Skip to main content
  • SIS-Datenbank Steuerrecht

    Kann Ihre Steuerrechts-Datenbank,
    was unsere SIS-Datenbank kann?

    • » Online und/oder Offline mit monatlicher Update-DVD
    • » Über 130.000 Urteile und Erlasse, durchgehend mit Leitsätzen
    • » Vollelektronische Handbücher ESt/LSt, KSt, GewSt, USt, AO

    » Einen Monat kostenlos testen

BFH: Entlastungsanspruch und unionsrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

  1. Die Versäumung der Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 EnergieStV steht wegen des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem in § 52 Abs. 1 EnergieStG normierten und auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. c EnergieStRL beruhen­den Entlastungsanspruch für die für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft verwendeten Energieerzeugnisse nicht entgegen, wenn die materiellen Voraussetzungen für den Entlastungsanspruch erfüllt sind.
  2. Bei einem unversteuerten Bezug von Energieerzeugnissen entsteht der Ent­lastungsanspruch nach § 52 Abs. 1 EnergieStG nicht bereits mit deren Ver­wendung, sondern frühestens mit der Festsetzung der für das bezogene Ener­gieerzeugnis entstandenen Energiesteuer.

EnergieStG § 24 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 45, § 52
EnergieStV § 55, § 96 Abs. 2
AO § 38, § 47, § 155 Abs. 5, § 169, § 170 Abs. 1
EGRL 96/2003 Art. 14 Abs. 1 Buchst. c, Art. 15 Abs. 1 Buchst. f

BFH-Urteil vom 19.10.2021, VII R 26/20 (veröffentlicht am 17.3.2022)

Vorinstanz: FG Hamburg vom 22.5.2020, 4 K 85/19 = SIS 20 09 64

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt öffentliche Seehäfen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie überwacht und unterhält die wasserseiti­gen Zufahrten zu den von ihr betriebenen Häfen und Schiffsliegeplätzen und setzt hierzu auch eigene Wasserfahrzeuge ein.

Im Streitjahr 2016 setzte die Klägerin das Motorschiff "MS ..." (im Folgenden MS), einen Hopperbagger, im Wesentlichen zu Saugbagger-, Was­serinjektions- und Transportzwecken in den Hafengebieten und den dazugehö­rigen Zufahrten ein. Das MS verfügt über eine Hauptmaschine für die Ma­növriertätigkeit und über einen separaten Antrieb für das Arbeiten mit dem Saugbagger, wobei der Arbeitsbetrieb technisch nur im Fahrbetrieb möglich ist. Beide Maschinen werden aus einem Tank mit Bunkerdiesel versorgt.

Das MS ist für den Einsatz in Häfen, auf Wasserstraßen oder auf See konzi­piert. Bei seinem Betrieb wird mithilfe eines Schleppkopfes das Sediment an der Gewässersohle gelöst, durch eine Saugleitung an Bord gesaugt und im La­deraum transportiert. Daneben kann das MS auch als Wasserinjektionsgerät eingesetzt werden. Dann wird über einen mit Düsen versehenen Rohrbalken mittels einer Spülwasserpumpe Wasser in die Gewässersohle von Schleusen, Vorhäfen, Liegeplätzen oder Fahrwassern injiziert. Die dadurch wie eine Wolke aufgewirbelten Sedimente werden mit der natürlichen Strömung fortgetragen.

Für den Betrieb des MS bezog die Klägerin im Kalenderjahr 2016 von fünf Lie­feranten unversteuert unter Bezugnahme auf § 27 Abs. 1 des Energiesteuer­gesetzes (EnergieStG) gekennzeichneten Dieselkraftstoff mit einem Schwefel­gehalt von höchstens 10 mg/kg entsprechend der Unterpos. 2710 19 43 der Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ 1987, Nr. L 256, 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 578/2002 der Kommission (ABlEG 2002, Nr. L 97, 1) geänderten, am 01.01.2002 geltenden Fassung (im Folgenden KN). Insgesamt bebunkerte die Klägerin im Kalender­jahr 2016 für das MS ... Liter; davon verwendete sie ... Liter für Baggerarbeiten und ... Liter für das Manövrieren.

Die Klägerin verfügte im Streitjahr nicht über eine Einzelerlaubnis zum steuer­freien Bezug von Energieerzeugnissen als Verwender gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG.

Nach einer Steueraufsichtsmaßnahme setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) mit insgesamt fünf Bescheiden vom 21.12.2017 Energiesteuer in Höhe von ... € gegenüber der Klägerin als Gesamt­schuldnerin mit den Lieferanten fest. Die Klägerin habe das streitgegenständli­che Gasöl mangels des Vorliegens einer Verwendererlaubnis (§ 24 Abs. 2 EnergieStG) zu Unrecht unversteuert bezogen. Weder habe sie über eine förmliche Einzelerlaubnis verfügt noch hätten die Voraussetzungen einer all­gemeinen Erlaubnis nach § 55 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (im Folgenden EnergieStV) vorgelegen.

Einspruch und Klage gegen diese Steuerbescheide hatten keinen Erfolg (Fi­nanzgericht ‑‑FG‑‑ Hamburg, Urteil vom 22.05.2020 ‑ 4 K 113/18, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2020, 281).

Mit formularmäßigem Entlastungsantrag vom 21.12.2018, eingegangen per Post am 31.12.2018, beantragte die Klägerin für das Kalenderjahr 2016 die Entlastung von der Energiesteuer nach § 52 EnergieStG betreffend die streit­befangenen Gasölmengen (... Liter). Den Antrag lehnte das HZA mit Be­scheid vom 06.02.2019 ab. Zum einen sei mit Ablauf des 31.12.2017 Festset­zungsverjährung eingetreten, zum anderen sei die Antragsfrist des § 96 Abs. 2 Satz 3 EnergieStV bereits abgelaufen gewesen.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage teilweise Erfolg. Das FG gab der Klage statt, soweit Energieerzeugnisse für die Manövrierfähigkeit und den Fahrbetrieb des MS verwendet wurden, weil es sich insoweit um Schifffahrt i.S. des § 27 Abs. 1 EnergieStG handele. Dagegen sei der Antrieb der Arbeitsma­schinen auf dem Schiff nicht begünstigt.

Nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV werde unter der Voraussetzung, dass die Steuerfestsetzung erst erfolgt, nachdem die Energieerzeugnisse verwendet worden sind, abweichend von Satz 3 die Steuerentlastung gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres gestellt wurde, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer festgesetzt worden ist. Nach diesen Maßgaben sei der Antrag fristgerecht gestellt worden, weil die Steuerfestset­zungen vom 21.12.2017 datierten und der Antrag am 31.12.2018 eingegan­gen sei. Dass Satz 4 in § 96 Abs. 2 EnergieStV zum 01.01.2018 aufgehoben worden sei, sei unerheblich, weil die Fristverlängerung durch die Steuerfest­setzung in 2017 bereits zu gewähren gewesen sei. Deshalb könne offenblei­ben, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu führe, dass der Antragsfrist des § 96 Abs. 2 Satz 3 EnergieStV keine die Entlastung ausschlie­ßende Wirkung mehr zukommen dürfe.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei auch die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen. Für Verbrauchsteuervergütungen betrage die Festset­zungsfrist gemäß § 155 Abs. 4 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgaben­ordnung (AO) ein Jahr. Sie beginne nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Ka­lenderjahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden sei. Der Bundesfinanzhof sei bislang davon ausgegangen, dass der Vergütungsan­spruch jeweils mit der steuerbegünstigten Verwendung des Energieerzeugnis­ses entstehe (vgl. Senatsurteile vom 20.09.2016 ‑ VII R 7/16, BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308; vom 26.09.2017 ‑ VII R 26/16, BFHE 260, 280, ZfZ 2018, 22, Rz 13, und vom 10.01.2017 ‑ VII R 26/14, BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 8). In allen entschiedenen Fällen seien versteuerte Energieerzeugnisse ge­liefert und verwendet worden. Im Streitfall sei allerdings unversteuerte Ware geliefert worden, die erstmals mit den Bescheiden vom 21.12.2017 besteuert worden sei. Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Ver­steuerung könne bei nachweislich unversteuert bezogener Ware und nachträg­licher Besteuerung nicht bereits mit der Verwendung bejaht werden. Abzustel­len sei deshalb auf die Steuerfestsetzung, so dass Festsetzungsverjährung erst mit dem 31.12.2018 eingetreten sei.

Dagegen richtet sich die Revision des HZA.

Der Entlastungsantrag sei nicht fristgerecht gestellt worden. Die verlängerte Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV komme im Streitfall nicht zum Tragen, weil sie zum 01.01.2018 aufgehoben worden sei. Diese Änderung gel­te für alle Anträge, die nach dem 01.01.2018 eingegangen seien.

Eine Versagung der Steuerentlastung wegen Fristversäumnis verstoße nicht gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, denn die An­tragsfrist diene wie das Erlaubnisverfahren der Verhinderung von Steuerhin­terziehung und ‑vermeidung.

Selbst wenn man eine verlängerte Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV a.F. annähme, laufe diese wegen der bei Antragseingang abgelau­fenen Festsetzungsfrist ins Leere. Für den Beginn der Festsetzungsfrist komme es nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Verwendung an (insbeson­dere Senatsurteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308). Unter Verweis auf diese Rechtsprechung habe der Verordnungsgeber den Satz 4 in § 96 Abs. 2 EnergieStV gestrichen (vgl. Referentenentwurf vom 06.10.2017, S. 45).

Auch aus unionsrechtlicher Sicht sei der Zeitpunkt der Verwendung maßgeb­lich für den Lauf der Festsetzungsfrist, weil die Energiesteuer eine verwen­dungsorientierte Steuer sei. Deshalb komme es für die obligatorischen und fakultativen Steuervergünstigungen in § 27 und § 52 EnergieStG auf die Ver­wendung der Energieerzeugnisse an. Die Festlegung angemessener Festset­zungsfristen sei unionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil diese nicht geeig­net seien, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte prak­tisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, selbst wenn ihr Ablauf zum endgültigen Anspruchsverlust führen sollte (vgl. Senatsurteil vom 18.08.2015 ‑ VII R 5/14, BFH/NV 2016, 74, ZfZ 2016, 330).

Das HZA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorentscheidung entspricht, soweit sie mit der Revision ange­fochten wurde, im Ergebnis Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Im Streitfall sind alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 EnergieStG er­füllt, soweit das FG der Klage stattgegeben hat.

a) Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf An­trag gewährt für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind. Gemäß Satz 2 wird die Steuerentlastung für Energieerzeugnisse der Unterpos. 2710 19 41 bis 2710 19 49 KN im Fall des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG nur ge­währt, wenn diese ordnungsgemäß gekennzeichnet sind. Energieerzeugnisse der Unterpos. 2710 19 41 bis 2710 19 99 KN dürfen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG steuerfrei verwendet werden in Wasserfahrzeugen für die Schifffahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Schifffahrt.

b) Dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 52 EnergieStG vorlie­gen, soweit die Energieerzeugnisse für die Bewegung des Schiffes verwendet worden sind, ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.

2. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Klägerin die Antragsfrist gemäß § 96 Abs. 2 EnergieStV versäumt hat oder ob § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV i.d.F. der Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 20.09.2011 (BGBl I 2011, 1890) noch auf den Streitfall anzuwenden war, obwohl diese Vorschrift mit Wirkung vom 01.01.2018 (BGBl I 2018, 84 ff.) aufgehoben worden ist.

Nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV in der genannten Fassung wurde unter der Voraussetzung, dass die Steuerfestsetzung erst erfolgt, nachdem die Energieerzeugnisse verwendet worden sind, die Steuerentlastung gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres gestellt wurde, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer festgesetzt worden ist.

Weil die Energiesteuer im Streitfall erst mit den Bescheiden vom 21.12.2017 festgesetzt worden ist, wäre die Antragsfrist mithin erst mit Ablauf des 31.12.2018 abgelaufen, weshalb der Antrag der Klägerin am 31.12.2018 rechtzeitig beim HZA eingegangen wäre. Auf die Anwendung des § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV kommt es im Streitfall jedoch nicht an.

3. Jedenfalls stünde eine Versäumung der in § 96 Abs. 2 EnergieStV festgeleg­ten Antragsfrist dem Entlastungsanspruch nach § 52 EnergieStG wegen des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht entgegen.

a) Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten die allgemei­nen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der Union sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören (EuGH-Urteile Mecsek-Gabona vom 06.09.2012 ‑ C‑273/11, EU:C:2012:547, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2012, 1121, und ROZ-SWIT vom 02.06.2016 ‑ C‑418/14, EU:C:2016:400, ZfZ 2017, 73). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer si­cherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hin­ausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteil Gabalfrisa u.a. vom 21.03.2000 ‑ C‑110/98 bis C‑147/98, EU:C:2000:145, Rz 52, HFR 2000, 456; EuGH-Beschluss Transport Service vom 03.03.2004 ‑ C‑395/02, EU:C:2004:118, Rz 29, HFR 2005, 370, und EuGH-Urteil Collee vom 27.09.2007 ‑ C‑146/05, EU:C:2007:549, BStBl II 2009, 78, HFR 2007, 1256).

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteile Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 ‑ C‑68/18, EU:C:2019:933, ZfZ 2019, 383, und Turbogas vom 27.06.2018 ‑ C‑90/17, EU:C:2018:498, ZfZ 2018, 265) verstößt es gegen Unionsrecht, wenn die Verletzung nationaler formeller Anforderungen dadurch sanktioniert wird, dass eine obligatorische Steuerbegünstigung nach der Richt­linie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemein­schaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2003, Nr. L 283, 51, i.d.F. der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der An­wendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern, ABlEU 2004, Nr. L 157, 100 ‑‑EnergieStRL‑‑) verweigert wird. Denn die nationalen Regelungen dürfen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinter­ziehung und ‑vermeidung oder Missbrauch zu verhindern (EuGH-Urteil Polihim-SS vom 02.06.2016 ‑ C‑355/14, EU:C:2016:403, Rz 62, ZfZ 2016, 196).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Klägerin der Entlastungsan­spruch allein wegen des Versäumnisses der Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 EnergieStV nicht verwehrt werden.

aa) Im Streitfall handelt es sich ‑‑wie auch in den bislang vom EuGH entschie­denen Fällen‑‑ um eine obligatorische Steuerbegünstigung.

Die von der Klägerin geltend gemachte Steuerentlastungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG dient ausweislich der Gesetzesbegründung der Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. c EnergieStRL (vgl. BTDrucks 16/1172, S. 38), soweit damit die Verwendung der genannten Energieerzeugnisse für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Union begüns­tigt wird.

Der Begriff "Meeresgewässer der Gemeinschaft" bezieht sich nach der Recht­sprechung des EuGH (vgl. Urteile Jan de Nul vom 01.03.2007 ‑ C‑391/05, EU:C:2007:126, ZfZ 2007, 81, und Vakarų Baltijos laivų statykla vom 13.07.2017 ‑ C‑151/16, EU:C:2017:537, ZfZ 2017, 332) auf alle Gewässer, die von sämtlichen für den gewerblichen Seeverkehr tauglichen Seeschiffen einschließlich derjenigen mit der größten Kapazität befahren werden können. Er umfasst daher auch bestimmte Binnenwasserstraßen. Für die gewerbliche Seeschifffahrt taugliche Schiffe können nämlich für diese Schifffahrt auch auf bestimmten Binnenwasserstraßen bis zu bestimmten Seehäfen eingesetzt werden, auch wenn diese Häfen nicht an der Küste liegen. Diese Schifffahrt von der obligatorischen Steuerbefreiung auszunehmen, sobald sie auf Binnen­wasserstraßen in Richtung Seehäfen stattfindet, würde dem innergemein­schaftlichen Handelsverkehr schaden, da dieser Ausschluss die von einer sol­chen Schifffahrt betroffenen Wirtschaftsteilnehmer benachteiligen und deswe­gen dazu führen könnte, dass ein Teil des Seeverkehrs von diesen Häfen ab­gezogen würde. Hierdurch würden diese Wirtschaftsteilnehmer gegenüber denjenigen, die in den an der Küste liegenden Häfen tätig sind, benachteiligt.

Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde das MS in den Hafengebieten und den dazugehörigen Zufahrten der von der Klägerin betriebenen öffentlichen Seehäfen eingesetzt. Dort sollen durch die Saugbag­ger-, Wasserinjektions- und Transportfunktion des MS die notwendigen Was­sertiefen sichergestellt werden.

bb) Schließlich ist der in § 96 EnergieStV vorgeschriebene Antrag nach der Rechtsprechung des Senats keine materiell-rechtliche, sondern lediglich eine formelle Voraussetzung des Steuerentlastungsanspruchs (vgl. etwa Senatsur­teil vom 18.02.2020 ‑ VII R 39/18, BFHE 268, 391, ZfZ 2020, 272, Rz 32).

Aus den vorstehenden Gründen steht eine verspätete Antragstellung dem Ent­lastungsanspruch nicht entgegen.

4. Der Anspruch der Klägerin auf eine Steuerentlastung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG ist auch nicht infolge des Eintritts der Festsetzungsverjäh­rung nach § 47 AO erloschen.

a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhe­bung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelau­fen ist. Dies gilt entsprechend für die Festsetzung einer Steuervergütung (§ 155 Abs. 4 AO, ab 01.01.2017 § 155 Abs. 5 AO). Die Festsetzungsfrist be­trägt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Ka­lenderjahres, in dem der Steuervergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist (§ 38 AO).

b) Voraussetzung für die Entstehung eines Entlastungsanspruchs nach § 52 Abs. 1 EnergieStG ist nach dem Gesetzeswortlaut u.a. die nachweisliche Ver­steuerung der zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendeten Energieerzeugnisse. Nach § 96 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EnergieStV sind deshalb dem Antrag auf Entlastung Unterlagen über die Versteuerung der Energieer­zeugnisse beizufügen.

aa) Was unter einer solchen nachweislichen Versteuerung zu verstehen ist, definiert das EnergieStG nicht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Vergü­tungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen (Senatsurteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308, Rz 9). Allein die Steuerentste­hung ist nicht ausreichend. Das ergibt sich bereits aus § 45 EnergieStG, der für Erlass, Erstattung und Vergütung stets eine entstandene Steuer, also eine steuerliche Belastung der eingesetzten Energieerzeugnisse, voraussetzt (vgl. Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 45 Rz 13; Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 45 Rz 10 a.E.; Henseler in Friedrich/Soyk, Kommentar zu den Energiesteu­ern, § 45 EnergieStG Rz 18; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 9). Weil die Entlastungsnormen eine nachweisliche Versteue­rung voraussetzen, verlangt der Senat in ständiger Rechtsprechung, dass Um­stände hinzutreten, welche die Steuerentstehung verifizieren (vgl. Senatsurteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308, Rz 9).

In der Vergangenheit hatte der Senat mehrfach entschieden, dass die Erfül­lung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Stromversorger oder Lieferer von Energieerzeug­nissen abhängig sei (vgl. Senatsurteile in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308; in BFHE 260, 280, ZfZ 2018, 22, Rz 13; in BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 8, und vom 07.07.2020 ‑ VII R 6/19, BFH/NV 2021, 198, ZfZ 2020, 372, Rz 10).

Vielmehr entstehe der Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Stroms bzw. der Energieerzeugnisse oder mit dem Verbrin­gen von Energieerzeugnissen in einen anderen Mitgliedstaat bzw. mit der Aus­fuhr in ein Drittland, wobei im Falle der Verwendung von Strom der Vergü­tungsanspruch mit der Entnahme des Stroms aus dem Versorgungsnetz ent­steht, die regelmäßig mit dem Verbrauch des Stroms zusammenfalle. In die­sen Fällen hat der Senat allerdings darauf abgestellt, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer zu führenden Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten.

Die bislang entschiedenen Fälle stimmten also darin überein, dass jeweils ver­steuerter Strom oder versteuerte Energieerzeugnisse bezogen worden waren, was sich aus den Rechnungen bzw. Lieferscheinen ergab.

bb) Weil im Streitfall die Energieerzeugnisse jedoch unversteuert bezogen worden sind, kann von einer nachweislichen Versteuerung jedenfalls nicht vor der Festsetzung der Steuer ausgegangen werden.

Das unterscheidet den Streitfall wesentlich von den bislang entschiedenen Fäl­len. Allein auf die Verwendung der Energieerzeugnisse kann es deshalb nicht ankommen (so im Ergebnis auch Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 45 Rz 21).

cc) Im Streitfall kommt als denkbarer Anknüpfungspunkt die Festsetzung der Energiesteuer mit den Bescheiden vom 21.12.2017 in Betracht, denn vorher gingen die Beteiligten selbst nicht von der Steuerpflicht aus, so dass keine nachweisliche Versteuerung gegeben sein kann. Zudem kann die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt einen vollständigen Antrag nach § 96 Abs. 4 EnergieStV stellen, weil sie nach § 96 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EnergieStV auch Unterlagen über die Versteuerung der Energieerzeugnisse beifügen muss.

c) Danach ist die Festsetzungsverjährung im Streitfall erst mit Ablauf des 31.12.2018 eingetreten, so dass der an diesem Tag eingegangene Antrag der Klägerin vor Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt worden ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

  • „Vielen Dank für die stets freundliche und konstruktive Betreuung durch Ihr Haus“

    Horst Flick, Groß- und Konzernbetriebsprüfer in Hessen

  • „Irgendwann innerhalb dieser 20 Jahre habe ich es einmal mit einem anderen Anbieter versucht. Das war aber gleich wieder vorbei. Nachher wusste ich SIS erst richtig zu schätzen.“

    Brigitte Scheibenzuber, Steuerberaterin, 84137 Vilsbiburg

  • „Ihre Datenbank ist eigentlich schier unerschöpflich und ich arbeite sehr gern damit. Ein großes Lob für die leichte Handhabung, die vielfachen Suchmöglichkeiten und überhaupt.“

    Ingrid Nigmann, Kanzlei Dipl.-Kfm. Georg-Rainer Rätze, 39112 Magdeburg

  • „Wir benutzen mit größter Zufriedenheit Ihre Datenbank, sie stellt wirklich eine enorme Erleichterung im täglichen Arbeitsleben dar.“

    Schneider, Siebert & Kulle, Partnerschaftsgesellschaft, 60486 Frankfurt

  • „Ich möchte nicht versäumen, Sie für die ‘SteuerMail’ zu loben. Die Aktualität und die Auswahl der Themen ist wirklich sehr gut.“

    Frank Zoller, Rechtsanwalt und Steuerberater, 75179 Pforzheim

  • „Sie haben offensichtlich die Bedürfnisse des steuerberatenden Berufs bei seiner Arbeit richtig eingeschätzt. Die Zuordnung der verschiedenen Dokumente zur jeweiligen Rechts-Vorschrift ist schlichtweg genial. Auch der Hinweis auf weitere Kommentare und Aufsätze ist außerordentlich wertvoll.“

    Willi Besenhart, Steuerberater, 81739 München

  • "Es macht wirklich Spaß mit Ihrer Datenbank zu arbeiten."

    Robert Kochs, Steuerberater, 52074 Aachen

  • "Ich bin sehr zufrieden. Die Datenbank ist äußerst hilfreich, Preis-Leistungsverhältnis stimmt."

    Erika Dersch, Steuerberaterin, 82431 Kochel am See

  • "Bin von Anfang an begeisterter Anwender und möchte SIS nicht mehr missen."

    Harald Dörr, Steuerberater, 63571 Gelnhausen

  • "Die SIS-Datenbank ist hervorragend; m.E. besser als die von den Finanzbehörden in BW verwendete Steuerrechtsdatenbank."

    Wolfgang Friedinger, 89077 Ulm

  • "Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"

    Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt

  • "Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."

    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Konditionen
  • Online-Datenbank schon ab 32,00 € inkl. USt

    » MEHR

  • Notiz-Funktion
  • Wow!
    Notiz-Funktion in der SIS-Datenbank!

    » MEHR

  • Bedienkomfort
  • Handbuecher
  • Google für Steuerprofis
  • Kanzleialltag
  • SIS & Agenda
  • So übersichtlich kann eine Datenbank sein.

    » MEHR

  • Jetzt das Geld für teuere Handbücher sparen!

    In der SIS-Datenbank sind sie bereits drin!

    » MEHR

  • Kennen Sie das "Google" für Steuerprofis?

    » MEHR

  • Alles, was den Kanzleialltag leichter macht.

    » MEHR

  • Zusatz-Vorteile mit Agenda-Software

    » MEHR