GrEStG § 4 Nr. 1
GG Art. 7
ThürSchulG § 13
ThürSchfTG § 4, § 6, § 9
Vorinstanz: Thüringer FG vom 21.9.2016, 4 K 434/13 (EFG 2017 S. 1107 = SIS 17 09 62)
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in C, die durch Bescheid des Thüringer Kultusministeriums vom 18.12.2004 genehmigt worden ist. E war Träger der Schule F, der durch das Thüringer Kultusministerium mit Urkunde vom 01.09.2002 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule verliehen worden war. Zur F gehören die in C belegenen drei bebauten Grundstücke G1, G2 und G3. Die Grundstücke G1 und G2 standen im Alleineigentum des E. Hinsichtlich des Grundstücks G3 war er aufgrund Erbbaurechtsvertrages mit der Stadt C vom 04.05.2003 als Erbbauberechtigter im Grundbuch eingetragen.
Anlässlich des Zusammenschlusses der Kirche A und der Kirche K zum 01.01.2005 zu Kirche L wurde entschieden, die bisherigen Schulträgerschaften statt auf die gemeinsame Kirche auf die neu zu gründende Klägerin übergehen zu lassen. Nach einer entsprechenden Genehmigung des Ministeriums vom 13.12.2006 übertrug E mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16.12.2006 die Trägerschaft der F mit Wirkung zum 01.01.2007 auf die Klägerin. Gleichzeitig veräußerte er an die Klägerin die Grundstücke G1 und G2 sowie das Erbbaurecht an G3 für jeweils 1 €. Die Klägerin übernahm Rechte und Pflichten in Bezug auf die Liegenschaften. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte auf Grundlage von gesondert festgestellten Grundbesitzwerten am 21.09.2008 Grunderwerbsteuer fest.
Mit Einspruch und Klage berief sich die Klägerin im Wesentlichen auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1 GrEStG angewandt. Die Führung einer staatlich anerkannten Ersatzschule sei eine öffentlich-rechtliche Aufgabe i.S. der Vorschrift. Sie verfolge eine verfassungsrechtlich anerkannte, dem Gemeinwohl zugewandte öffentliche Aufgabe des Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungswesens und damit im Bereich der Daseinsvorsorge. Der Besuch einer solchen Schule erfülle die Schulpflicht. Die Schule könne wie die entsprechenden staatlichen Schulen Prüfungen abhalten und Zeugnisse erteilen, was sie als staatlich anerkannte Ersatzschule von einer nur genehmigten Ersatzschule unterscheide. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1107, veröffentlicht.
Mit der Revision macht das FA geltend, es sei keine öffentlich-rechtliche Aufgabe übergegangen. Der Staat habe einen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Öffentlich-rechtliche Aufgabe sei nur der Betrieb staatlicher Schulen, nicht die Errichtung und der Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft. Diese sei vielmehr ein verfassungsrechtlich verankertes subjektives Recht des Privaten gegenüber dem Staat. Hieran ändere weder die Genehmigungspflicht noch die staatliche Anerkennung etwas. Dies entspreche auch der Auffassung des Ministeriums.
Soweit die Anerkennung den Schulen das Prüfungs- und Zeugnisrecht vermittle, geschehe dies in Form der auf diese Befugnisse beschränkten Beleihung. Der Freistaat Thüringen habe angesichts seiner Aufsichtsbefugnisse diese Aufgabe aber nie vollständig aufgegeben. Wenn die Aufgabe schon nicht vom Freistaat Thüringen auf E übergegangen sei, könne sie folglich auch nicht von E auf die Klägerin übergegangen sein.
Schließlich stehe das Betreiben einer Ersatzschule nicht in Zusammenhang mit den kirchlichen Aufgaben, die den beteiligten Rechtsträgern erst den öffentlich-rechtlichen Status vermitteln.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Schulträgerschaft für eine öffentlich-rechtliche Aufgabe i.S. des § 4 Nr. 1 GrEStG. Jedenfalls der Übergang des Prüfungs- und Zeugnisrechts als untrennbarer Bestandteil des Schulbetriebs begründe die Befreiung.
Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat keinen Antrag gestellt. Es vertritt die Auffassung, die Anwendung des § 4 Nr. 1 GrEStG verlange nach solchen öffentlichen Aufgaben, die einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten seien und nicht gleichermaßen von Privaten erfüllt werden könnten.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Vertrag vom 16.12.2006 hinsichtlich der Grundstücke G1, G2 und i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG des Erbbaurechts an G3 nach § 4 Nr. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
1. Nach § 4 Nr. 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass E und die Klägerin als Veräußerer und Erwerber juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (zu dem Erfordernis der juristischen Person des öffentlichen Rechts auf beiden Seiten des Erwerbsgeschäfts vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 09.11.2016 - II R 12/15, BFHE 255, 540, BStBl II 2017, 211) und dass die Grundstücke und das Erbbaurecht nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dienen.
Der Erwerb erfolgte aber auch aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Ein solcher Übergang liegt vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat (BFH-Urteil vom 01.09.2011 - II R 16/10, BFHE 235, 182, BStBl II 2012, 148, Rz 12).
a) Es bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit das Merkmal "öffentlich-rechtliche Aufgabe" in weitem Verständnis auch Aufgaben umfassen kann, die zwar zum öffentlichen Aufgabenspektrum des Staates gehören, aber auch in privatrechtlichem Rechtskleid erfüllt werden können. Seit jeher gehört jedenfalls die hoheitliche Tätigkeit zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben i.S. des früheren § 4 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1940 (RGBl I 1940, 585) und des heutigen § 4 Nr. 1 GrEStG (dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 255, 540, BStBl II 2017, 211, Rz 19). Diese liegt vor, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes --GmS-- vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280, unter III.1.) oder wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen überwiegend den Interessen der Allgemeinheit dienen, wenn sie sich nur an Hoheitsträger wenden oder wenn der Sachverhalt einem Sonderrecht der Träger öffentlicher Aufgaben unterworfen ist und nicht Rechtssätzen, die für jedermann gelten (GmS-Beschluss vom 10.07.1989 - GmS-OGB 1/88, BGHZ 108, 284, unter 3.).
b) Die Trägerschaft einer Privatschule, die als staatlich anerkannte Ersatzschule über das Recht verfügt, staatlich anerkannte Prüfungen abzunehmen und Zeugnisse auszustellen, besitzt einen partiell öffentlich-rechtlichen Charakter in diesem Sinne.
aa) Zwar ist dem FA insoweit zuzustimmen, als die Errichtung von privaten Schulen sich zunächst als Ausübung eines verfassungsrechtlich verbürgten Rechts aus Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und als Institutsgarantie für die privaten Schulen im Gegensatz zu einem staatlichen Schulmonopol darstellt (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64, BVerfGE 27, 195, unter D.I.1.).
Es besteht jedoch keine Staatsfreiheit. Zum einen steht das gesamte Schulwesen nach Art. 7 Abs. 1 GG unter der Aufsicht des Staates. Zum anderen bedürfen private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen (Art. 7 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 GG). Ersatzschulen sind Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 27, 195, unter D.I.2.a). Auf Landesebene bestehen ähnliche Regelungen (Art. 23, 26 der Verfassung des Freistaats Thüringen).
bb) Die Befugnisse, mit öffentlich-rechtlicher Außenwirkung den Bildungsgrad der Schüler festzustellen, öffentlich-rechtliche Zugangsberechtigungen zu vermitteln oder Berechtigungen zur Führung einer Berufsbezeichnung zu erteilen, sind hoheitliche Funktionen, die im Wege der Beleihung übertragen werden müssen (vgl. grundlegend Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.10.1963 - VII C 45.62, BVerwGE 17, 41; BFH-Urteil vom 16.05.1975 - III R 54/74, BFHE 116, 176, BStBl II 1975, 746, unter 5.a der Entscheidungsgründe). Eine verbliebene staatliche Aufsicht ändert hieran nichts. Diese Befugnisse ergeben sich allerdings nicht bereits aus dem Recht aus Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG, eine Ersatzschule zu betreiben, sondern sind gesondert zu verleihen. Einzelheiten hat der Landesgesetzgeber zu regeln (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 27, 195, unter D.I.2.a, b, 3.). Dies ist für den Freistaat Thüringen in Gestalt des Thüringer Schulgesetzes (ThürSchulG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.04.2003 (GVBl 2003, 238) sowie des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft (ThürSchfTG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 05.03.2003, zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.07.2009 (GVBl 2009, 592) geschehen.
cc) Nach Thüringer Landesrecht ist für die staatlich anerkannten Ersatzschulen das Prüfungs- und Zeugnisrecht verliehen, das dem Schulträger zuzurechnen ist.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 ThürSchulG sind die Schulen des Freistaats Thüringen staatliche Schulen oder Schulen in freier Trägerschaft. Während erstere gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürSchulG nicht rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind, werden Schulen in freier Trägerschaft gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 ThürSchulG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ThürSchfTG von natürlichen Personen oder juristischen Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts (außer Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts) errichtet und betrieben. Das bedeutet, dass die Schule selbst nicht ihr eigener Rechtsträger ist.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ThürSchfTG sind Ersatzschulen solche Schulen in freier Trägerschaft, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen den staatlichen Schulen entsprechen, die in Thüringen bestehen oder grundsätzlich vorgesehen sind. Sie bedürfen nach § 4 Abs. 2 ThürSchfTG der Genehmigung. Diese verleiht der Schule nicht nur gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 ThürSchfTG das Recht, Schüler zur Erfüllung ihrer Schulpflicht aufzunehmen. Bietet sie außerdem die Gewähr dafür, dauernd die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen, kann ihr nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ThürSchfTG auf Antrag die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule verliehen werden. Mit der Anerkennung erhält nach § 10 Abs. 3 ThürSchfTG die Ersatzschule das Recht, nach den für die entsprechenden staatlichen Schulen geltenden Vorschriften und unter einem durch das staatliche Schulamt bestellten Vorsitzenden der Prüfungskommission Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen, die die gleichen Berechtigungen verleihen wie die der staatlichen Schulen. Dieses Recht ist jedenfalls im vorliegenden Kontext mangels Rechtsträgereigenschaft der Schule trotz der schulbezogenen Formulierung des § 10 ThürSchfTG dem Schulträger zuzurechnen. Folgerichtig erlischt nach § 6 Abs. 3 ThürSchfTG die Genehmigung der Ersatzschule im Falle des Trägerwechsels, wenn nicht der Trägerwechsel zuvor ausdrücklich genehmigt wurde.
c) Nach diesen Maßstäben sind die Grundstücke G1 und G2 sowie das Erbbaurecht G3 aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben von der einen auf die andere juristische Person übergegangen. Die Grundstücksgeschäfte beruhten auf dem von E auf die Klägerin durchgeführten Übergang der Schulträgerschaft und dem damit verbundenen Übergang des mit hoheitlichem Charakter ausgestatteten Prüfungs- und Zeugnisrechts.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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