersten Mitgliedstaat geführten Teil seines Unternehmens erzielt, entgegensteht, wenn diese Vorschrift in einer bestimmten Auslegung zwar - für sich genommen - einen Art. 43 EG zuwiderlaufenden Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Steuerpflichtigen macht, der betroffene Steuerpflichtige jedoch die Möglichkeit hatte, die Behandlung als inländischer Steuerpflichtiger zu wählen, von der er aus individuellen Erwägungen keinen Gebrauch gemacht hat?

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit

22      Die deutsche und die portugiesische Regierung bezweifeln, dass der Gerichtshof über die Frage des nationalen Gerichts entscheiden könne.

23      Die deutsche Regierung ist der Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren streitige steuerliche Regelung letztlich keine verbotene Diskriminierung im Sinne von Art. 43 EG enthalte, so dass sich die Frage, ob die Diskriminierung durch die Gleichstellungsoption vermieden werden könne, nicht stelle. Infolgedessen sei die Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefrage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ohne jeden Nutzen.

24      Die portugiesische Regierung macht in erster Linie geltend, dass die Vorlagefrage von einer bestimmten Auslegung der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Rechtsvorschriften abhänge.

25      So ergebe sich aus der Vorlageentscheidung, dass Art. 3.6 EStG 2001 auch dahin ausgelegt werden könne, dass für Zwecke des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abzugs zugunsten eines gebietsfremden Steuerpflichtigen sowohl die Stunden berücksichtigt werden könnten, die er für eine Betriebsstätte in den Niederlanden aufgewendet habe, als auch die für eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Stunden, was diese Bestimmung mit Art. 43 EG vereinbar und die Antwort auf die Vorlagefrage überflüssig machte.

26      Da es dem vorlegenden Gericht möglich sei, die im Ausgangsverfahren streitige steuerliche Regelung so auszulegen, dass sie keine gegen Art. 43 EG verstoßende Diskriminierung enthalte, sei die Vorlagefrage hypothetisch, so dass die Antwort des Gerichtshofs für das vorlegende Gericht nicht bindend sei.

27      Hierzu ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 23. April 2009, Rüffler, C-544/07, Slg. 2009, I-0000, und vom 19. November 2009, Filipiak, C-314/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 40).

28      Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass es ihm ausnahmsweise obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 1981, Foglia, 244/80, Slg. 1981, 3045, Randnr. 21, Rüffler, Randnr. 37, und Filipiak, Randnr. 41).

29      Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile Rüffler, Randnr. 38, und Filipiak, Randnr. 42).

30      Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefrage im Wesentlichen die Auslegung von Art. 49 AEUV im Hinblick auf eine nationale Regelung betreffen, die potenziell diskriminierende Wirkungen für gebietsfremde Steuerpflichtige in Bezug auf eine Steuervergünstigung wie den Selbständigenabzug hat, selbst wenn sich diese Steuerpflichtigen hinsichtlich der betreffenden Vergünstigung nach der fraglichen Regelung für die steuerliche Gleichstellung entscheiden können.

31      Um die Vorlagefrage beantworten zu können, ist außerdem zunächst zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung diskriminierende Wirkungen im Sinne von Art. 49 AEUV entfaltet, was eine Frage des Unionsrechts darstellt, dessen Auslegung in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt.

32      In Anbetracht dieser Feststellungen trifft es nicht zu, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, so dass die von der deutschen und der portugiesischen Regierung gegen die Zulässigkeit der Frage vorgebrachten Einwände zurückzuweisen sind.

33      Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zur Beantwortung der Frage

34      Mit seiner Frage, die in zwei Teilen zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, die in Bezug auf die Gewährung einer Steuervergünstigung wie des Selbständigenabzugs potenziell diskriminierende Wirkungen für gebietsfremde Steuerpflichtige hat, selbst wenn sich diese Steuerpflichtigen hinsichtlich der betreffenden Vergünstigung nach der fraglichen Regelung für die steuerliche Gleichstellung entscheiden können.

Zu den diskriminierenden Wirkungen der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung im Sinne von Art. 49 AEUV

35      Zur Beantwortung der Vorlagefrage ist, wie sich auch aus Randnr. 31 des vorliegenden Urteils ergibt, vorab zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung tatsächlich eine gegen Art. 49 AEUV verstoßende Diskriminierung enthält.

36      Zwar fallen die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteil vom 7. September 2004, Manninen, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Außerdem verbieten die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (vgl. u. a. Urteil vom 14. Februar 1995, Schumacker, C-279/93, Slg. 1995, I-225, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Ferner kann eine Diskriminierung nur darin bestehen, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. u. a. Urteile Schumacker, Randnr. 30, und vom 14. September 1999, Gschwind, C-391/97, Slg. 1999, I-5451, Randnr. 21).

39      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten zunächst hervor, dass Herr Gielen, der in Deutschland wohnt, im Jahr 2001 weniger als 1 225 Arbeitsstunden für seine Betriebsstätte in den Niederlanden leistete, während er für seine Betriebsstätte in Deutschland mehr als 1 225 Arbeitsstunden erbrachte.

40      Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge kann nach der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung ein gebietsansässiger steuerpflichtiger Unternehmer in die Berechnung des zum Selbständigenabzug berechtigenden Stundenkriteriums sowohl die in einem anderen Mitgliedstaat aufgewendeten als auch die in den Niederlanden geleisteten Arbeitsstunden einbeziehen, während ein gebietsfremder steuerpflichtiger Unternehmer in diese Berechnung nur die in den Niederlanden erbrachten Arbeitsstunden einfließen lassen kann.

41      Zudem räumt die niederländische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ein, dass es sich hierbei um eine Diskriminierung aufgrund des Wohnorts handelt.

42      Soweit es darum geht, ob für den Selbständigenabzug das „Stundenkriterium“ erfüllt ist, behandelt die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung Steuerpflichtige somit je nachdem, ob sie in den Niederlanden wohnen oder nicht, unterschiedlich. Eine solche unterschiedliche Behandlung wirkt sich tendenziell eher zum Nachteil von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten aus, da Gebietsfremde zumeist Ausländer sind.

43      In Rechtssachen, die die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen betrafen, hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass sich in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Personen und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer gleichartigen Situation befinden, da zwischen ihnen sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft oder der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands objektive Unterschiede bestehen (vgl. u. a. Urteile vom 22. März 2007, Talotta, C-383/05, Slg. 2007, I-2555, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. Oktober 2008, Renneberg, C-527/06, Slg. 2008, I-7735, Randnr. 59).

44      Jedoch kann bei einer Steuervergünstigung, die Gebietsfremden nicht gewährt wird, eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Gruppen von Steuerpflichtigen als Diskriminierung im Sinne des Vertrags angesehen werden, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Steuerpflichtigen besteht, der eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte (Urteile Talotta, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Renneberg, Randnr. 60).

45      Dem vorlegenden Gericht zufolge ist der Selbständigenabzug nicht an die persönliche Situation der Steuerpflichtigen geknüpft, sondern an die Art ihrer Tätigkeit. So wird dieser Abzug Unternehmern gewährt, deren unternehmerische Tätigkeit die Haupttätigkeit darstellt, was u. a. durch die Erfüllung des „Stundenkriteriums“ nachgewiesen wird.

46      Soweit der Selbständigenabzug allen steuerpflichtigen Unternehmern gewährt wird, die u. a. das „Stundenkriterium“ erfüllt haben, ist es insoweit nicht sachgerecht, danach zu unterscheiden, ob die Steuerpflichtigen ihre Arbeitsstunden in den Niederlanden oder in einem anderen Mitgliedstaat geleistet haben.

47      Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, befinden sich gebietsansässige und gebietsfremde Steuerpflichtige folglich im Hinblick auf den Selbständigenabzug in einer vergleichbaren Situation (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juni 2003, Gerritse, C-234/01, Slg. 2003, I-5933, Randnr. 27, und vom 6. Juli 2006, Conijn, C-346/04, Slg. 2003, I-6137, Randnr. 20).

48      Daher ist festzustellen, dass sich eine nationale Regelung, die im Hinblick auf eine Steuervergünstigung wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Selbständigenabzug von einem „Stundenkriterium“ auf eine Art und Weise Gebrauch macht, durch die gebietsfremde Steuerpflichtige daran gehindert werden, ihre in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Arbeitsstunden anrechnen zu lassen, tendenziell eher zum Nachteil dieser Steuerpflichtigen auswirkt. Demnach stellt eine solche Regelung eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 49 AEUV dar.

Zur Gleichstellungsoption

49      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt, wonach die Gleichstellungsoption die fragliche Diskriminierung ausschließen könne.

50      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gleichstellungsoption es einem gebietsfremden Steuerpflichtigen wie Herrn Gielen ermöglicht, zwischen einer diskriminierenden steuerlichen Regelung und einer anderen zu wählen, die nicht diskriminierend sein soll.

51      Hierzu ist festzustellen, dass eine solche Wahl im vorliegenden Fall nicht geeignet ist, die diskriminierenden Wirkungen der ersten dieser beiden steuerlichen Regelungen auszuschließen.

52      Würde man dieser Wahl eine solche Wirkung zuerkennen, hätte dies nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 52 seiner Schlussanträge im Kern ausgeführt hat, zur Folge, dass eine steuerliche Regelung für rechtmäßig erklärt würde, die für sich genommen aufgrund ihres diskriminierenden Charakters weiter gegen Art. 49 AEUV verstößt.

53      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist außerdem eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende nationale Regelung auch dann mit dem Unionsrecht unvereinbar, wenn ihre Anwendung fakultativ ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753, Randnr. 162).

54      Die Wahl, die dem gebietsfremden Steuerpflichtigen durch die Gleichstellungsoption im Ausgangsrechtsstreit eröffnet wird, hebt also die in Randnr. 48 des vorliegenden Urteils festgestellte Diskriminierung in ihrer Wirkung nicht auf.

55      Nach alledem steht Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung entgegen, die in Bezug auf die Gewährung einer Steuervergünstigung wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Selbständigenabzugs diskriminierende Wirkungen für gebietsfremde Steuerpflichtige hat, selbst wenn diese Steuerpflichtigen hinsichtlich der betreffenden Vergünstigung die Regelung wählen können, die für gebietsansässige Steuerpflichtige gilt.


Quelle: curia.europa.eu
An dieser Fassung sind noch Änderungen möglich; verbindlich sind nur die in der "Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz" und im "Amtsblatt der Europäischen Union" veröffentlichten Fassungen.
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