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BFH: Prozesskosten nur bei Gefährdung der materiellen Existenzgrundlage als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

  1. Unter der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist nur die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 18.5.2017, VI R 9/16, BFHE 258 S. 142, BStBl 2017 II S. 988 = SIS 17 14 30).
  2. Die in § 33b EStG normierten (einschränkenden) Voraussetzungen für den Behinderten-Pauschbetrag sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

EStG § 33 Abs. 1, § 33 Abs. 2 Satz 4, § 33b Abs. 2 Nr. 2
FGO § 68 Satz 1, § 127
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 2, Art . 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 27/18 (veröffentlicht am 5.11.2020)

Vorinstanz: FG München vom 7.5.2018, 7 K 257/17 = SIS 18 17 92

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die alleinerziehende Mutter ihrer am … 2006 geborenen Tochter C. Mit dem Vater der Tochter war sie nicht verheiratet. Die Klägerin machte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2013 bis 2015) neben hier nicht im Streit stehenden Krankheitskosten Aufwendungen für folgende Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastungen geltend:

Bei der Klägerin führten zwei Implantate zu Entzündungen und zum Abbau des Kieferknochens. Durch einen chirurgischen Eingriff mussten die Implantate sowie Teile des Kiefers entfernt werden. Letzterer wurde in mehreren Operationen künstlich wieder aufgebaut und es wurden neue Implantate eingesetzt. Die Klägerin strengte wegen (angeblicher) Behandlungsfehler einen Prozess gegen den Zahnarzt an und machte u.a. neben Behandlungskosten in Höhe von … € Schmerzensgeld in Höhe von … € geltend. Die Klage wurde in zweiter Instanz abgewiesen.

Der Vater von C, der zunächst keinen persönlichen Umgang mit seiner Tochter hatte, versuchte, einen solchen zunächst außergerichtlich, später auch gerichtlich durchzusetzen. Nachdem der vom Amtsgericht (AG) beauftragte Sachverständige feststellte, dass der persönliche Umgang mit dem Vater aus psychologischer Sicht nicht dem Kindeswohl entspreche, einigten sich die Klägerin und der Vater, dass ein persönlicher Umgang des Vaters mit C nicht i.S. des Kindeswohls sei. Der Umgang wurde auf Briefe und Geschenke, welche nicht persönlich überbracht werden durften, beschränkt. Die Gerichtskosten legte das AG der Klägerin und dem Kindesvater jeweils zur Hälfte auf, ihre außergerichtlichen Kosten hatten sie selbst zu tragen. Eine hiergegen von der Klägerin eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Zur Feststellung der Höhe des Unterhaltsanspruchs von C gegenüber ihrem Vater begehrte die Klägerin Auskunft über dessen Einnahmen. Dies führte zu einem gerichtlichen Verfahren, an dessen Ende der Vater sich bereit erklärte, den jeweiligen Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle bis über C 's 18. Lebensjahr hinaus zu zahlen. Der laufende Kindesunterhalt erhöhte sich dadurch zunächst von … € auf … € monatlich.

Im Einzelnen entstanden der Klägerin in Zusammenhang mit den vorgenannten Rechtsstreitigkeiten in den Streitjahren folgende Aufwendungen:

2013  
Behandlungsfehler Zahnarzt:
Rechtsanwalts- und Gerichtskosten
 
2.847,19 €
Umgangsrecht:
Rechtsanwaltskosten
 
229,55 €
Kindesunterhalt:
Gerichtskosten

324,00 €
Insgesamt 3.400,74 €
   
2014  
Behandlungsfehler Zahnarzt:
Gerichts- und Fahrtkosten

1.221,00 €
Umgangsrecht:
Rechtsanwalts-, Gerichts- und Fahrtkosten

898,17 €
Kindesunterhalt:
Rechtsanwalts- und Fahrtkosten

3.629,55 €
Insgesamt 5.748,72 €
   
2015  
Behandlungsfehler Zahnarzt:
Gerichtskosten

2.200,00 €
Umgangsrecht:
Rechtsanwalts- und Gerichtskosten

1.570,91 €
Kindesunterhalt:
Rechtsanwaltskosten

641,44 €
Insgesamt 4.412,35 €

Der Klägerin fehlt seit ihrer Geburt eine Niere. Das Versorgungsamt stellte bei ihr durch Bescheid deshalb eine Behinderung i.S. von § 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Nach dem Bescheid des Versorgungsamtes führt die Körperbehinderung nicht zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Renten oder sonstige Bezüge erhält die Klägerin wegen ihrer Behinderung nicht.

Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte für die Streitjahre die geltend gemachten Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Außerdem berücksichtigte er den von der Klägerin geltend gemachten Behinderten-Pauschbetrag nicht.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1960 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Die Einkommensteuerfestsetzungen seien insoweit rechtswidrig, als das FA die stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung nach der (geänderten) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 19.01.2017 - VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) nicht berücksichtigt habe. Ferner habe das FA die Aufwendungen der Klägerin in Zusammenhang mit dem Umgangsrechtsstreit zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Die weiter gehende Klage sei hingegen unbegründet.

Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Klägerin als auch das FA Revision eingelegt.

Das FA hat während des Revisionsverfahrens geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erlassen, mit denen es die zumutbare Belastung entsprechend dem Senatsurteil in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 neu berechnet hat.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts; das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2013, 2014 und 2015 vom 07.09.2018 dahin zu ändern, dass der Behinderten-Pauschbetrag in Höhe von jeweils 310 € für 2013 bis 2015 sowie weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.400,74 € (2013), 5.748,72 € (2014) und 4.412,35 € (2015) berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

II.

1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG entschieden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat über die Einkommensteuerbescheide für 2013 vom 16.10.2014, für 2014 vom 11.02.2016 und für 2015 vom 27.10.2016, jeweils in Gestalt der Teileinspruchsentscheidungen vom 11.01.2017 entschieden. An deren Stelle sind während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom 07.09.2018 getreten, die nach § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Damit liegen dem FG-Urteil nicht mehr existierende Bescheide zugrunde. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos geworden und aufzuheben (s. Senatsurteil vom 22.02.2018 - VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 17, m.w.N.). Da sich durch die Bescheidänderung hinsichtlich der im Revisionsverfahren streitigen Punkte keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es allein insoweit keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel (s. dazu unten II.6.), so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats in der Sache (s. Senatsurteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 17, m.w.N.).

2. Der Senat kann auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz in der Sache selbst entscheiden. Die gemäß § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordenen Einkommensteuerbescheide vom 07.09.2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 100 Abs. 1 Satz 1, 121 FGO).

3. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

a) Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen in Zusammenhang mit dem Umgangs- und dem Unterhaltsrechtsverfahren sowie bei den Aufwendungen für den Arzthaftungsprozess handelte es sich um Prozesskosten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit von weiteren Ausführungen ab.

b) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist nach dem Senatsurteil vom 18.05.2017 - VI R 9/16 (BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 16 ff.) die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen. Zwar hat der erkennende Senat die Möglichkeit in Betracht gezogen, den gesetzlich nicht definierten Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn zu deuten, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis.

Im Hinblick auf den Wortlaut, das bisherige Verständnis des Begriffs der Existenzgrundlage in der Rechtsprechung und die Entstehungsgeschichte der Norm hat er jedoch entschieden, dass unter dem Begriff der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen ist (ausführlich Senatsurteil in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 16 ff.).

bb) An diesem Verständnis des Begriffs der Existenzgrundlage i.S. der materiellen Lebensgrundlage hält der Senat fest. Es gilt allgemein im Anwendungsbereich des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG und nicht nur für den Fall von Scheidungskosten.

(1) Weder das FG noch die Klägerin haben neue, durchgreifende Argumente vorgebracht, die der Senat bei seiner Entscheidung in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988 noch nicht berücksichtigt hätte. Vielmehr sprechen die Rechtsprechungshistorie (hierzu Senatsurteil in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 17 ff.) und die wörtliche Übernahme der von der BFH-Rechtsprechung verwendeten Formulierung durch den Gesetzgeber klar dafür, dass dieser auch inhaltlich an die Rechtsprechung mit einem rein materiellen Verständnis des Begriffs der Existenzgrundlage angeknüpft hat (so bereits Senatsurteil in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 22).

(2) Die Rechtsprechung des BFH hatte für die Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten drei Fallgruppen entwickelt. Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte sie Zivilprozesskosten (1.) bei Aufwendungen für Scheidungen einschließlich bestimmter Scheidungsfolgesachen (hierzu z.B. Senatsurteil vom 20.01.2016 - VI R 70/12, Rz 18 ff.) an, (2.) wenn der Prozess einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder (3.) den Kernbereich menschlichen Lebens berührte.

Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er i.S. der Fallgruppe zu (2.) trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (z.B. BFH-Urteile vom 09.05.1996 - III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und vom 27.08.2008 - III R 50/06, BFH/NV 2009, 553).

Eine weitere Ausnahme erkannte der BFH in der Fallgruppe zu (3.) bei Streitigkeiten an, die einen Kernbereich des menschlichen Lebens berührten (BFH-Urteil vom 04.12.2001 - III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382). Unter diesem Gesichtspunkt hat der BFH jedoch nur in einem Urteil Aufwendungen für einen Familienrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen. Dieses Urteil betraf einen Rechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinen nichtehelichen Kindern unter Geltung des § 1711 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 30.06.1998 geltenden Fassung (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382). Der BFH hat eine solche Fallgestaltung zudem ausdrücklich nicht unter die bereits bestehende Ausnahme des Verlusts der Existenzgrundlage gefasst. In allen anderen Fällen, die Streitigkeiten über das Umgangsrecht außerhalb des sogenannten Zwangsverbunds bei Ehescheidungen betrafen, hat der BFH dagegen die Abziehbarkeit als außergewöhnliche Belastungen verneint (aus neuerer Zeit z.B. Senatsurteile vom 10.03.2016 - VI R 38/13, und vom 28.04.2016 - VI R 15/15; zustimmend z.B. Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 33 Rz 47b). Auch daran hält der erkennende Senat fest. Streitigkeiten über das Umgangsrecht berühren grundsätzlich nicht den existenziell wichtigen Bereich (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; FG des Saarlandes, Urteil vom 13.12.2017 - 2 K 1316/16, EFG 2018, 1654, Rz 23; Blümich/K. Heger, § 33 EStG Rz 222 und 224).

(3) Aus der Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ergibt sich, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die gewählte Gesetzesformulierung nicht nur Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wissen wollte (hierzu ausführlich Senatsurteil in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 23 ff.). Er wollte vielmehr die Abziehbarkeit von Prozesskosten allgemein auf Fälle beschränken, in denen der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Denn der Gesetzgeber hat nur diese von der Rechtsprechung geprägte Fallgruppe als Ausnahme von dem grundsätzlichen Abzugsverbot für die Prozesskosten in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG kodifiziert. Die beiden weiteren Ausnahmen betreffend Scheidungskosten und Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die einen Kernbereich des menschlichen Lebens berühren, hat der Gesetzgeber gerade nicht in das Gesetz übernommen.

Der Gesetzgeber hat zudem klargestellt, die Abziehbarkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen auf "einen engen Rahmen" beschränken zu wollen (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46). Die vom Bundesrat vorgeschlagene Einführung eines § 33 Abs. 3a EStG, durch den die Abziehbarkeit von Prozesskosten --wie vom Bundesrat ursprünglich vorgesehen-- auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränkt werden sollte (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35), ist demgegenüber nicht Gesetz geworden. Dies spricht dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte (Senatsurteil in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 34; a.A. z.B. Mellinghoff, a.a.O., § 33 Rz 47a und 47c). Folge hiervon ist, dass nicht nur Scheidungskosten, sondern auch Aufwendungen für Streitigkeiten, die einen Kernbereich des menschlichen Lebens berühren, als solche gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht mehr als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind (ebenso Blümich/K. Heger, § 33 EStG Rz 220; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 33 EStG Rz 97a). Denn auch letztere haben im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden.

Für eine Auslegung, dass gleichwohl Aufwendungen für Streitigkeiten, die einen Kernbereich des menschlichen Lebens berühren, mithin die "immaterielle Existenzgrundlage" des Steuerpflichtigen betreffen, nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG abzugsfähig sind, ist daher kein Raum.

cc) Entgegen der Ansicht des FG und der Klägerin ist es auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Begriffe der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG (auch) in einem immateriellen Sinne zu deuten.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleiten ist (Senatsurteil in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 36). Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13.02.2008 - 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29.05.1990 - 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 02.09.2015 - VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteile vom 18.06.2015 - VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, und in BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988, Rz 37). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

(3) Aus Art. 6 GG folgt nichts anderes. Entgegen der Ansicht des FG und der Klägerin geht die grundsätzlich bestehende Pflicht des Staates zur Förderung der Familie nicht so weit, dass dieser gehalten wäre, jegliche die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen (BVerfG-Beschluss vom 07.05.1968 - 1 BvR 133/67, BVerfGE 23, 258, unter B.III.).

(4) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG verfassungswidrig, weil ein Steuerpflichtiger aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols verpflichtet ist, (zivilrechtliche) Ansprüche regelmäßig nur mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen oder abzuwehren.

Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz 22, m.w.N.). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz 22; dazu auch G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht 2013, 1867, 1871). Geht es bei einem Zivilprozess nicht um einen Bereich, der das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Der Gesetzgeber ist daher von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, Zivilprozesskosten in weiterem Umfang als geschehen zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen.

Im Übrigen sollen auch die Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe (PKH) den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (s. BVerfG-Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94, 802, 887, 997, 1094, 1158, 1247, 1274, 1439, 1513/88, BVerfGE 81, 347, unter C.I.1.). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht aber nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt insbesondere nicht darauf ab, Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen (Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800, Rz 24).

4. Nach diesen Maßstäben kommt eine Berücksichtigung der streitgegenständlichen Prozesskosten nicht in Betracht.

a) Bezüglich der Aufwendungen in Zusammenhang mit dem Rechtsstreit über das Umgangsrecht ist das FG von unzutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Es hat zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin ohne die Aufwendungen für den Umgangsrechtsstreit Gefahr liefe, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Dem lag zugrunde, dass die Vorinstanz die Begriffe der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse rechtsfehlerhaft auch in einem immateriellen Sinne verstanden hat.

Der Begriff der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG umfasst --wie oben dargelegt-- jedoch nur die materielle Lebensgrundlage. Diese war im Streitfall allerdings nicht gefährdet, selbst wenn die Klägerin die Aufwendungen für den Umgangsrechtsstreit nicht getätigt hätte. Denn dieser Rechtsstreit betraf keine finanziellen Ansprüche.

b) Die Aufwendungen der Klägerin für den Unterhaltsrechtsstreit sind ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Die Klägerin wollte mit diesem Verfahren einen höheren Unterhalt für ihre Tochter von dem Kindesvater erstreiten. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) lief die Klägerin nicht Gefahr, ohne den höheren Kindesunterhalt ihre (materielle) Existenzgrundlage zu verlieren. Diese Feststellung konnte das FG --ohne gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu verstoßen-- bereits aufgrund der sich aus den Steuerbescheiden ergebenden Einkommensverhältnisse der Klägerin treffen.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe in der mündlichen Verhandlung vor dem FG dargelegt, dass sie aufgrund ihrer in den Streitjahren frei verfügbaren Einkommen armutsgefährdet gewesen sei, ergibt sich solches weder aus der Sitzungsniederschrift noch aus den den Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG. Der Beurteilung des BFH unterliegt dabei nur dasjenige erstinstanzliche Beteiligtenvorbringen, das sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt (§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Beschluss vom 29.09.2000 - V B 26/00, BFH/NV 2001, 326). Im Übrigen könnte der Senat selbst unter Berücksichtigung der von der Klägerin in der Revisionsinstanz dargelegten frei verfügbaren Einkommen nicht von einer Existenzgefährdung der Klägerin ausgehen.

c) Die Klägerin war schließlich auch nicht gezwungen, den Arzthaftungsprozess zu führen, um einer Gefährdung ihrer Existenzgrundlage zu begegnen. Das FG hat auch bezüglich der Aufwendungen für diesen Rechtsstreit nicht festgestellt, dass der Schadensersatzprozess zur Sicherung der materiellen Existenzgrundlage der Klägerin notwendig war. Auch an diese Feststellung ist der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie ist unter Berücksichtigung von Höhe und Inhalt der geltend gemachten materiellen Schadensersatzansprüche unter Berücksichtigung der hierzu vorliegenden Senatsrechtsprechung (s. Senatsurteil vom 17.12.2015 - VI R 78/13, Rz 10) nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend. Der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch betrifft von vornherein keinen existenziell wichtigen Bereich (s. Senatsurteile vom 17.12.2015 - VI R 78/13, Rz 10, und vom 17.12.2015 - VI R 7/14, BFHE 252, 418, BStBl II 2018, 742, Rz 19, 20).

5. Der Behinderten-Pauschbetrag gemäß § 33b EStG steht der Klägerin nicht zu, wie das FG ebenfalls zutreffend entschieden hat.

a) Behinderte Steuerpflichtige können wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihnen unmittelbar infolge ihrer Behinderung erwachsen, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pauschbetrag nach § 33b Abs. 2 EStG geltend machen (sogenannter Behinderten-Pauschbetrag). Den Behinderten-Pauschbetrag erhalten nach § 33b Abs. 2 EStG:

  • Behinderte, deren GdB auf mindestens 50 festgestellt ist (§ 33b Abs. 2 Nr. 1 EStG)
  • Behinderte, deren GdB auf weniger als 50, aber mindestens auf 25 festgestellt ist, wenn dem Behinderten wegen seiner Behinderung nach gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, und zwar auch dann, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist (§ 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht (§ 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG).

Nach Maßgabe der genannten Vorschriften steht der Klägerin kein Behinderten-Pauschbetrag zu. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin könnte sich dem Grunde nach nur auf § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a oder Buchst. b EStG stützen, da der Grad ihrer Behinderung nach den Feststellungen des Versorgungsamts mit 30 weniger als 50 aber mindestens 25 beträgt. Der Klägerin stehen wegen ihrer Behinderung aber nach gesetzlichen Vorschriften keine Renten oder anderen laufenden Bezüge zu. Die Behinderung führt bei der Klägerin auch nicht zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit und beruht nicht auf einer typischen Berufskrankheit. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren auch kein Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit von einer weiteren Begründung ab.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die in § 33b EStG normierten (einschränkenden) Voraussetzungen für den Behinderten-Pauschbetrag mit dem Grundgesetz vereinbar (ebenso BFH-Urteil vom 28.09.2000 - III R 21/00, BFH/NV 2001, 435; BFH-Beschluss vom 20.03.2003 - III B 84/01, BFH/NV 2003, 1164, Verfassungsbeschwerde durch BVerfG-Beschluss vom 17.01.2007 - 2 BvR 1059/03 nicht zur Entscheidung angenommen; Schmidt/Loschelder, EStG, 39. Aufl., § 33b Rz 3; Blümich/K. Heger, § 33b EStG Rz 8; Schüler-Täsch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33b EStG Rz 7; Hufeld in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33b Rz A 52). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 33b EStG werden im Schrifttum allenfalls im Hinblick auf die Höhe des seit Jahrzehnten unverändert gebliebenen Behinderten-Pauschbetrags geltend gemacht. Hierauf kommt es im Streitfall indessen nicht an, da der Klägerin der Behinderten-Pauschbetrag bereits dem Grunde nach nicht zusteht.

Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

aa) Die streitgegenständliche Regelung des § 33b EStG dient der pauschalen Berücksichtigung und Abgeltung von typischerweise bei Körperbehinderten anfallenden außergewöhnlichen Belastungen. Typisierende und pauschalierende Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen sind im Bereich der Steuergesetzgebung häufig anzutreffen. Steuergesetze müssen typisieren, d.h. geringfügige oder in besonders gelagerten Fällen auftretende Ungleichheiten in Kauf nehmen, um praktikabel zu sein. Durch eine pauschale Abgeltung von typischerweise entstehenden Aufwendungen gelingt es ferner, das Steuerfestsetzungsverfahren zu erleichtern und die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel zu berücksichtigen (s. BVerfG-Beschluss vom 10.04.1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, beginnend unter B.I.1., m.w.N.). Um die genannten Ziele der Praktikabilität und der Steuervereinfachung zu erreichen, darf der Gesetzgeber sich --innerhalb eines weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums-- typisierender, generalisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Er ist insbesondere nicht gehalten, allen Besonderheiten des Einzelfalles durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfG-Urteil vom 07.12.1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, und BVerfG-Beschluss in BVerfGE 96, 1, beginnend unter B.I.1.).

Im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums sind steuerrechtliche Regelungen im Lichte des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG auszugestalten. Dabei erscheinen Pauschalregelungen --wie die streitgegenständliche Vorschrift-- unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit der Besteuerung nur dann vertretbar, wenn sie sich auf einen eindeutig abgrenzbaren Personenkreis beziehen und bei diesem Personenkreis erfahrungsgemäß Aufwendungen in etwa der Höhe der Pauschbeträge anfallen. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls nicht verletzt, wenn Personen, bei denen die Voraussetzungen der Pauschalierungsregelung nicht zutreffen, darauf verwiesen werden, ihre tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die Zwecke der steuerlichen Berücksichtigung im Einzelnen dem FA gegenüber glaubhaft zu machen oder nachzuweisen (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 435).

So verhält es sich auch im Streitfall. Die Einschränkungen des § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Ziel der Pauschalregelung nicht eine allgemeine Begünstigung von Körperbehinderten, sondern lediglich eine pauschale Abgeltung der diesem Personenkreis typischerweise entstehenden Aufwendungen ist. Soweit behinderte Personen die in § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG genannten gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, bleibt es ihnen unbenommen, ihre tatsächlich anfallenden, auf die Körperbehinderung zurückzuführenden Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG geltend zu machen. Schon aus diesem Grund ist die in § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG enthaltene Pauschalregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen behinderten Menschen, die die Voraussetzungen in § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG erfüllen, und denjenigen, die dies --wie die Klägerin-- bei einem identischen GdB nicht tun, begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie ist nach Ansicht des erkennenden Senats aufgrund der spezifischen Besonderheiten beider Behindertengruppen gerechtfertigt. Dem Gesetzgeber steht --wie bereits dargelegt-- im Steuerrecht ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zur Schaffung typisierender, generalisierender und pauschalierender Regelungen zu. In diesem Zusammenhang ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG davon ausgeht, dass Steuerpflichtige, denen wegen einer Behinderung eine Rente oder andere laufende Bezüge zustehen, deren körperliche Beweglichkeit dauerhaft beeinträchtigt ist oder die an einer Berufskrankheit leiden, in größerem Umfang Aufwendungen tätigen müssen als andere behinderte Steuerpflichtige mit demselben GdB.

Auch insoweit lässt sich dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht entnehmen, dass behinderte Steuerpflichtige, die die gesetzlichen Anforderungen des § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG nicht erfüllen, dadurch verfassungswidrig benachteiligt sind, dass sie ihre ggf. entstandenen Aufwendungen im Wege des Einzelnachweises nach § 33 Abs. 1 EStG geltend machen müssen.

bb) § 33b EStG ist auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verfassungsrechtlich unbedenklich.

Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Vorschrift untersagt jegliche Benachteiligung wegen einer Behinderung. Auf den Grund der Behinderung kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Person in der Fähigkeit zur individuellen und selbstständigen Lebensführung längerfristig beeinträchtigt ist (BVerfG-Beschluss vom 29.01.2019 - 2 BvC 62/14, BVerfGE 151, 1, Rz 54). Eine Benachteiligung i.S. von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt vor, soweit dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme hinlänglich kompensiert wird. Menschen mit Behinderungen werden demnach benachteiligt, wenn ihre Lebenssituation im Vergleich zu derjenigen Nichtbehinderter durch staatliche Maßnahmen verschlechtert wird. Dies ist der Fall, wenn ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten werden, die anderen offenstehen. Untersagt sind letztlich alle Ungleichbehandlungen, die für Behinderte zu einem auch nur mittelbaren Nachteil führen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 151, 1, Rz 55, m.w.N.). Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beinhaltet außer einem Benachteiligungsverbot auch einen Förderauftrag. Er vermittelt einen Anspruch auf die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen, personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten (BVerfG-Beschluss vom 08.10.1997 - 1 BvR 9/97, BVerfGE 96, 288, unter C.I.2.b aa).

Die Klägerin versucht im Streitfall, aus der hiernach in erster Linie als Benachteiligungsverbot konzipierten Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Behinderten-Pauschbetrag abzuleiten. Beim Behinderten-Pauschbetrag geht es jedoch nicht um die Kompensation von Nachteilen i.S. eines Ausschlusses von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten, die durch die öffentliche Gewalt verursacht oder zumindest beeinflusst worden wären. Vielmehr fordert die Klägerin eine staatliche Steuervergünstigung in Form eines pauschalierenden Abzugsbetrags zum Ausgleich von behinderungsbedingten Nachteilen oder zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe ein. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG stellt hierfür jedoch keinen geeigneten Anknüpfungspunkt dar (s.a. BVerfG-Beschluss vom 01.02.2018 - 1 BvR 1379/14, Rz 12). Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber insbesondere nicht, unabhängig vom Nachweis eines behinderungsbedingten Mehraufwands, einen bestimmten Betrag pauschal zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuzulassen.

Auch der in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zum Ausdruck kommende Förderauftrag gibt dem Gesetzgeber nicht vor, ab welchem GdB er unter welchen Voraussetzungen ohne weiteren Nachweis einem behinderten Menschen eine Steuervergünstigung gewähren muss. Der Verfassung lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, behinderte Steuerpflichtige durch Gewährung großzügiger Pauschalen von jeglichem Nachweis freizustellen.

6. Der Senat hat die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge geprüft. Er erachtet sie jedoch nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 FGO).

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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