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BFH: Säumniszuschläge trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit - Aufrechnung nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren

  1. Säumniszuschläge entstehen gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kraft Gesetzes.
  2. Nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren sind die während der Masseunzulänglichkeit geltenden Aufrechnungsverbote nicht mehr anzuwenden.

AO § 218, § 226, § 240
InsO § 95, § 96, §§ 208 ff.
BGB §§ 387 ff.

BFH-Urteil vom 17.9.2019, VII R 31/18 (veröffentlicht am 30.1.2020)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 18.7.2018, 2 K 1311/16 (EFG 2018 S. 1690 = SIS 18 14 78)

I. Streitig ist, ob trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) Säumniszuschläge gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) angefallen sind und ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit diesen Säumniszuschlägen gegen Umsatzsteuerguthaben der Masse aufrechnen konnte, nachdem die Masse wieder zulänglich geworden war.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Kurz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeigte er am 06.06.2011 gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO Masseunzulänglichkeit an.

Danach gab der Kläger Umsatzsteuererklärungen ab, darunter am 05.08.2011 eine Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2011 über ... € unter der Massesteuernummer. Die Steuer wurde nicht entrichtet. Am 02.05.2012 korrigierte der Kläger die Umsatzsteuerschuld auf 349,18 €. Diese Schuld war durch eine vom FA am 07.12.2011 vorgenommene Umbuchung in Höhe von 383,27 € bereits getilgt worden, d.h. nach der Korrektur bestand insoweit keine Masseschuld mehr.

Am 06.06.2012 fertigte ein Bearbeiter des FA einen die Säumniszuschläge betreffenden Aktenvermerk und übermittelte diesen mit Telefax vom selben Tag dem Kläger.

Im Juli 2012 zeigte der Kläger dem Insolvenzgericht eine Verbesserung der finanziellen Verhältnisse und das Ende der Masseunzulänglichkeit an.

Am 09.07.2014 gab der Kläger die Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal 2014 ab, aus der sich ein Guthaben von 1.558 € ergab. Das FA stimmte dieser Voranmeldung zu, zahlte das Guthaben jedoch nicht aus, sondern buchte es auf die seiner Auffassung nach gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit in der Zeit vom 06.08.2011 bis zum 05.05.2012 in Höhe von ... € entstandenen Säumniszuschläge zur Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2011 um.

In der Folge erging auf Antrag des Klägers u.a. der im Revisionsverfahren noch streitgegenständliche Abrechnungsbescheid vom 20.10.2014, in dem das FA die Entstehung von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2011 und deren Aufrechnung mit dem Erstattungsbetrag aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 bejahte. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein.

Während des Einspruchsverfahrens gab er am 11.04.2016 die Umsatzsteuererklärung für 2014 ab, aus der sich eine Umsatzsteuerschuld von 1.549,68 € und eine noch zu entrichtende Abschlusszahlung von 880,84 € ergaben. Das FA stimmte der Erklärung zu.

Vor Abschluss des Einspruchsverfahrens erließ das FA auf Antrag des Klägers gemäß § 227 AO im Juli 2016 die Hälfte der Säumniszuschläge. Hierdurch verminderten sie sich von … € auf (mehr als 2.000 €). Einspruch und Klage auf vollständigen Erlass blieben ohne Erfolg (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Nürnberg vom 19.06.2018 - 2 K 1310/16). Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde durch Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.09.2018 - XI B 68/18 als unzulässig verworfen.

In der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016, die noch einen weiteren Abrechnungsbescheid betraf, berücksichtigte das FA den hälftigen Erlass der Säumniszuschläge. Im Übrigen blieben die Einsprüche erfolglos.

Hierauf erhob der Kläger Klage und beantragte, beide Abrechnungsbescheide abzuändern, und zwar den im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Bescheid vom 20.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 dahin, dass ein Guthaben in Höhe von 1.558 € aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 festgestellt wird.

Insoweit wies das FG die Klage ab. Es urteilte, dieser Abrechnungsbescheid sei rechtmäßig. Auf die angemeldete Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2011 seien trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit Säumniszuschläge angefallen, mit denen das FA habe aufrechnen können. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1690 abgedruckt.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Er ist der Auffassung, die Anzeige der Masseunzulänglichkeit verhindere die Entstehung von Säumniszuschlägen. Die Vorentscheidung widerspreche dem Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger. Sie billige dem Fiskus eine systemwidrige Sonderstellung zu, indem ihm ein Ausgleich für seinen Zinsnachteil zugesprochen werde, obwohl zivile Gläubiger nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit mangels Verschuldens der Nichtzahlung keine Verzugszinsen verlangen könnten. Jedenfalls aber dürfe das FA die Säumniszuschläge nicht erheben und nicht mit ihnen aufrechnen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 20.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 dahin zu ändern, dass ein Guthaben von 1.558 € für die Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Abrechnungsbescheid vom 20.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

1. Gemäß § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO ergeht u.a. dann ein Abrechnungsbescheid, wenn die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO), von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) und ihr Erlöschen (§ 47 AO) durch Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) streitig sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19.03.2019 - VII R 27/17, BFHE 263, 483).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor. Es sind die Verwirkung von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2011 und das Erlöschen des Guthabens in Höhe von 1.558 € aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 durch Aufrechnung mit diesen Säumniszuschlägen streitig.

2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass während der vorübergehenden Masseunzulänglichkeit Säumniszuschläge angefallen sind.

a) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, entstehen gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO (grundsätzlich, § 240 Abs. 3 Satz 1 AO) für jeden angefangenen Monat der Säumnis Säumniszuschläge in Höhe von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags.

Säumniszuschläge fallen nach dem Gesetz unabhängig davon an, ob eine Steuer zutreffend festgesetzt wird. Sie bleiben gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 AO von einer Korrektur der Steuerfestsetzung (wie sie im Streitfall erfolgt ist) unberührt (BFH-Urteil vom 18.09.2018 - XI R 36/16, BFHE 262, 297, BStBl II 2019, 87). Sie sind nicht mit Verzugszinsen des BGB gleichzusetzen, sondern ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, sie haben also eine Druckfunktion (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.07.2003 - V R 57/02, BFHE 203, 8, BStBl II 2003, 901, und Senatsurteil vom 13.01.2000 - VII R 91/98, BFHE 191, 5, BStBl II 2000, 246, Rz 20 f.). Sie dienen außerdem dem Ausgleich für die unterbliebene oder verspätete Zahlung fälliger Steuern und für Verwaltungsaufwendungen, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß gezahlt wird. Sie haben somit also auch eine Ausgleichsfunktion. In dieser zweiten Funktion entsprechen Säumniszuschläge den Aussetzungs- (§§ 237, 238 AO) oder Stundungszinsen (§ 234 AO), die unabhängig von einem Verschulden des Steuerschuldners anfallen (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 02.03.2017 - II B 33/16, BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 32; BFH-Urteile vom 30.03.2006 - V R 2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612, Rz 17, und vom 18.04.1996 - V R 55/95, BFHE 180, 516, BStBl II 1996, 561).

b) Der Tatbestand des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO kann trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfüllt sein. Wie bereits ausgeführt, entstehen Säumniszuschläge nach dieser Vorschrift kraft Gesetzes. Eine Vorschrift, wonach für die Dauer der Masseunzulänglichkeit gemäß §§ 208 ff. InsO entgegen § 240 AO keine Säumniszuschläge anfallen, gibt es nicht.

aa) § 251 Abs. 2 Satz 1 AO enthält einen Insolvenzvorbehalt für die Vollstreckung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, nicht für deren Entstehung.

bb) Im regulären Insolvenzverfahren können Säumniszuschläge anfallen, wenn Masseverbindlichkeiten nicht beglichen werden (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO; Heuermann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 240 AO Rz 97; Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl., § 240 Rz 49; Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 38 Rz 67 ff., 71; BFH-Urteil in BFHE 180, 516, BStBl II 1996, 561, zur KO).

Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 InsO führt gemäß § 209 Abs. 1 InsO lediglich dazu, dass sich die Rangfolge der Forderungen ändert. Die Vorschrift verbietet es dem Insolvenzverwalter jedoch nicht, sonstige Masseforderungen i.S. des § 53 InsO zu erfüllen, sondern regelt im Gegenteil, in welcher Reihenfolge sie zu berichtigen sind, also --soweit möglich-- erfüllt werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 16.12.2003 - VII R 42/01, BFH/NV 2004, 908, Rz 37, zur KO). Die Änderung der Rangfolge wird durch § 210 InsO abgesichert, wonach Altmassegläubigern die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit i.S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO untersagt ist. Hierdurch sollen die Fortsetzung der Verwaltung und Verwertung der Masse trotz Masseunzulänglichkeit ermöglicht und der Insolvenzverwalter geschützt werden, dessen Pflicht zur Verwaltung und Verwertung der Masse fortbesteht (§ 208 Abs. 3 InsO) und dem dies nicht ohne Aussicht auf eine Entlohnung zugemutet werden kann. Diese Regelung dient einer geordneten Vermögensverwertung während der Zeit der Masseunzulänglichkeit mit dem Ziel einer Schuldentilgung bzw. Zahlung (soweit trotz Masseunzulänglichkeit möglich), bezweckt also das Gegenteil eines Zahlungsverbots.

Ein Grund für die Annahme des Klägers, dass nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entgegen dem Wortlaut des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO keine Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstehen, ist somit nicht ersichtlich.

Eine systemwidrige Sonderstellung des Fiskus oder ein Widerspruch zum Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger ist nicht erkennbar. Zum einen können auch zivile Gläubiger nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit einen Zinsanspruch haben, z.B. soweit der Insolvenzverwalter die Verteilungsmasse schuldhaft verzögert ausschöpft (vgl. Ries in Uhlenbruck, a.a.O., § 210 Rz 21). Zum anderen kann der Anfall der Säumniszuschläge im Erlassverfahren zu korrigieren sein.

c) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit Säumniszuschläge in der von der Vorentscheidung angenommenen Höhe angefallen.

aa) Infolge der Steueranmeldung unter der Massesteuernummer in der Umsatzsteuererklärung vom 05.08.2011 ist für Juni 2011 eine Masseverbindlichkeit in Höhe von ... € entstanden; insoweit wird auf die Vorentscheidung Bezug genommen. Bedenken im Hinblick darauf, dass nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit grundsätzlich nur noch Feststellungsklagen statthaft sind (z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 03.04.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358; vgl. außerdem BFH-Urteil vom 29.08.2007 - IX R 58/06, BFHE 218, 432, BStBl II 2008, 322, Rz 12 f., und vom 29.01.2009 - V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682), bestehen nicht, da das FA keinen Steuerbescheid erlassen, sondern der Insolvenzverwalter die Steuer angemeldet hat. Zudem gilt das aus § 210 InsO abgeleitete Verbot der Leistungsklage nur für Altmasseschulden gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO (z.B. Kießner in Braun, Insolvenzordnung, 7. Aufl. 2017, § 210 InsO, Rz 4) und nicht über die Dauer der Masseunzulänglichkeit hinaus.

Aus dem Aktenvermerk vom 06.06.2012 und seiner Übermittlung an den Kläger folgt kein für diesen günstigeres Ergebnis. Die Säumniszuschläge waren am 06.06.2012 kraft Gesetzes schon in voller Höhe entstanden. Die Äußerung einer Rechtsansicht ist kein Erlöschenstatbestand (§ 47 AO). Selbst wenn das FA in dem Aktenvermerk also die Rechtsansicht geäußert hätte, nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit seien keine Säumniszuschläge mehr entstanden, wäre dies irrelevant. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben könnte eine derartige Äußerung allenfalls Wirkung für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit entfalten (so z.B. BFH-Beschluss vom 01.04.2015 - V B 63/14, BFH/NV 2015, 1001, Rz 5, m.w.N.). Im Übrigen hat sich das FA am 06.06.2012 (zu diesem Zeitpunkt bestand Masseunzulänglichkeit) ausweislich der Akten nicht zur Entstehung von Säumniszuschlägen geäußert, sondern lediglich zu deren Erhebung (vgl. § 210 InsO).

bb) Die in der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 dargestellte Berechnung der Säumniszuschläge, die das FG ausdrücklich in seine Feststellungen einbezogen hat, begegnet keinen Bedenken. FA und FG haben insbesondere § 240 Abs. 1 Satz 4 AO und das im Erlassverfahren ergangene Urteil des FG Nürnberg vom 19.06.2018 - 2 K 1310/16, an das die Beteiligten hinsichtlich des (nur) hälftigen Erlasses gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO gebunden sind, zutreffend berücksichtigt.

3. Nach Anzeige der wiedererlangten Zulänglichkeit der Masse durch den Insolvenzverwalter im Juli 2012 konnte das FA gemäß § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB mit den während der Dauer der angezeigten Masseunzulänglichkeit verwirkten Säumniszuschlägen gegen die Masseforderung aus der Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 aufrechnen. Die während der Masseunzulänglichkeit zu berücksichtigenden Aufrechnungsverbote gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, § 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 InsO analog oder § 210 InsO analog galten nicht mehr.

a) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und gegen solche Ansprüche sind gemäß § 226 Abs. 1 AO die §§ 387 ff. BGB (unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten der Aufrechnung von oder mit Steuerforderungen) sinngemäß anzuwenden. § 387 BGB verlangt, dass zwei Personen einander Leistungen schulden und dass der Aufrechnende im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (Senatsurteil in BFHE 191, 5, BStBl II 2000, 246, Rz 9 ff.).

b) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt.

aa) Wie dargelegt, wurden trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit Säumniszuschläge verwirkt. Diese sind --entsprechend der zugrundeliegenden Steuerschuld, d.h. der unter der Massesteuernummer für Juni 2011 angemeldeten Umsatzsteuer-- gleichfalls eine Masseverbindlichkeit (vgl. z.B. Heuermann in HHSp, § 240 AO Rz 97; Kögel in Gosch, AO § 240 Rz 119). Nach dem Rechtsgedanken des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben sie das auch, wenn der Steuerbescheid (wie im Streitfall) später aufgehoben wird.

bb) Eine Masseforderung in Gestalt des Vorsteuervergütungsanspruchs in Höhe von 1.558 € ist infolge der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal 2014 am 09.07.2014 und der vom FA hierzu spätestens in dem Abrechnungsbescheid vom 20.10.2014 erteilten Zustimmung entstanden (§ 168 Satz 1 und Satz 2 AO).

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheids am 20.10.2014 war auch noch kein Jahressteuerbescheid für 2014 ergangen; die Abgabe der (Jahres-)Umsatzsteuererklärung für 2014 erfolgte erst am 11.04.2016. Die Fälligkeit der Vorauszahlungen und eine dadurch entstandene Aufrechnungslage bleiben im Übrigen erhalten, wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein Jahressteuerbescheid ergeht (vgl. Senatsurteil vom 15.06.1999 - VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46, Rz 28). Auch wenn sich die Höhe der Umsatzsteuerschuld dann nach dem Jahressteuerbescheid richtet (BFH-Beschluss vom 22.08.1995 - VII B 107/95, BFHE 178, 532, BStBl II 1995, 916) und die Masseforderung im Umsatzsteuer-Jahressteuerbescheid 2014 bei Erlass der Einspruchsentscheidung am 17.08.2016 niedriger war als im (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden) Vorauszahlungsbescheid, wurde der Kläger dadurch, dass in dem Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ein Erlöschen der Säumniszuschläge in Höhe von 1.558 € angenommen wurde, jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt. Insoweit wird auf die Vorentscheidung Bezug genommen.

cc) Die Aufrechnung wurde gemäß § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 388 BGB nach Anzeige der wiedererlangten Zulänglichkeit der Masse durch den Insolvenzverwalter im Juli 2012 ordnungsgemäß erklärt. Die Erklärung (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.2011 - V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 28) ist spätestens mit dem Abrechnungsbescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für das zweite Quartal 2014 vom 20.10.2014 erfolgt, in dem das FA die rein intern wirkende Umbuchung (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 226 Rz 64) mitteilte und bestätigte.

c) Nach Anzeige der wiedererlangten Zulänglichkeit der Masse im Juli 2012 stand der Aufrechnung kein Aufrechnungsverbot mehr entgegen. Die während der Masseunzulänglichkeit geltenden Aufrechnungsverbote sind nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren nicht mehr anzuwenden.

aa) Eine Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren ist nach Überwindung der Masseunzulänglichkeit möglich (Kießner in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2018, § 208 Rz 27 ff.; Riedel in Graf-Schlicker, Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2014, § 208 Rz 7; Ries in Uhlenbruck, a.a.O., § 208 Rz 22; Weitzmann in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2019, § 208 InsO Rz 14; Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 208 Rz 46; Oberlandesgericht Rostock, Urteil vom 10.10.2008 - 5 U 173/08, Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht --NZI-- 2008,750; a.A. wohl Arbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 02.02.2000 - 67c IN 157/99, NZI 2000, 140). Dabei genügt mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung jedenfalls eine Anzeige an das Insolvenzgericht (actus contrarius, vgl. etwa Kießner, a.a.O., § 208 Rz 28; Riedel, a.a.O., § 208 Rz 7; Weitzmann, a.a.O., § 208 InsO Rz 14). Für die Annahme, dass für die Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren --die nur in Betracht kommt, wenn die für die Massegläubiger günstige Aussicht besteht, dass sämtliche Masseverbindlichkeiten erfüllt werden können-- höhere Hürden gelten könnten als für die Einleitung eines Verfahrens gemäß §§ 208 ff. InsO, dessen Rechtsfolgen für die Altmassegläubiger ungünstig sind, gibt es keinen Grund.

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren erfolgt, nachdem der Kläger im Juli 2012 dem Insolvenzgericht angezeigt hat, dass die Masse wieder zulänglich geworden ist. Erst danach ist die Aufrechnungslage entstanden.

bb) Nach Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren sind Aufrechnungsverbote analog § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO oder § 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 InsO (vgl. Senatsurteile vom 04.03.2008 - VII R 10/06, BFHE 220, 295, BStBl II 2008, 506, und vom 01.08.2000 - VII R 31/99, BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323) oder § 210 InsO (vgl. Senatsurteile in BFHE 220, 295, BStBl II 2008, 506, und in BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323; Runkel, Schnurbusch, NZI 2000, 49; Schmidt, NZI 1999, 442) nicht mehr zu rechtfertigen. Die Gefahr, dass die für die Verteilung der unzulänglichen Masse geltenden Rechtsregeln durch eine Aufrechnung unterlaufen werden könnten, besteht nicht mehr, wenn die Masse wieder zulänglich geworden ist und die Erfüllung sämtlicher Masseverbindlichkeiten erwartet werden kann.

Aus den Senatsurteilen in BFHE 220, 295, BStBl II 2008, 506 und in BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323 oder dem BGH-Urteil vom 18.05.1995 - IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38, folgt nichts anderes. Die Urteile betrafen Fälle, in denen die Masseunzulänglichkeit fortbestand.

4. Gegen die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids vom 20.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 bestehen auch im Übrigen keine Bedenken (zu den Anforderungen vgl. etwa Senatsurteil in BFHE 263, 483).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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