EStG § 11 Abs. 1 Satz 3, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom 9.11.2022, 2 K 217/21 = SIS 23 00 64
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Entgelt für die Zurverfügungstellung von landwirtschaftlichen Flächen zum Zwecke des Ausgleichs von Eingriffen in die Natur jeweils bei Zufluss oder verteilt auf eine Laufzeit von 20 Jahren vom Kläger als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss mit der … GmbH (im Weiteren GmbH) am 25.09.2017 einen Nutzungsvertrag, aufgrund dessen der Kläger der GmbH landwirtschaftliche Flächen zur Nutzung für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen und zur Generierung von sogenannten Ökopunkten zur Verfügung stellt. Der Nutzungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte frühestens nach Ablauf von 30 Jahren ordentlich gekündigt werden (§ 3.2 des Nutzungsvertrags). Von dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung unberührt blieb das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 3.3 des Nutzungsvertrags). Ferner verpflichtete sich der Kläger, zugunsten der GmbH (§ 7.1 des Nutzungsvertrags) sowie zugunsten der zuständigen Behörde (§ 7.3 des Nutzungsvertrags) beschränkt persönliche Dienstbarkeiten zu bestellen. Schließlich verpflichtete sich die GmbH, zum Ende der Vertragslaufzeit die Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechte zu bewilligen und zu beantragen (§ 7.6 des Nutzungsvertrags).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte die Einnahmen aus dem Nutzungsvertrag für den Veranlagungszeitraum 2017 in Höhe von 1.561 € im Einkommensteuerbescheid vom 18.09.2018 und für den Veranlagungszeitraum 2018 in Höhe von 2.307 € im Bescheid vom 29.01.2020 zunächst erklärungsgemäß als sonstige Einkünfte.
Nach den im Rahmen der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 2019 vorgelegten Abrechnungen erhielt der Kläger von der GmbH die folgenden Beträge (netto):
2017 | 2.000,00 € | |
2018 | 10.000,00 € | |
2018 | 10.000,00 € | |
2019 | 19.125,00 € | |
2019 | 2.715,00 € | |
43.840,00 € |
Aufgrund des ebenfalls im Rahmen der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 2019 vorgelegten Nutzungsvertrags ordnete das FA diese Beträge nunmehr den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Mit Änderungsbescheiden vom 07.05.2021 erhöhte das FA die Vermietungseinkünfte in 2017 um 2.380 € (Bruttobetrag) sowie in 2018 um 23.800 € (Bruttobetrag) und korrigierte den bislang erfolgten Ansatz der Einnahmen aus dem Nutzungsvertrag als sonstige Einkünfte. Für den Veranlagungszeitraum 2019 berücksichtigte das FA Vermietungseinkünfte in Höhe von 17.443,21 € (Einnahmen laut Gutschriften von 25.990,20 € brutto abzüglich gezahlter Umsatzsteuer von 8.546,99 €). Die beantragte Verteilung der Einnahmen aus dem Nutzungsvertrag auf 20 Jahre lehnte das FA ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 253 abgedruckten Urteil vom 09.11.2022 wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) rügt. Die Feststellungen des FG, dass eine Laufzeit des Nutzungsvertrags nicht bestimmbar sei, verstoße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Mit Sicherheit werde der Nutzungsvertrag nach 30 Jahren beendet werden. Dass die Verteilung auf eine geringere Laufzeit begehrt werde, sei unschädlich.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2017 bis 2019 vom 07.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.11.2021 insoweit zu ändern, als die Einnahmen aus dem Nutzungsvertrag gleichmäßig auf eine Laufzeit von 20 Jahren verteilt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die fehlende Bestimmbarkeit der Laufzeit habe als tatsächliche Feststellung im Revisionsverfahren Bestand.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zutreffend hat das FG die Zahlungen der GmbH an den Kläger den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet (dazu unter 1.) und deren Aufteilung auf einen Zeitraum von 20 Jahren abgelehnt (dazu unter 2.).
1. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Zahlungen der GmbH an den Kläger als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert.
a) Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer einem anderen zeitlich begrenzt unbewegliches Vermögen oder Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, gegen Entgelt zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt (z.B. Senatsurteile vom 11.02.2014 ‑ IX R 25/13, BFHE 244, 555, BStBl II 2014, 566, Rz 14 und vom 20.07.2018 ‑ IX R 3/18, Rz 14).
Dabei hat das FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen, ob eine Vereinbarung zu einer Nutzung berechtigt oder den Eigentümer zur Unterlassung einer bestimmten Nutzung verpflichtet. Für die Abgrenzung kommt es entscheidend auf den wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Vereinbarung an und wie er sich nach dem Gesamtbild der gestalteten Verhältnisse des Einzelfalls unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ergibt. Die Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, zu der auch die Auslegung von Verträgen gehört, ist für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Die revisionsrechtliche Überprüfung durch den Bundesfinanzhof (BFH) beschränkt sich daher darauf, ob die vorgenommene Würdigung unter Beachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln (insbesondere §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. Senatsurteile vom 11.02.2014 ‑ IX R 25/13, BFHE 244, 555, BStBl II 2014, 566, Rz 16 und vom 20.07.2018 ‑ IX R 3/18, Rz 15).
b) Hieran gemessen ist die tatsächliche Würdigung des FG, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen liege in einer Nutzungsüberlassung der Grundstücke, nicht zu beanstanden.
Das FG hat seine Würdigung auf die vertraglichen Vereinbarungen des Klägers mit der GmbH gestützt. Der hieraus gezogene Schluss, der wirtschaftliche Schwerpunkt des zwischen der GmbH und dem Kläger geschlossenen Vertrags liege auf einer mit einer Vermietung oder Verpachtung vergleichbaren Nutzungsüberlassung des Grundstücks des Klägers, verbunden mit dem Recht der GmbH, die festgesetzten und eingebuchten Ökopunkte zu verwerten, ist möglich und weder durch Denkfehler noch durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst. Diese tatsächliche Würdigung bindet den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG eine Verteilung der Zahlungen der GmbH auf eine Laufzeit von 20 Jahren nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG abgelehnt, da ein (konkreter) Vorauszahlungszeitraum von mehr als fünf Jahren weder bestimmt noch bestimmbar ist.
a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 EStG kann der Steuerpflichtige Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.
b) Im Streitfall liegt nach den Feststellungen des FG zwar ein Nutzungsüberlassungszeitraum von mehr als fünf Jahren vor, da die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung des Vertrags für 30 Jahre ausgeschlossen worden ist. Gleichwohl fehlt ein bestimmbarer Vorauszahlungszeitraum.
aa) Bei Bezug der Einnahmen, deren Verteilung in Rede steht, muss feststehen, dass der Vorauszahlungszeitraum für die Nutzungsüberlassung mehr als fünf Jahre beträgt. Hierfür genügt nicht schon der Abschluss eines unbefristeten, ordentlich kündbaren Vertrags über eine Nutzungsüberlassung (vgl. Senatsurteil vom 20.07.2018 ‑ IX R 3/18, Rz 24). Zwar verlangt das Gesetz nicht, dass die genaue Zeitdauer der Nutzungsüberlassung im Vorauszahlungszeitpunkt bereits fest vereinbart ist (vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2019 ‑ VI R 34/17, BFHE 265, 139, BStBl II 2021, 5, Rz 35; Brandis/Heuermann/Martini, § 11 EStG Rz 47). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der (fünf Jahre überschreitende) Vorauszahlungszeitraum anhand objektiver Umstände ‑‑und sei es auch im Wege sachgerechter Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung)‑‑ feststellbar (bestimmbar) ist (BFH-Urteil vom 04.06.2019 ‑ VI R 34/17, BFHE 265, 139, BStBl II 2021, 5, Rz 35; im Ergebnis ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 26; offengelassen im Senatsurteil vom 20.07.2018 ‑ IX R 3/18, Rz 23). Denn die gleichmäßige Verteilung der Vorauszahlung auf den Vorauszahlungszeitraum setzt denknotwendig voraus, dass dieser Zeitraum jedenfalls bestimmbar ist. Andernfalls ist eine gleichmäßige Verteilung der Einnahmen auf den Vorauszahlungszeitraum nicht möglich (BFH-Urteil vom 04.06.2019 ‑ VI R 34/17, BFHE 265, 139, BStBl II 2021, 5, Rz 35).
Hierbei ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen und Würdigungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Die revisionsrechtliche Überprüfung durch den BFH beschränkt sich auch hier darauf, ob die vorgenommene Würdigung unter Beachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 11.02.2014 ‑ IX R 25/13, BFHE 244, 555, BStBl II 2014, 566, Rz 16, m.w.N.).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben und den tatsächlichen Feststellungen des FG ist ‑‑wie das FG zu Recht ausführt‑‑ der Vorauszahlungszeitraum weder bestimmt noch bestimmbar. Zwar steht im Streitfall aufgrund des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für 30 Jahre ein Mindestnutzungszeitraum fest. Gleichwohl fehlen objektive Anhaltspunkte, anhand derer sich ein Ende der Nutzungsüberlassung beziehungsweise des Vorauszahlungszeitraums ‑‑gegebenenfalls im Schätzungswege‑‑ feststellen ließe.
(1) Dem FG ist zuzustimmen, dass allein der Umstand, eine ordentliche Kündigung (nach Ablauf von 30 Jahren) sei möglich, noch kein objektiver Beleg dafür ist, dass eine Kündigung auch erfolgen wird. Wie das FG zu Recht ausführt, bedarf es ‑‑anders als im Fall einer Befristung‑‑ eines aktiven Handelns der Vertragspartner, dessen Eintritt unsicher ist.
(2) Wirtschaftliche Gründe, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Vertrag nach Ablauf von 30 Jahren gekündigt werden wird und damit die Nutzungsüberlassung und der Vorauszahlungszeitraum endet, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Vortrag des Klägers, dass eine Kündigung im Streitfall die einzig wirtschaftlich sinnvolle Option sei, stellt lediglich dessen eigene Wertung dar. Objektive Gesichtspunkte, die diesen Schluss zulassen, fehlen. So lässt sich dem Vertrag weder entnehmen, für welche konkreten Maßnahmen die vertragsgegenständlichen Flächen zur Verfügung gestellt worden sind, noch ist geregelt, für welche Projekte die ‑‑nicht näher bezeichneten‑‑ Ökopunkte eingesetzt werden sollen. So ist eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Anders als in dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 04.06.2019 ‑ VI R 34/17 (BFHE 265, 139, BStBl II 2021, 5) fehlt vorliegend eine Verknüpfung der Laufzeit eines konkreten Projektes, für das die Ökopunkte eingesetzt werden, mit der Laufzeit der Nutzungsüberlassung. Das FG hat es daher zu Recht abgelehnt, auf die Laufzeit einer üblichen Windkraftanlage abzustellen, da für einen solchen Zusammenhang keine Anhaltspunkte bestehen.
c) Mangels bestimmbaren Vorauszahlungszeitraums kann der Senat dahinstehen lassen, ob § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, dem Kläger eine Aufteilung auf einen kürzeren Zeitraum als den bestimmten beziehungsweise bestimmbaren Vorauszahlungszeitraum ermöglichen kann (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 04.06.2019 ‑ VI R 34/17, BFHE 265, 139, BStBl II 2021, 5, Rz 38).
3. Die Kostenentscheidung folgt § 135 Abs. 2 FGO.
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