BFH: Keine Hinzurechnung von Stückzinsen eines Sachdarlehens

  1. Erhält ein Unternehmen ein Sachdarlehen über festverzinsliche Anleihen, die es nach Empfang veräußert und später zwecks Rückgabe zurückerwirbt, so sind weder die beim Rückerwerb dem Veräußerer zu vergütenden Stückzinsen noch die im Zeitraum zwischen der Überlassung der Anleihen und deren Rück­gabe an den Darlehensgeber aufgelaufenen Stückzinsen als Entgelte für Schulden hinzuzurechnen.
  2. Eine konkludente Abbedingung des § 101 BGB ‑‑die Zinsen der überlasse­nen Anleihen stehen der Verleiherin zu‑‑ begründet kein zusätzliches Entgelt für die Gewährung eines Wertpapierdarlehens.

GewStG 2002 § 8 Nr. 1
BGB § 607, § 609, § 101 Nr. 2
EStG § 4 Abs. 4
HGB § 255

BFH-Urteil vom 7.10.2021, III R 15/18 (veröffentlicht am 21.4.2022) (Die Entscheidung ist nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt worden)

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.2.2018, 3 K 3018/15 = SIS 18 07 16

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei Sachdarlehen über festverzinsliche Anleihen, die die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) nach Erhalt veräu­ßert und später zurückerworben hat, Stückzinsen als Entgelte für Dauerschul­den i.S. von § 8 Nr. 1 Alternative 3 des Gewerbesteuergesetzes in der bis zum Jahr 2007 geltenden Fassung (GewStG 2002) hinzuzurechnen sind.

Die Klägerin ist eine zum P‑Konzern gehörende GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). An der gleichfalls zum P‑Konzern gehörenden A Ltd. mit Sitz in Übersee ist sie weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt.

Die Klägerin schloss am 19.01.2005 mit der A Ltd. einen "Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen" (Rahmenvertrag), der nach dessen Nr. 1 die Grundlage für einzelne Wertpapiersachdarlehen i.S. des § 607 des Bürgerlichen Gesetz­buches (BGB) bildet und nach dessen Nr. 11 Abs. 5 dem Recht Deutschlands unterliegt. Die Klägerin erhält danach als Darlehensnehmerin das unbe­schränkte Eigentum an den überlassenen Wertpapieren (Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenvertrags) und schuldet der Darlehensgeberin ‑‑der A Ltd.‑‑ ein Entgelt, das sich aus dem im Einzelabschluss vereinbarten Prozentsatz bezo­gen auf den Marktwert der Wertpapiere an dem im Einzelabschluss vereinbar­ten Tag errechnet (Nr. 5). Die während der Laufzeit des Darlehens auf die überlassenen Wertpapiere geleisteten Zinsen, Gewinnanteile und sonstigen Ausschüttungen stehen der Darlehensgeberin zu. Deren Gegenwert hat die Darlehensnehmerin mit Wertstellung zum Tag der tatsächlichen Zahlung an die Darlehensgeberin zu zahlen (sog. Kompensationszahlung, Nr. 6 des Rah­menvertrags). Am Ende der Laufzeit des jeweiligen Darlehens hat die Darle­hensnehmerin ‑‑entsprechend § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB‑‑ Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge zurück zu gewähren (Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Rahmen­vertrags).

In den Jahren 2005 bis 2009 schlossen die Klägerin als Darlehensnehmerin und die A Ltd. als Darlehensgeberin nacheinander 14 Verträge über Wertpa­piersachdarlehen. Auf das Jahr 2005 (Streitjahr) entfielen zwei Verträge mit folgenden Konditionen:

Vertrag vom: 19.01.2005 16.12.2005
Laufzeit 25.01.2005 bis 30.12.2005 20.12.2005 bis 13.12.2006
Nennwert (Face Value) 323.500.000 € 365.160.000 €
Nominalzins (Coupon) 5,375 % 2,25 %
Kurswert (Bond price) 111,11 (25.01.2005) 99,600 (20.12.2005)
Kurswert inkl. Stückzinsen
(Dirty Price)
111,419246575 99,630821918
Betrag (Amount) 360.441.262,67 € 363.811.909,32 €
Nächster Zinstermin 04.01.2006 15.12.2006
Leihgebühr p.a. 0,7 %  0,48 %
Leihgebühr nominal 2.375.908,66 € (339d/360d) 1.736.595,51 € (358d/360d)
davon auf 2005 entfallend 2.375.908,66 € 53.359,00 €

Die Klägerin veräußerte die ihr übertragenen Anleihen nach Erhalt am 25.01.2005 zu einem Kurs von 111,09 % und am 20.12.2005 zu einem Kurs von 99,60 % zuzüglich Stückzinsen an Dritte.

Zeitgleich schloss sie zur Sicherung der ihr gegenüber der A Ltd. obliegenden Rückgewährverpflichtung unbedingte Termingeschäfte (Forwards) über ent­sprechende Anleihen mit der X‑Bank ab.

Die Anleihe über 323.500.000 € wurde danach zu einem Kurs von 108,524; die Anleihe über 365.160.000 € zu einem Kurs von 100,105 % erworben. Die bis zum Erwerb anfallenden Stückzinsen in Höhe von 17.149.931,51 € (360 Zinstage) bzw. 8.171.080,27 € (363 Zinstage) wurden separat ausgewie­sen und in Rechnung gestellt. Davon entfielen rechnerisch 16.149.519 € (339 Zinstage) bzw. 247.608 € (11 Zinstage) auf die in das Streitjahr fallen­den Vertragslaufzeiten.

Zum Ende der Laufzeit der Wertpapiersachdarlehen übertrug die Klägerin die auf Grundlage der Termingeschäfte erworbenen Anleihen an die A Ltd. zurück. Kompensationszahlungen nach Nr. 6 des Rahmenvertrags waren nicht zu leis­ten, da in die Laufzeit der Wertpapiersachdarlehen keine Zinstermine fielen.

Die Klägerin passivierte das Wertpapiersachdarlehen (Rückübertragungsver­pflichtung) vom 20.01.2005 mit 360.441.263 € (Amount = Nennwert * Dirty Price). Zum Ende der Laufzeit des Sachdarlehens nahm die Klägerin auf­wandswirksame Zuschreibungen auf das Wertpapiersachdarlehen auf der Grundlage des Kurses der Forwardgeschäfte unter zeitanteiliger Berücksichti­gung der Stückzinsen vor. Das Wertpapiersachdarlehen vom 20.12.2005 pas­sivierte die Klägerin mit 363.811.909 € (Amount = Nennwert * Dirty Price); zum Bilanzstichtag wurde eine Zuschreibung in Höhe von 410.328 € vorge­nommen.

In der am 13.04.2007 eingereichten Gewerbesteuererklärung für das Streit­jahr ging die Klägerin davon aus, dass aufgrund der aufeinanderfolgenden Wertpapiersachdarlehen eine Dauerschuld vorliege und rechnete die an die A Ltd. gezahlte bzw. geschuldete zeitanteilige Leihgebühr in Höhe von 2.429.268 € gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 zur Hälfte dem Ge­winn aus Gewerbebetrieb hinzu. Die Veranlagung wurde in diesem Punkt er­klärungsgemäß unter Nachprüfungsvorbehalt durchgeführt (§ 164 der Abga­benordnung ‑‑AO‑‑).

Im Rahmen der bei der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006 durchgeführten Außenprüfung vertraten die Prüfer und ihnen folgend der Be­klagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Auffassung, dass neben der Leihgebühr auch Abgrenzungsbeträge (Stückzinsaufwand) oder Kompen­sationszahlungen ‑‑im Streitjahr also Stückzinsaufwand in Höhe von 16.397.120 €‑‑ als gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 hinzuzurech­nende Entgelte für Dauerschulden zu beurteilen seien. Bei Anleihe und Zinsan­spruch handele es sich um zwei unterschiedliche und deshalb getrennt zu akti­vierende Wirtschaftsgüter. Dem Konto Wertpapiersachdarlehen seien die auf die Laufzeit des Wertpapiersachdarlehens entfallenden Stückzinsen aufwands­wirksam zuzuschreiben. Der darin zum Ausdruck kommende, durch den Zins­lauf der entliehenen Wertpapiere bei der Klägerin verursachte Aufwand sei wirtschaftlich als weiteres Entgelt für das Wertpapiersachdarlehen anzusehen.

Auf Antrag der Klägerin erging am 29.05.2012 ein Änderungsbescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2005, in dem die vom FA angenommenen wei­teren Entgelte in Höhe von 16.397.120 € gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zur Hälfte hinzugerech­net wurden. Der Nachprüfungsvorbehalt blieb bestehen.

Während des dagegen gerichteten Einspruchsverfahrens ergingen aus nicht streitbefangenen Gründen am 24.10.2012 und 29.09.2014 Änderungsbeschei­de. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit dem Änderungsbescheid vom 29.09.2014 aufgehoben.

Der Einspruch der Klägerin wurde mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 28.09.2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die während der Laufzeit eines Wertpapiersachdarlehens über festverzinsliche Anleihen aufge­laufenen Stückzinsen stellten keine Entgelte für Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 dar (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1121).

Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die von der Klägerin beim (Rück‑)Erwerb der Anleihen dem Veräußerer vergüteten Stückzinsen (2.) ge­hören ebenso wenig zu den Entgelten für sog. Dauerschulden wie die zwischen der Überlassung der Anleihen an die Klägerin und deren Rückgabe an die A Ltd. aufgelaufenen Stückzinsen (3.). Das FG hat deshalb zutreffend ent­schieden, dass sie dem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb nicht hinzu­zurechnen sind.

1. Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG 2002) sind gemäß § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 die "Hälfte der Entgelte für Schulden" hinzuzu­rechnen, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Eine solche Hinzurechnung setzt voraus, dass ein Darlehensverhältnis vorliegt, das als sog. Dauerschuld angesehen werden kann (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14.12.2011 ‑ I R 37/11, BFH/NV 2012, 993). Zinsen und andere als Entgelte zu behandelnde Aufwendungen des Darlehens­nehmers sind auf dieser Grundlage als Entgelte i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu qualifizieren.

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass das FG zutreffend davon ausgegangen ist, dass es sich bei den von der Klägerin aufgrund der erhalte­nen Anleihen passivierten Sachdarlehensverbindlichkeiten (§ 607 BGB) um Dauerschulden i.S. von § 8 Nr. 1 Alternative 3 GewStG 2002 handelt, weil sich durch die jeweils kurz vor dem Laufzeitende der einzelnen Wertpapiersachdar­lehen zwischen der Klägerin und der A Ltd. vereinbarten Folgeverträge eine Laufzeit von insgesamt mehr als einem Jahr ergab. Der wirtschaftliche Zu­sammenhang der einzelnen Sachdarlehen lässt die Begründung mehrerer ein­zelner Schuldverhältnisse in den Hintergrund treten und bewirkt eine einheitli­che Beurteilung (BFH-Urteile vom 06.06.1973 ‑ I R 257/70, BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670, und vom 16.01.1974 ‑ I R 254/70, BFHE 111, 425, BStBl II 1974, 388; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 1 Rz 27; Abschn. 45 Abs. 1 Satz 2 ff. der Gewerbesteuer-Richtlinien 1998).

2. Die von der Klägerin beim Erwerb der kurz darauf an die A Ltd. zurückgege­benen Anleihen für die Stückzinsen aufgewendeten Beträge sind nicht hinzuzu­rechnen, weil sie nicht i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu Betriebsausgaben geführt haben; sie sind im Übrigen auch keine "Entgelte für Schulden".

a) Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden nach § 8 GewStG 2002 die dort genannten Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Eine Hinzurechnung von Entgelten für Schul­den nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 setzt daher deren Abziehbarkeit als Be­triebsausgaben voraus. Der betreffende Aufwand muss bei der einkommen­steuerrechtlichen Gewinnermittlung eine Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen (BFH-Urteil vom 11.12.1997 ‑ IV R 92/96, BFH/NV 1998, 1222, Rz 13 und 19, betreffend Refinanzierungs­kredit für Darlehen an Schwestergesellschaft). Eine Gewinnabsetzung liegt da­her nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschafts­guts eingeht (z.B. Senatsurteil vom 30.07.2020 ‑ III R 24/18, BFHE 269, 342, BFH/NV 2021, 122; BFH-Urteil vom 20.05.2021 ‑ IV R 31/18, BFH/NV 2021, 1367, beide betreffend Mietaufwendungen als Teil von Herstellungskosten unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter).

b) Erwirbt ein Steuerpflichtiger ‑‑wie hier die Klägerin‑‑ Wertpapiere, um seine Verpflichtung zur Rückgabe von als Sachdarlehen erhaltenen Anleihen zu erfül­len, so hat er dem Veräußerer die seit dem letzten Zinszahlungstermin aufge­laufenen Stückzinsen zu vergüten. Die aufgrund des (Rück‑)Erwerbs der An­leihen an den Veräußerer ‑‑die X‑Bank‑‑ für die Stückzinsen gezahlten Beträge minderten den Gewinn der Klägerin jedoch nicht. Denn die Klägerin erhielt da­für ‑‑mit der erworbenen Anleihe‑‑ eine gleichwertige Zinsforderung, die als sonstiger Vermögensgegenstand zu aktivieren war (Schubert/Gadek in Beck Bil-Komm., 12. Aufl., § 255 HGB Rz 307; Brandis/Heuermann/Ehmcke, § 6 EStG Rz 858); der Vorgang war mithin erfolgsneutral.

Dabei ist unerheblich, ob das Wertpapier und der Stückzins buchhalterisch zu­treffend gesondert erfasst oder die Stückzinsen fälschlich als Teil der Anschaf­fungskosten des Wertpapiers behandelt werden. Für den Betriebsausgabenab­zug ist es ebenfalls unerheblich, ob die mit Stückzinsen von der X‑Bank er­worbene Anleihe tatsächlich über einen Bilanzstichtag gehalten und die erwor­benen Stückzinsen buchhalterisch erfolgsneutral behandelt und in der Bilanz aktiviert wurden. Maßgeblich ist insofern, dass die für den Erwerb der Stück­zinsen aufgewendeten Beträge den Gewinn der Klägerin nicht minderten, son­dern aufgrund der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich er­folgsneutral waren. Dies entspricht dem Senatsurteil in BFHE 269, 342, BFH/NV 2021, 122 und dem BFH-Urteil in BFH/NV 2021, 1367, wonach es für eine Hinzurechnung von Mietzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG 2002 darauf ankommt, ob diese sich unmittelbar als Betriebsausgaben ausgewirkt haben oder aber den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff erfüllen.

c) Einer Hinzurechnung der Beträge, die beim Erwerb der kurz darauf an die A Ltd. zurückgegebenen Anleihen für die Stückzinsen anfielen, steht weiter entgegen, dass es sich dabei nicht um Entgelte "für" Schulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG 2002 handelte.

aa) Als Entgelte für Schulden sind nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 nur die Gegen­leistungen für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital hinzuzurechnen (BFH-Urteile vom 09.08.2000 ‑ I R 92/99, BFHE 193, 141, BStBl II 2001, 609, betreffend nach der Darlehenssumme bemessene laufende Verwaltungskos­tenbeiträge; vom 30.04.2003 ‑ I R 19/02, BFHE 202, 357, BStBl II 2004, 192, betreffend aktivierte Bauzeitzinsen; vom 21.05.2014 ‑ I R 85/12, BFH/NV 2014, 1588, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2014, 1007, betreffend Freistellungsverpflichtung aus Kaufvertrag, und vom 29.03.2007 ‑ IV R 55/05, BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655, betreffend Avalgebühr für Ausfallbürgschaft). Leistungen, die nicht die Nutzung des Fremdkapitals abgel­ten, die also nicht mit der tatsächlichen Nutzung oder der Nutzungsmöglichkeit von Fremdkapital zusammenhängen, sondern für eine andere Leistung oder aus einem anderen Rechtsgrund erbracht werden, sind daher nicht hinzuzu­rechnen (vgl. Brandis/ Heuermann/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 41; Haisch/ Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz 260; Deloitte/ Bunzeck, GewStG, 2009, § 8 Nr. 1a Rz 19). Deshalb werden z.B. Bereitstel­lungszinsen nicht hinzugerechnet, weil durch sie nicht die Inanspruchnahme von Fremdkapital abgegolten wird, sondern die Zurverfügungstellung und das Bereithalten der erst später auszuzahlenden Gelder (BFH-Urteil vom 10.07.1996 ‑ I R 12/96, BFHE 181, 86, BStBl II 1997, 253; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl., § 8 Nr. 1 Buchst. a Rz 6b).

bb) Die beim Erwerb der Anleihen für die Stückzinsen aufgewendeten Beträge wurden nicht an die Darlehensgeberin für die Kapitalüberlassung gezahlt, son­dern an den Veräußerer für die Übertragung der Anleihen. Die Zahlungen be­ruhten auch nicht auf dem Darlehensverhältnis mit der A Ltd., d.h. der Entge­gennahme und Rückgabe der Anleihen, sondern auf dem Entschluss der Kläge­rin, die Anleihen nach ihrem Erhalt zu veräußern, sodass sie vor Fälligkeit des Sachdarlehens gleichartige Anleihen zurückerwerben und dabei die beim Ver­äußerer aufgelaufenen Stückzinsen vergüten musste. Hätte die Klägerin die Anleihen nicht sogleich nach Erhalt veräußert, sondern bis zur Rückgabe selbst gehalten, weil z.B. ihr Kapitalbedarf unerwartet entfiel, oder hätte sie die ihr überlassenen Anleihen zur Besicherung eines von einem Dritten gewährten Gelddarlehens eingesetzt, so wäre es nicht zum Wiedererwerb der Anleihen nebst aufgelaufener Stückzinsen gekommen. Der Klägerin wären dann ‑‑auch wirtschaftlich betrachtet‑‑ für das Sachdarlehen nur Aufwendungen in Höhe der vereinbarten sog. Leihgebühr von 0,7 % bzw. 0,48 % entstanden, die sie der A Ltd. schuldete.

Eine Zusammenfassung der Sachdarlehensverträge und der Forwards, durch die die zurückzugebenden Anleihen von der X‑Bank erworben wurden, wäre im Übrigen selbst dann ausgeschlossen, wenn beide ohne einander nicht denkbar wären, denn jedes einzelne Schuldverhältnis muss im Hinblick auf § 8 Nr. 1 GewStG 2002 grundsätzlich für sich beurteilt werden (BFH-Urteil in BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655, betreffend Avalgebühr, zur Zusammenfassung meh­rerer Schuldverhältnisse s. dort Rz 22). Einer (ausnahmsweisen) Zusammen­fassung von Sachdarlehen und Forwards stand danach entgegen, dass es der Klägerin frei stand, wann und von wem sie die Anleihen zurückerwerben woll­te.

3. Die im Zeitraum zwischen der Überlassung der Anleihen an die Klägerin und deren Rückgabe an die A Ltd. aufgelaufenen Stückzinsen sind ebenfalls nicht hinzuzurechnen. Sie stehen zwar mit der Überlassung des Sachdarlehens im Zusammenhang, es handelt sich jedoch auch insoweit nicht um "Entgelte für Schul­den" i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 2002.

a) Die Klägerin war nach § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, ein Darlehens­entgelt zu zahlen und bei Fälligkeit Anleihen "gleicher Art, Güte und Menge" zurückzugeben. Das Gesetz unterscheidet mithin zwischen der Rückgabe der Sache einerseits und der Zahlung eines Entgelts andererseits (vgl. dazu MüKoBGB/K. P. Berger, 8. Aufl., § 607 Rz 28 und 32).

Die Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers entsteht dabei nicht durch die im Abschluss des Darlehensvertrags manifestierte Vereinbarung der Par­teien, sondern ohne Weiteres kraft Gesetzes als Folge der Vereinbarung der zeitlich begrenzten Überlassung der vereinbarten vertretbaren Sache durch den Darlehensgeber; sie steht ‑‑anders als die Pflicht zur Zahlung des Ent­gelts‑‑ nicht im Synallagma (MüKoBGB/K. P. Berger, a.a.O., § 607 Rz 32).

Da die während der Darlehenslaufzeit aufgelaufenen Stückzinsen den Anleihen gewissermaßen innewohnten oder anhafteten und eine Rückgabe der Anleihen ohne die Stückzinsen oder aber nur mit den bis zum Empfang der Anleihen von der A Ltd. aufgelaufenen Stückzinsen ausgeschlossen war, erfüllte die Klägerin insoweit lediglich ihre gesetzliche Rückerstattungspflicht und leistete kein Entgelt. Entgelt für die Darlehensgewährung (§ 609 BGB) war danach le­diglich die in Nr. 5 des Rahmenvertrags vereinbarte sog. Leihgebühr, da es zu den in Nr. 6 des Rahmenvertrags geregelten Kompensationszahlungen nicht gekommen ist.

Die entgegenstehende Auffassung des FA liefe demgegenüber darauf hinaus, dass die Überlassung verzinslicher Anleihen im Wege eines unentgeltlichen Sachdarlehens ausgeschlossen wäre, weil Anleihen nicht von dem aufgelaufe­nen Zinsanspruch getrennt werden können oder dass ein unentgeltliches Sachdarlehen voraussetzen würde, dass der Darlehensgeber dem Darlehens­nehmer die aufgelaufenen Stückzinsen bei Rückgabe vergütet.

b) Die während der Darlehenslaufzeit aufgelaufenen Stückzinsen sind auch nicht als Entgelt i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 2002 zu behandeln, weil die Kläge­rin als Eigentümerin von Wertpapieren oder als Forderungsinhaberin der Anlei­hen nach § 101 BGB ein Recht auf deren Früchte ‑‑hier: Zinsen‑‑ hatte und auf diese gegenüber der A Ltd. verzichtet hat.

aa) § 101 BGB regelt das schuldrechtliche Verhältnis sukzessiv Fruchtzie­hungsberechtigter untereinander (Erman/J. Schmidt, BGB, 16. Aufl., § 101 Rz 1). Die dispositive Vorschrift des § 101 BGB kommt jedoch in der Praxis nur selten zur Anwendung (vgl. BFH-Urteil vom 21.05.1986 ‑ I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794, Rz 16 f.) und ist bei der Veräußerung von bör­sennotierten Wertpapieren nicht anwendbar, weil dort der Ausgleich schon im Kurswert berücksichtigt ist (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.04.2011 ‑ II ZR 237/09, BGHZ 189, 261, Rz 23; Staudinger/Stieper (2017), BGB § 101 Rz 7; MüKoBGB/Stresemann, 9. Aufl., § 101 Rz 11).

bb) Nach dem zwischen der Klägerin und der A Ltd. geschlossenen Rahmen­vertrag sollen die Zinsen der überlassenen Anleihen weiterhin der Verleiherin zustehen. In dieser konkludenten Abbedingung des § 101 Nr. 2 BGB liegt hin­sichtlich des Verzichts auf die Vergütung von Stückzinsen kein zusätzliches Entgelt für die Gewährung des Wertpapierdarlehens.

Denn ein Anspruch aus § 101 Nr. 2 BGB bestand nicht, weil es sich um bör­sennotierte Anleihen handelte. Die Annahme eines zusätzlichen Entgelts wäre aber selbst dann ausgeschlossen, wenn ein Anspruch der Klägerin aus § 101 Nr. 2 BGB hätte entstehen können. Denn eine vertragliche Vereinbarung, die die Anwendung des § 101 Nr. 2 BGB ausschließt, ist der Besteuerung grund­sätzlich zugrunde zu legen; die Früchte sind dann nicht anteilig dem Rechts­vorgänger zuzurechnen, weil sie während seiner Inhaberschaft oder Besitzzeit entstanden sind oder erwirtschaftet wurden (z.B. BFH-Beschluss vom 10.08.2004 ‑ I B 2/04, BFH/NV 2005, 239).

cc) Dem FA ist zuzugestehen, dass der Verzicht auf eine zustehende Forde­rung als Entgelt zu qualifizieren sein kann. Dies setzt indessen regelmäßig vo­raus, dass ein entsprechender Anspruch bereits besteht. Ein Entgelt ist daher nicht gegeben, wenn nicht ein bestehender Anspruch z.B. erlassen wird, son­dern ein ‑‑möglicher‑‑ Anspruch durch entsprechende Vertragsgestaltung nicht zur Entstehung gelangt. Eine Regelung, durch die von § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB abgewichen wird, ist ‑‑sofern nicht rechtsmissbräuchlich‑‑ steuerlich hin­zunehmen (BFH-Urteile vom 27.06.1978 ‑ VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674, und vom 09.03.1982 ‑ VIII R 160/81, BFHE 136, 72, BStBl II 1982, 540, bestätigt durch Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29.11.1982 ‑ GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteil vom 22.05.1984 ‑ VIII R 316/83, BFHE 141, 255, BStBl II 1984, 746, Rz 12).

c) Für das vorstehende Ergebnis ist unerheblich, wie der der Klägerin entstan­dene Aufwand für die dem Veräußerer der Anleihen vergüteten Stückzinsen oder die Sachdarlehensverbindlichkeit bilanziell dargestellt wurde. Die von der Klägerin vorgenommene Zuschreibung auf dem Wertpapierdarlehenskonto führt nicht dazu, dass dieser Betrag ‑‑was für die Hinzurechnung erforderlich wäre‑‑ als der A Ltd. zugeflossenes Entgelt für deren Sachdarlehen zu behan­deln wäre. Bilanzielle Bewertungs- bzw. Wertberichtigungsmaßnahmen im Schuldnervermögen sind nicht als Entgelt zu qualifizieren (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1588, HFR 2014, 1007, Rz 18; Haisch/Helios, a.a.O., § 4 Rz 260; vgl. auch Bundesministerium der Finanzen, Gewerbesteuer-Handbuch 2016, § 8 GewStG H 8.1 zu Teilwertabschreibungen).

d) Unerheblich ist auch, dass der Rückerwerb aufgrund des mit der Bank ver­einbarten Forwards bereits im Zeitpunkt der Veräußerung der Anleihen fest­stand. Ob die zurückgegebenen Anleihen vor Ende der Sachdarlehenslaufzeit unmittelbar von der X‑Bank geliefert (physical delivery) oder aber von Dritten oder an der Börse erworben wurden und die Bank aufgrund des Forwards le­diglich einen Barausgleich leistete, ist ebenfalls ohne Bedeutung.

e) Der Senat verkennt nicht, dass sich die Klägerin durch die gewählte Gestal­tung ‑‑Kombination des Sachdarlehens mit der Veräußerung und dem Rücker­werb der erhaltenen Anleihen, wobei die Stückzinsen zu vergüten waren‑‑ wirtschaftlich betrachtet ein Gelddarlehen verschafft hat, für das sie neben der Leihgebühr auch die Differenz der bei der Veräußerung der Anleihen vom Käu­fer erhaltenen und der von ihr beim Rückerwerb dem Verkäufer vergüteten Stückzinsen aufwenden musste, wobei die Rückgewähr zu einem Verlust der bis dahin ihr zustehenden Stückzinsen führte, während die A Ltd. sowohl die Leihgebühr als auch die während der Darlehenslaufzeit entstandenen Anlei­henszinsen erhalten hat.

Das ist für das Ergebnis des Rechtsstreits aber ohne Bedeutung, weil für die Bestimmung der hinzuzurechnenden "Entgelte für Schulden" der Gesetzes­wortlaut und grundsätzlich nicht eine davon abweichende wirtschaftliche Be­trachtungsweise maßgeblich ist. Für eine am Gesetzeswortlaut orientierte und gegen eine wirtschaftliche Auslegung hat sich der BFH im Übrigen auch ‑‑dort zu Gunsten der Verwaltung‑‑ beim Leasing im Doppelstockmodell sowie bei der Weiter- und Zwischenvermietung entschieden (Senatsurteil vom 11.12.2018 ‑ III R 23/16, BFHE 263, 260, BFH/NV 2019, 640; BFH-Urteile vom 08.12.2016 ‑ IV R 55/10, BFHE 256, 519, BStBl II 2017, 722; vom 04.06.2014 ‑ I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289, und Senatsurteil vom 17.07.2019 ‑ III R 24/16, BFHE 265, 379, BStBl II 2020, 48, Rz 25, of­fengelassen bei durchgeleitetem Darlehen).

Dies widerspricht schließlich auch nicht dem BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1588, HFR 2014, 1007. Denn jener Entscheidung liegt keine wirtschaftliche Betrach­tungsweise zugrunde, sondern die Erwägung, dass die monatlichen Zahlungen der dortigen Klägerin an die Verkäuferin nicht der Abwicklung oder Erfüllung des Kaufvertrags dienten, sondern die Klägerin auf den eigenständigen Rechtsgrund der Freistellungsverpflichtung zahlte, durch die wiederum die An­schaffung von Wirtschaftsgütern entgolten wurde.

f) Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass die gewählte Gestaltung als Miss­brauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) gewertet werden könnte. Die Beteiligten haben dazu nichts vorgetragen, und das FG hat nicht festgestellt, dass es sich um eine ungewöhnliche Gestaltung handelt.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

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