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BFH: Unterbrechung der Verjährung – Pfändung im Arrestverfahren – schriftliche Geltendmachung des Haftungsanspruchs

Die Verjährung eines Anspruchs kann nur dann nach § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Verjährungsfrist bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Daher unterbricht eine Pfändung, die vor Beginn der Verjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist, die Verjährung nicht.

AO § 37 Abs. 1, § 228 Satz 2, § 229 Abs. 1 Satz 1, § 230, § 231, § 232, § 324

BFH-Urteil vom 23.8.2022, VII R 46/20 (veröffentlicht am 1.12.2022)

Vorinstanz: Sächsisches FG vom 18.3.2019, 5 K 907/18

I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Verjährung einer Haftungsschuld auch dann durch eine Sachpfändung unterbrochen werden kann, wenn diese im Rahmen eines Arrestverfahrens bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommen worden ist.

Am 28.08.1996 ordnete das Finanzamt Y den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) an, und zwar wegen der von der Firma X (GmbH) hinterzogenen Umsatzsteuern für 1995 in Höhe von … DM und für 1996 in Höhe von … DM. In der Be­gründung der Arrestanordnung wurde ausgeführt, der Kläger hafte als fakti­scher Geschäftsführer für die Umsatzsteuer der GmbH gemäß § 71 der Abga­benordnung (AO), hilfsweise gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO.

Am 30.08.1996 pfändete das Finanzamt Q in Vollziehung der Arrestan­ordnung in der Wohnung des Klägers eine Armbanduhr der Marke Rolex (Schätzwert: … DM) und ein mit Steinen besetztes Goldarmband (Schätz­wert: … DM). Der Kläger war bei der Pfändung anwesend und wurde an­schließend von der Polizei verhaftet.

Das Goldarmband wurde am 12.09.1998 zum Meistgebot von … DM verstei­gert.

Am 24.06.1998 erließ das Finanzamt Y gegen den Kläger einen auf § 71 AO gestützten Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer der GmbH für 1996 in Höhe von … DM.

Die Pfändung der Armbanduhr wurde auf die Klage der Sicherungseigentüme­rin hin durch Urteil des Landgerichts W (LG) vom 04.06.1999 für unzulässig erklärt und am 06.07.1999 aufgehoben.

Jeweils am 14.07.2004, am 15.10.2009 und am 14.02.2014 erfolgten weitere Vollstreckungsversuche.

Am 20.04.2017 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) einen Abrechnungsbescheid, demzufolge der Kläger aufgrund des Haftungsbe­scheids vom 24.06.1998 aus der Umsatzsteuer für 1996 noch einen verblei­benden Betrag von … € schuldete (entsprechend … DM).

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der angefochtene Abrechnungsbescheid sei rechtmäßig; insbesondere sei die strei­tige Haftungsschuld nicht verjährt. Der Anspruch aus dem Haftungsbescheid vom 24.06.1998 sei nach § 229 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 220 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 AO erstmals am 27.07.1998 fällig geworden. Eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung sei aber bereits am 30.08.1996 durch die Sachpfän­dung in der Wohnung des Klägers in Höhe der beigetriebenen Umsatzsteuer­forderung von … DM eingetreten und habe bis zur Freigabe der gepfändeten Armbanduhr durch das LG am 04.06.1999 fortgedauert. Un­schädlich sei, dass die Sachpfändung bereits im Rahmen des Arrestverfahrens und damit vor Fälligkeit der Haftungsschuld erfolgt sei; denn da das Arrestver­fahren als vorläufiges Sicherungsverfahren in das Beitreibungsverfahren über­geleitet werde, unterbreche die auf der Grundlage der Arrestanordnung durch­geführte Vollstreckungsmaßnahme die Verjährung in derselben Weise wie eine auf der Grundlage eines später erlassenen, die nämliche Steuerschuld betref­fenden Steuerbescheids durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme. Die fünfjäh­rige Verjährungsfrist des § 228 AO habe demnach mit Ablauf des Jahres 1999 begonnen und hätte mit Ablauf des Jahres 2004 geendet, sei aber durch den Vollstreckungsversuch am 14.07.2004 erneut unterbrochen worden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er trägt vor, anders als das FG habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Verjährung eines Anspruchs nur durch ein Ereignis unterbrochen werden könne, das nach Be­ginn der Verjährungsfrist eingetreten sei (Hinweis auf Senatsurteil vom 08.01.1980 ‑ VII R 81/77, BFHE 129, 534, BStBl II 1980, 306). Die mit Ablauf des Jahres 1998 angelaufene fünfjährige Frist zur Zahlungsverjährung sei da­her mangels Unterbrechungshandlung am 31.12.2003 abgelaufen.

Hilfsweise, wenn man der Auffassung des FG folgte, sei zu berücksichtigen, dass eine Sicherheitsleistung die Verjährung nur in Höhe der geleisteten Si­cherheit unterbreche (Hinweis auf BFH-Urteil vom 09.10.2002 ‑ V R 29/01, BFH/NV 2003, 143). Dadurch solle vermieden werden, dass durch die Pfän­dung geringfügiger Werte der Anlauf der Verjährungsfrist in Bezug auf die ge­samte Steuerschuld für die Dauer der Pfändung gehemmt werde. Daher werde auch bei Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren, also nach Beginn der Verjährung, die Verjährung nur in Höhe der Sicherheit unter­brochen. Zu Beginn der Verjährungsfrist Ende 1998 habe sich nur noch die Uhr im Wert von … € (entsprechend … DM) im Gewahrsam des Finanz­amts Q befunden. Nur in dieser Höhe sei daher die Verjährungsfrist ge­gebenenfalls noch bis zum 31.12.2004 gelaufen.

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 20.04.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.05.2018 dahinge­hend zu ändern, dass eine verbleibende Haftungsschuld von 0 € ausgewiesen wird,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 20.04.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.05.2018 da­hingehend zu ändern, dass eine verbleibende Haftungsschuld von … € ausgewiesen wird.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, das von dem Kläger zitierte Senatsurteil (in BFHE 129, 534, BStBl II 1980, 306) sei noch zur Reichsabga­benordnung (RAO) ergangen und könne nicht ohne weiteres auf die Regelun­gen der AO übertragen werden. Der Unterbrechungstatbestand einer erlangten Sicherheit im Arrestverfahren wirke gemäß § 231 Abs. 2 Satz 1 AO nicht punk­tuell, sondern sei auf Dauer angelegt. Er bewirke, solange er andauere, die Unterbrechung jeder in dieser Zeit laufenden Verjährungsfrist auch dann, wenn diese erst in dieser Zeit, für eine logische Sekunde bis zum Eintritt der Unterbrechung, zu laufen beginne (Hinweis auf Beschluss des Oberverwal­tungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ‑‑OVG NRW‑‑ vom 06.01.2015 ‑ 14 B 198/14, Kommunale Steuer-Zeitschrift ‑‑KStZ‑‑ 2015, 90, Rz 49).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben beide Beteiligte übereinstim­mend vorgetragen, dass am 25.05.2019 ein weiterer Vollstreckungsversuch unternommen wurde.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Die Vorentscheidung beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und ist daher aufzuheben. Das FG hat seiner Entscheidung eine un­zutreffende Auslegung von § 231 AO zugrunde gelegt.

Der erkennende Senat kann allerdings mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend darüber entscheiden, ob die streitige Haftungsschuld tatsächlich verjährt ist. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Der Haftungsanspruch gehört gemäß § 37 Abs. 1 AO zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und verjährt gemäß § 228 Satz 2 AO nach fünf Jahren.

a) Die Zahlungsverjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Ist ein Haf­tungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjäh­rung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam ge­worden ist (§ 229 Abs. 2 AO).

Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen (§ 232 AO).

b) Die Verjährung eines Anspruchs wird gemäß § 231 Abs. 1 AO durch die dort genannten Maßnahmen unterbrochen, entweder punktuell oder aber gemäß § 231 Abs. 2 AO für die dort bestimmte Dauer.

aa) "Unterbrochen" i.S. von § 231 Abs. 1 AO bedeutet, dass der nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO in Gang gesetzte Fristenlauf abgebrochen wird und mit Ab­lauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung endet, eine neue Verjäh­rungsfrist beginnt (§ 231 Abs. 3 AO, Prinzip der Kalenderverjährung). Die be­reits verstrichene Zeit bleibt somit unberücksichtigt (vgl. auch Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 1; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 231 AO Rz 2).

bb) Zu unterscheiden ist die Unterbrechung einer Frist von ihrer Hemmung. Letztere bewirkt nur ein Ruhen oder einen Stillstand des Fristlaufs. Im Fall der Anlaufhemmung wird der Beginn der Verjährungsfrist auf einen späteren Zeit­punkt hinausgeschoben; im Fall der Ablaufhemmung wird der planmäßige Ein­tritt der Verjährung hinausgeschoben (s. Banniza in HHSp, Vorbemerkung zu §§ 169 bis 171 AO Rz 31; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 1).

Für die Zahlungsverjährung ist eine Anlaufhemmung in § 229 Abs. 1 Satz 2 AO geregelt, demzufolge der Beginn der Verjährungsfrist in den dort genannten Fällen hinausgeschoben wird (vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 229 AO Tz 6; Kögel in Gosch, AO § 229 Rz 9).

Eine Ablaufhemmung enthält § 230 AO, nach dem die Zahlungsverjährung ge­hemmt ist, solange der Anspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden kann. Hemmung be­deutet hier, dass der Zeitraum, währenddessen die Hemmung besteht, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, dass aber nach dem Wegfall der Hemmung die bereits begonnene "alte" Verjährungsfrist weiterläuft (vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 230 AO Tz 1; Heuermann in HHSp, § 230 AO Rz 3; Kögel in Gosch, AO § 230 Rz 2).

cc) Schon aus dem Begriff der Unterbrechung und der Systematik der §§ 228 ff. AO folgt somit, dass eine Verjährungsfrist nur dann unterbrochen werden kann, wenn sie bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Mit­hin kann die Verjährung eines Anspruchs auch nur durch ein Ereignis unter­brochen werden, das nach dem Beginn der Verjährungsfrist eingetreten ist.

Dies hat der Senat in Bezug auf § 147 RAO bereits entschieden (Senatsurteil in BFHE 129, 534, BStBl II 1980, 306). Das gilt aber aufgrund der dargelegten Systematik der §§ 228 ff. AO und der rechtssystematischen Unterscheidung zwischen der Unterbrechung und der Hemmung einer Frist ebenso für § 231 AO (gleicher Ansicht: FG Hamburg, Urteil vom 24.10.1989 ‑ II 117/86, Ent­scheidungen der Finanzgerichte 1990, 458, unter 3.c bb der Entscheidungs­gründe; Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz 3; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 2 und 21; Koenig/Klüger, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 231 Rz 2; Kögel in Gosch, AO § 231 Rz 1 und 19; Kordt in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 231 AO Rz 43; BeckOK AO/Oosterkamp, 21. Ed. 01.07.2022, AO § 231 Rz 1 und 15; Baum in eKomm Ab 29.12.2020, § 231 AO, Rz 1 und 18 (Aktualisierung v. 06.04.2022); offengelassen im BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 143, unter II.2.b; anderer Ansicht: Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 231 Rz 15).

Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Begriff der Unterbrechung der Verjährung im § 217 des Bürgerli­chen Gesetzbuchs (BGB) in der Fassung vom 01.01.1964 bzw. dem diesen er­setzenden Begriff des Neubeginns der Verjährung in § 212 BGB. Danach setzt ein Neubeginn der Verjährung "denknotwendig voraus, dass die Verjährung schon in Gang gesetzt worden ist, und kann damit frühestens ab dem eigent­lichen Verjährungsbeginn einsetzen" (s. BGH-Beschluss vom 08.01.2013 ‑ VIII ZR 344/12, Neue Juristische Wochenschrift 2013, 1430, Rz 6, m.w.N.; ebenso: Staudinger/Peters/Jacoby (2019) BGB § 212 Rz 32; MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl., § 212 Rz 1; BeckOK BGB/Henrich, 63. Ed. 01.08.2022, BGB § 212 Rz 15).

dd) Eine Ausdehnung der Verjährungsunterbrechung auf den Fall einer Pfän­dung im Arrestverfahren (§ 324 AO), die noch vor Beginn der Verjährungsfrist vorgenommen worden ist, ist vom Sinn und Zweck des § 231 AO nicht ge­deckt.

(1) Der Sinn und Zweck der Regelungen zur Hemmung und zur Unterbrechung der Verjährung erschließen sich aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Re­gelungen über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche (s. dazu Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. 1, 1991, § 9 V 1., m.w.N.). Diese dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Sie ist eine "durch die Zweckmäßigkeit gebotene Einrichtung" (so bereits Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1924, S. 331); denn sie zwingt den Gläubiger, seine Ansprüche zügig geltend zu machen.

Damit berücksichtigen die Verjährungsvorschriften einerseits, dass die Erweis­barkeit von Ansprüchen oder auch ihre Abweisung umso schwieriger wird, je älter die Ansprüche werden (vgl. etwa Senatsurteil vom 31.01.1989 ‑ VII R 77/86, BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442; s.a. Drüen in Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zu §§ 169 bis 171 AO Tz 5, und Banniza in HHSp, Vorbemer­kung zu §§ 169 bis 171 AO Rz 6, jeweils m.w.N.). Sie haben zudem die Aufga­be, einen gegenwärtigen zeitnahen Steuervollzug zu gewährleisten (s. Haug, Die Verjährung im Steuerrecht, Dissertation 2012, S. 46 ff., 78 ff., m.w.N.).

Für den Steuerpflichtigen bedeuten sie andererseits, dass er nach Eintritt der Verjährung nicht mehr damit zu rechnen braucht, für die betreffenden Steuern in Anspruch genommen zu werden (s. Frotscher in Schwarz/Pahlke, a.a.O., § 169 AO Rz 1; Banniza in HHSp, Vorbemerkung zu §§ 169 bis 171 AO Rz 6). In diesem Sinne soll das Institut der Zahlungsverjährung dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber ein­kehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berück­sichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zah­len hat bzw. was ihm zu erstatten ist (Senatsurteile vom 27.10.2009 ‑ VII R 51/08, BFHE 227, 327, BStBl II 2010, 382, Rz 34, und vom 12.02.2008 ‑ VII R 33/06, BFHE 220, 225, BStBl II 2008, 504; Heuermann in HHSp, § 228 AO Rz 17; Kögel in Gosch, AO § 228 Rz 5).

Die Verjährungsvorschriften schaffen somit einen Ausgleich zwischen Fiskalin­teresse und Rechtssicherheit (s. Drüen in Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zu §§ 169 bis 171 AO Tz 6).

(2) Vor diesem Hintergrund sind die Bestimmungen zur Hemmung und zur Un­terbrechung der Zahlungsverjährung in den §§ 229 ff. AO als Ausnahmerege­lungen zu verstehen. Sie eröffnen dem Fiskus die Möglichkeit, über die Frist der fünfjährigen Regelverjährung hinaus den staatlichen Steueranspruch durchzusetzen. Das Bedürfnis des Steuerpflichtigen nach Rechtssicherheit muss in dem gesetzlich geregelten Umfang hinter dem Fiskalinteresse zurück­treten (kritisch zur Reichweite, insbesondere der Regelungen in § 231 AO: Drüen in Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zu §§ 169 bis 171 AO Tz 5).

Daraus folgt, dass die Regelverjährung nur in den Fällen gehemmt oder unter­brochen wird, die ausdrücklich im Gesetz geregelt sind. Das Gesetz enthält insbesondere in § 231 AO eine abschließende Aufzählung der Unterbrechungs­tatbestände (Senatsurteile vom 21.12.2021 ‑ VII R 21/19, BFHE 274, 409, BStBl II 2022, 295, Rz 30, und vom 24.09.1996 ‑ VII R 31/96, BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8, unter 2.a; Senatsbeschlüsse vom 17.09.2014 ‑ VII R 8/13, BFH/NV 2015, 4, Rz 9, und vom 10.11.2003 ‑ VII B 342/02, BFH/NV 2004, 315; BFH-Urteil vom 26.04.1990 ‑ V R 90/87, BFHE 160, 348, BStBl II 1990, 802, unter II.2.; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., Rz 21.345; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Tz 8; Klein/Rüsken, a.a.O., § 231 Rz 8; Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz 12; Kögel in Gosch, AO § 228 Rz 13).

Das schließt eine extensive Auslegung des § 231 AO zur Erfassung einer Sach­pfändung, die im Rahmen eines Arrestverfahrens bereits vor Fälligkeit der Haf­tungsschuld vorgenommen worden ist, aus; denn eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen zur Verjährungsunterbrechung würde den gesetzlich vorgesehenen Ausgleich zwischen Fiskalinteresse und Rechtssi­cherheit durchbrechen.

(3) Dass das Arrestverfahren mit dem Ergehen des Haftungsbescheids in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgesetzt wird, rechtfer­tigt kein anderes Ergebnis.

Sobald über den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, zu dessen Siche­rung der Arrest angeordnet worden ist, ein Steuerbescheid oder ‑‑wie im Streitfall‑‑ ein Haftungsbescheid ergangen ist, der die Vollstreckbarkeitsvo­raussetzungen des § 254 AO erfüllt, bedarf es der Arrestanordnung nicht mehr. Das Arrestverfahren wird in das normale Vollstreckungsverfahren über­geleitet und als solches fortgesetzt; die durch den Arrestvollzug erlangten Si­cherheiten bleiben bestehen und behalten ihren Rang (vgl. Senatsurteil vom 07.07.1987 ‑ VII R 167/84, BFH/NV 1987, 702, unter 2.a, m.w.N.; Senatsbe­schluss vom 20.09.2000 ‑ VII B 33/00, BFH/NV 2001, 458, unter 1.; s.a. Loose in Tipke/Kruse, § 324 AO Tz 85, und Hohrmann in HHSp, § 324 AO Rz 83f.). Damit stellt aber die Überleitung des Arrestverfahrens in das Voll­streckungsverfahren keine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme dar, die den Tatbestand des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erfüllen würde.

(4) Die Ausführungen des OVG NRW in dem vom FA zur Begründung seiner Rechtsauffassung in Bezug genommenen Beschluss in KStZ 2015, 90, Rz 51, nach denen ein auf Dauer angelegter Unterbrechungstatbestand, solange er andauere, die Unterbrechung jeder in dieser Zeit laufenden Verjährungsfrist bewirke, auch einer solchen, die erst in dieser Zeit "für eine logische Sekunde bis zum Eintritt der Unterbrechungswirkung" zu laufen beginne, widersprechen nicht nur dem Begriff des Unterbrechens, sondern heben auch die systemati­sche Unterscheidung zwischen der Unterbrechung und der Hemmung einer Verjährungsfrist auf und stehen damit im Widerspruch zur teleologischen Be­deutung der Verjährungsunterbrechung. Denn im Ergebnis liefe dies darauf hi­naus, dass man entweder den auf Dauer angelegten Unterbrechungstatbestän­den ‑‑auch‑‑ die Wirkung einer Anlaufhemmung zusprechen oder aber für den Fall einer Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AO analog anwenden würde. Aus den dargelegten Gründen kommt eine solche Rechtsanwendung nicht in Betracht.

Auch auf § 231 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AO lässt sich ein solches Ergebnis nicht stützen. Das OVG NRW legt hierzu dar (Beschluss in KStZ 2015, 90, Rz 49), aus § 231 Abs. 2 Satz 1 AO ergebe sich, dass die Unterbrechung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fortdauere, etwa bis zum Ablauf der Aussetzung der Vollziehung oder Stundung oder bis zum Erlöschen der Sicherheit. Diese Argumentation verkennt, dass § 231 Abs. 2 AO die Dauer der Unterbrechung regelt und nur dann von Bedeutung ist, wenn bereits einer der in § 231 Abs. 1 AO genannten Unterbrechungstatbestände verwirklicht worden ist.

2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen wäre die gegen den Kläger mit Bescheid vom 24.06.1998 festgesetzte Haftungsschuld nach den bisherigen Feststellungen des FG verjährt.

Die Zahlungsverjährung begann mit Ablauf des Jahres 1998 zu laufen und en­dete demzufolge mit Ablauf des Jahres 2003. Die Pfändung der Armbanduhr am 30.08.1996 konnte die Verjährung nicht nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO unterbrechen, weil die Pfändung erfolgt war, bevor die Zahlungsverjährung begonnen hatte. Der Umstand, dass die Pfändung erst am 06.07.1999 aufge­hoben wurde, ist insoweit ohne Bedeutung. Die weiteren, in den Jahren 2004, 2009 und 2014 ‑‑sowie gegebenenfalls 2019‑‑ vorgenommenen Vollstre­ckungsversuche hätten die bereits abgelaufene Verjährungsfrist nicht erneut in Gang setzen können.

3. Allerdings geht aus den dem erkennenden Senat vorliegenden Vollstre­ckungsakten hervor, dass im Jahr 1999 zunächst ein weiterer Termin zur Ver­steigerung der gepfändeten Uhr für den 20.03.1999 angesetzt wurde, der dann aber nicht ‑‑oder jedenfalls nicht zur Versteigerung der gepfändeten Uhr‑‑ durchgeführt wurde (s. Schriftsatz des Rechtsanwalts der Sicherungs­gläubigerin vom 27.02.1999, Bl. 69 der Vollstreckungsakten des Finanzamts Y, Bd. 2, und Schriftsatz des Finanzamts Q vom 02.03.1999, Bl. 70 der Vollstreckungsakten des Finanzamts Y, Bd. 2).

Abschnitt 51 Abs. 4 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Vollzie­hungsbeamte der Finanzverwaltung (Vollziehungsanweisung) vom 29.04.1980 (BStBl I 1980, 194) sieht für diesen Fall eine Benachrichtigung des Vollstre­ckungsschuldners vor.

Im Fall des für den 12.09.1998 angesetzten ‑‑ersten‑‑ Versteigerungstermins ist der Kläger auch entsprechend durch das Finanzamt Q benachrichtigt worden (s. Bl. 32 der Vollstreckungsakten des Finanzamts Y, Bd. 2). Dem dabei verwendeten Vordruck "Bekanntgabe des Versteigerungstermins" zufolge enthielt die Benachrichtigung zudem den Hinweis, dass der Kläger die Versteigerung abwenden könne, wenn er "bis zum obigen Versteigerungster­min dem Finanzamt die Zahlung der folgenden, noch offenen Beträge, für die gepfändet worden" sei, nachweisen würde. Dem Hinweis folgte der Zusatz "s. Anlage Haftungsbescheid" und die Benennung des damals noch offenen Be­trags von … DM.

Sollte sich feststellen lassen, dass im Zusammenhang mit dem für den 20.03.1999 vorgesehenen Versteigerungstermin ein entsprechendes Schreiben des Finanzamts Q an den Kläger gerichtet wurde ‑‑was sich aus den dem erkennenden Senat vorliegenden Vollstreckungsakten des FA und des Fi­nanzamts Y nicht ersehen lässt‑‑, so hätte die damit verbundene schriftliche Geltendmachung des Haftungsanspruchs gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AO eine Unterbrechung der mit Ablauf des Jahres 1998 angelau­fenen Verjährungsfrist bewirkt. Mit Ablauf des Jahres 1999 hätte demzufolge gemäß § 231 Abs. 3 AO eine neue Verjährungsfrist begonnen, die durch die weiteren Vollstreckungsversuche in den Jahren 2004, 2009 und 2014 ‑‑sowie gegebenenfalls im Jahr 2019‑‑ erneut unterbrochen worden wäre.

Ob dies der Fall ist, wird das FG im zweiten Rechtsgang aufzuklären und zu prüfen haben.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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