BFH: Besteuerungsrückfall bei unterschiedlicher Abkommensanwendung

Der Begriff der Einkünfte i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 erfasst positive und negative Einkünfte, so dass abkommensrechtlich steuerfrei gestellte Verluste bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vom Besteuerungsrückfall erfasst werden und im Inland ungeachtet des Abkommens abziehbar sind.

BFH-Urteil vom 11.7.2018, I R 52/16 (veröffentlicht am 19.12.2018)

EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1

Vorinstanz: FG München vom 3.6.2016, 1 K 848/13 (EFG 2017 S. 304 = SIS 17 01 25)

A. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren (1991 bis 2004) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in dieser Zeit im Inland als selbständiger Rechtsanwalt unter der Kanzleibezeichnung X und Partner Rechtsanwälte berufstätig.

Der Kläger eröffnete im Jahr 1991 in Brüssel ein Anwaltsbüro (Büro Brüssel) in angemieteten, zweckentsprechenden Räumlichkeiten (Besprechungsräume, Bibliothek u.Ä.). Der Büromietvertrag bestand durchgängig bis zur Kündigung im Jahr 2010. Danach mietete der Kläger mit Vertrag vom 12.5.2010 ein "Anschlussbüro". Seit Ende 2012 ist der Kläger in Brüssel in keinerlei Organisationsform mehr präsent.

Bis zum 30.9.1992 war zunächst kein Anwalt im Büro Brüssel tätig. Halbtags wurde als Ansprechpartnerin eine Teilzeitsekretärin beschäftigt, die in geringem Umfang auch Verwaltungstätigkeiten erledigte.

Seit Oktober 1992 war in unterschiedlicher Ausprägung, gleichwohl aber durchgängig, ein Anwalt präsent, der in der Brüsseler Kanzlei Dienste erbrachte, die nach der damals gültigen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGebO) zumindest als Rat, Auskunft (§ 20 BRAGebO) oder Gutachten (§ 21 BRAGebO) abrechenbar waren. Im Übrigen diente das Büro als Repräsentanz der Kanzlei X und Partner in Brüssel. Letzteres ergab sich auch aus dem Briefkopf der Kanzlei.

Von Oktober 1992 bis März 1994 war Rechtsanwalt S im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Büro Brüssel tätig. Während seiner Tätigkeit für den Kläger verfügte S über zwei Wohnsitze, einen im Inland und einen in Brüssel. Er war nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Rechtsanwalt zugelassen, sondern ab Ende 1993 bei der Anwaltskammer in Brüssel als "Membre Associé" registriert. Seine Tätigkeit in Brüssel bestand darin, für die Kanzlei bei den europäischen Institutionen Informationen zu erlangen und Kontakte herzustellen, die nur vor Ort in Brüssel beschafft werden konnten. Von den Tätigkeiten des S in Brüssel entfielen ca. 60 % auf die Repräsentation des Büros, 10 % auf die rechtliche Beratung von Mandanten, je 5 % auf die Erstellung von Gutachten, rechtlichen Stellungnahmen, rechtlichen Recherchen und die Büroverwaltung. Im Übrigen (ca. 10 %) war er im Inland zur Erlangung weiterer Mandate sowie zur Gestaltung von Verträgen und der Vertretung vor Gericht tätig.

Ab Mitte 1994 beschäftigte der Kläger KS, einen ehemaligen Abteilungsdirektor der EU-Kommission. KS war seit 1994 in B (Inland) als Rechtsanwalt zugelassen und verfügte dort über ein Büro.

Mit KS schloss der Kläger einen Vertrag über freie Mitarbeit, in dem u.a. festgelegt wurde, dass die Anwaltstätigkeit i.S. der Bundesrechtsanwaltsordnung ausschließlich im Rahmen der Kanzlei X und Partner auszuüben sei. Die Honorarnoten zur anwaltlichen Tätigkeit seien nur im Rahmen der Kanzlei X und Partner zu stellen. Alle Mandate, gleich welcher Art, sollten dabei als Mandate der Kanzlei X und Partner gelten. Die Honorareinnahmen wurden nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel verteilt. Die Kooperation mit KS dauerte bis 2004.

KS nutzte das Büro Brüssel, um die Kanzlei des Klägers in Brüssel zu repräsentieren. Er erhielt hierfür zwar keine besondere Vergütung, KS bearbeitete aber im Büro Brüssel, wie auch mehrfach monatlich im Büro in B, Mandate. Das Unterhalten des Büro Brüssel verursachte in allen Streitjahren erhebliche Verluste.

Während der Kläger vorinstanzlich die Ansicht vertrat, dass das Büro angesichts seiner Ausrichtung als Repräsentanz in Brüssel nicht als feste Einrichtung qualifiziert werden könne, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Anschluss an mehrere Betriebsprüfungen davon aus, dass der Kläger in Brüssel über eine feste Einrichtung i.S. des Art. 14 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11.4.1967 - DBA-Belgien - (BGBl II 1969, 18, BStBl I 1969, 39) verfügt habe und dem Königreich Belgien nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des genannten Abkommens daher das Recht zur Besteuerung der der festen Einrichtung zuzurechnenden Einkünfte zustehe. Die Verluste des Büros Brüssel seien im Inland lediglich bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) zu berücksichtigen.

Dem folgte das Finanzgericht (FG) München in seinem Urteil vom 3.6.2016, 1 K 848/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2017, 304) nicht. Es ging zwar vom Vorliegen einer festen Einrichtung in den Jahren 1991 bis 2004 aus. Wie die in den Jahren 2008 und 2010 erteilten Bescheinigungen zeigten, sei aber das Abkommen von den belgischen Behörden auf eine Weise angewandt worden, die zu einer Nichtbesteuerung der Einkünfte in Belgien geführt habe. Dadurch sei es gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) - EStG 2002/2007 - (i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007) zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland mit der Folge gekommen, dass die Brüsseler Verluste als Betriebsausgaben im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung abzuziehen seien.

Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Es beantragt, das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich Einkommensteuer 1991 bis 2004 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

B. Die Revision ist zulässig und begründet.

I. Die Revision ist zulässig.

Das FA hat nicht lediglich Verfahrensrügen erhoben, sondern auch die Verletzung sachlichen Rechts geltend gemacht (Sachrüge). Es hat unter - den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügender - Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass die tatsächlichen Feststellungen des FG lückenhaft sind und die rechtliche Würdigung des FG nicht von ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen ist. Derartige Mängel betreffen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das materielle Recht und nicht das Verfahrensrecht (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 100, m.w.N.). Ob die materiellen Rechtsfehler tatsächlich vorliegen, ist allein Gegenstand der Begründetheit der Sachrüge. Da diese in zulässiger Weise erhoben wurde, kommt es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht mehr darauf an, ob auch die zusätzlich vom FA erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung des § 96 Abs. 1 FGO ordnungsgemäß (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO) angebracht wurde (vgl. § 118 Abs. 3 FGO; hierzu Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 Rz 66, 73).

II. Die Revision ist begründet.

Die Annahme des FG, das Besteuerungsrecht sei gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002/2007 an Deutschland zurückgefallen, ist nicht von ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen. Das Fehlen ausreichender Feststellungen stellt einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der - auch ohne Rüge - zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (BFH-Urteile vom 27.4.1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670; vom 10.6.2008 VIII R 76/05, BFHE 222, 313, BStBl II 2008, 937; Senatsurteil vom 12.8.2015 I R 2/13, BFH/NV 2016, 47).

1. Die der Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002/2007 rechtssystematisch vorgehende Beurteilung des Streitfalles nach Maßgabe des EStG und des DBA-Belgien durch das FG ist frei von Rechtsfehlern.

a) Dies gilt zunächst dafür, dass der Kläger in den Streitjahren seinen (einzigen) Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung in Deutschland hatte und er deshalb mit seinem Welteinkommen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG unterlag. Nach Maßgabe des EStG waren somit die Aufwendungen für das Büro Brüssel bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) zu berücksichtigen.

b) Das FG hat weiterhin zu Recht angenommen, dass nach abkommensrechtlichen Maßstäben das Besteuerungsrecht für die dem Büro Brüssel zuzurechnenden (negativen oder positiven) Einkünfte dem Königreich Belgien zustand.

aa) Der Kläger war aufgrund seines einzigen Wohnsitzes in Y in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien) und in Belgien bezog er Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus einer dort belegenen festen Einrichtung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA-Belgien). Das FG hat zu Recht die Qualifikation des Büro Brüssel als feste Einrichtung i.S. der genannten Bestimmung als zweifelsfrei bezeichnet. Soweit die Kläger in erster Instanz dies noch mit dem Hinweis bestritten haben, das Büro Brüssel sei eine reine Repräsentanz gewesen, in der keine persönlichen Anwaltsarbeiten erbracht worden seien (vgl. Senatsurteil vom 25.11.2015 I R 50/14, BFHE 253, 52, BStBl II 2017, 247, zum Erfordernis der persönlichen Arbeitsausübung eines Freiberuflers in der ständigen Einrichtung), haben sie in der Revisionsinstanz keine diesbezüglichen Einwendungen mehr erhoben. Im Übrigen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass im Büro Brüssel durchgehend ein Berufsträger präsent gewesen sei, der anwaltstypische Leistungen wie Rat oder Gutachten erbracht habe. Verfahrensrügen haben die Kläger im Hinblick auf diese tatsächlichen Feststellungen nicht erhoben; der Senat ist daher an diese gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

bb) Ob, wie vom FG geprüft und im Ergebnis verneint, Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien auf ständige Einrichtungen i.S. des Art. 14 DBA-Belgien analog mit der Folge anzuwenden ist, dass ständige Einrichtungen, in denen lediglich vorbereitende oder Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, nicht als solche zu gelten hätten (zum Streitstand vgl. z.B. Hagemann, Internationales Steuerrecht - IStR - 2017, 589; Tcherveniachki in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 14 a.F. Rz 45 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 14 Rz 68), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Auch insoweit ist auf die bindenden Tatsachenfeststellungen des FG zu verweisen, wonach im Büro Brüssel typische Anwaltstätigkeiten von einem Berufsträger ausgeübt wurden und es nicht lediglich eine "Anlaufstelle" oder Repräsentanz gewesen ist.

cc) Im Hinblick auf das dem belgischen Staat von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA-Belgien gewährte Besteuerungsrecht war die drohende Doppelbesteuerung von Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Klägers gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 DBA-Belgien durch Freistellung (unter Progressionsvorbehalt) zu beseitigen. Die Freistellung bezieht sich nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Symmetriethese auf positive wie negative Einkünfte (z.B. Senatsurteile vom 9.6.2010 I R 107/09, BFHE 230, 35, BFH/NV 2010, 1744; vom 5.2.2014 I R 48/11, BFHE 244, 371, BFH/NV 2014, 963).

2. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002/2007 im Streitfall erfüllt und deshalb die in Belgien angefallenen Verluste von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer abzuziehen sind. Es fehlen ausreichende Tatsachenfeststellungen des FG.

a) Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, so wird die Freistellung der Einkünfte ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn der andere Staat - hier Belgien - die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können; die Regelung ist rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen anzuwenden (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002/2007).

b) Die Norm setzt einen sog. (negativen) Qualifikationskonflikt voraus. Dazu kann es kommen, wenn die Vertragsstaaten von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen (Subsumtionskonflikt), wenn sie Abkommensbestimmungen unterschiedlich - ggf. auch rechtsfehlerhaft - auslegen (Auslegungskonflikt) oder wenn sie aufgrund einer Art. 3 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen) entsprechenden Abkommensvorschrift (wie hier Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien) Abkommensbegriffe nach ihrem nationalen Steuerrecht unterschiedlich auslegen. Ursache für die Nichtbesteuerung muss danach immer die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens sein. Nicht ausreichend und den tatbestandlichen Anforderungen nicht genügend ist hingegen eine internrechtliche Steuermaßnahme, wie beispielsweise der Verzicht auf das abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht (Senatsurteil vom 24.8.2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764; vgl. auch Senatsurteil vom 21.1.2016 I R 49/14, BFHE 253, 115, BStBl II 2017, 107).

c) Dem FG ist darin zu folgen, dass die Norm in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist. Zwar löste die entsprechende Regelung in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002/2007 eine Rückwirkung aus, die dem Senat zu Zweifeln an der Verfassungskonformität Anlass gegeben hat (Senatsbeschluss vom 19.5.2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156). Allerdings hat der Gesetzgeber mit der zeitlichen Anwendungsbestimmung die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens des Steuerpflichtigen im Streitfall nicht nachträglich belastend geändert (vgl. Senatsurteil vom 15.4.2015 I R 54/13, BFHE 254, 519, BStBl II 2017, 136). Vielmehr hat er dessen Rechtsposition verbessert, weil die Regelung zu einer sonst nicht möglichen Verlustberücksichtigung bei der Ermittlung des Einkommens führt. Eine Verletzung des Vertrauensschutzprinzips scheidet damit aus. Zutreffend ist ferner, dass die Normanwendung aufgrund des eindeutigen Wortlauts - und wegen fehlender Anhaltspunkte für ein vom Wortlaut abweichendes Gesetzesverständnis - nicht daran scheitert, dass es vorliegend um Verluste geht, da die Regelung eine Differenzierung zwischen positiven und negativen Einkünften nicht vorsieht (gl.A. z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 50d Rz 41b; Schmidt/Loschelder, EStG, 37. Aufl., § 50d Rz 56; Hagemann, IStR 2017, 588; vgl. auch Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007, BTDrucks 16/2712, S. 61 f.: "Daraus folgt, dass im Fall von Verlusten die allgemeinen Vorschriften des deutschen Steuerrechts gelten.").

d) Die von der Vorinstanz getroffenen Tatsachenfeststellungen erlauben jedoch nicht die Annahme, dass es im Streitfall zu einem Qualifikationskonflikt im vorgenannten Sinne gekommen ist.

aa) Das FG hat bei seiner Subsumtion unter den Gesetzestatbestand allein auf die Bescheinigungen der belgischen Steuerbehörden vom 27.8.2008 und vom 31.3.2010 abgestellt. Daraus geht aber nicht hervor, dass Belgien das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Folge der Nichtbesteuerung der auf das Büro Brüssel entfallenden (negativen) Einkünfte angewendet hat. In den Bescheinigungen wird lediglich ausgeführt, dass "X Rechtsanwälte" abkommensrechtlich nicht in Belgien ansässig sei. Diese Beurteilung steht aber zum einen mit der sowohl vom FA als auch dem erkennenden Senat vertretenen Auffassung zur Ansässigkeit des Klägers in Einklang. Zum anderen führt die Aussage der belgischen Behörden nicht dazu, dass die Einkünfte bei der belgischen Ertragsbesteuerung auszunehmen sind. Hiervon ist in den Bescheinigungen nur insoweit die Rede, als die Einkünfte nicht der Einkommensteuer von Nichtansässigen unterliegen (s. zweiter Spiegelstrich). Einen abkommensrechtlichen Bezug hat diese Aussage nicht, vielmehr scheint es insoweit um den Anwendungsbereich der nationalen (belgischen) beschränkten Einkommensteuerpflicht zu gehen.

bb) Dass die belgischen Behörden die Nicht-Ansässigkeit i.S. des Doppelbesteuerungsabkommens (rechtsfehlerhaft) mit dem Fehlen einer ständigen Einrichtung i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA-Belgien gleichgesetzt haben könnten, ist als Schlussfolgerung tatsächlicher Art zwar nicht ausgeschlossen, allerdings vom FG nur behauptet und nicht mit entsprechenden Tatsachen unterlegt. Der Wortlaut der Bescheinigungen, auf den das FG insoweit allein abgestellt hat, ist insoweit ohne Aussagekraft.

cc) Sollte die Herausnahme der Einkünfte des Büro Brüssel aus der belgischen Besteuerung auf einer internrechtlichen Maßnahme beruhen, kann es nach der Senatsrechtsprechung nicht zu einem Besteuerungsrückfall gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002/2007 kommen. Zwar kann die beschränkte Reichweite der persönlichen Steuerpflicht im ausländischen Staat seinerseits einen Besteuerungsrückfall auslösen. Doch ist die insoweit einschlägige Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG erst im Jahr 2007 ohne rückwirkende Anwendungsbestimmung eingeführt worden (vgl. § 52 Abs. 1 und Abs. 59a Satz 6 EStG 2002/2007) und muss deshalb im Streitzeitraum (1991 bis 2004) unberücksichtigt bleiben.

3. Der auf Berücksichtigung der auf das Büro Brüssel entfallenden Verluste gerichteten Klage kann auch nicht mit Rücksicht auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit und der hieraus (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Bevola vom 12.6.2018 C-650/16, EU:C:2018:424, GmbH-Rundschau 2018, 741) bestehenden Verpflichtung, sog. finale Verluste des Tätigkeitsstaats auch im Falle abkommensrechtlicher Freistellung im Ansässigkeitsstaat zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen, stattgegeben werden. Hierauf ist im Streitfall deshalb nicht einzugehen, weil ein solcher Verlust nicht bereits im Jahr seiner Entstehung, sondern erst im Jahr der "Finalität" berücksichtigt wird (Senatsurteile in BFHE 230, 35, BFH/NV 2010, 1744; in BFHE 244, 371, BFH/NV 2014, 963). Eine "Finalität" i.S. der Senatsrechtsprechung ist im Streitzeitraum (1991 bis 2004) nicht eingetreten. Das Büro Brüssel wurde erst Jahre später aufgegeben.

4. Dem Senat erscheint es als nicht ausgeschlossen, dass im zweiten Rechtsgang der Nachweis eines negativen Qualifikationskonflikts, ggf. mittels der von den Klägern erstinstanzlich beantragten "Amtsauskunft" oder durch die Vorlage inhaltlich präzisierter Bescheinigungen, geführt werden kann. Sollte in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr aufgeklärt werden können, ob es zu einem Qualifikationskonflikt i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002/2007 gekommen ist, so tragen die Kläger die Feststellungslast, weil sie sich auf einen für sie günstigen steuerrechtlichen Ausnahmetatbestand berufen.

5. Auf die Zulässigkeit und Begründetheit der vom FA erhobenen Verfahrensrüge kam es nicht mehr an, weil bereits die Sachrüge erfolgreich war.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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