BFH zur Berücksichtigung von zurückgezahlten Erstattungszinsen im Sinne des § 233a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen
- Werden Erstattungszinsen zur Einkommensteuer im Sinne des § 233a Abs. 1 AO zugunsten des Steuerpflichtigen festgesetzt und an ihn ausgezahlt, und zahlt der Steuerpflichtige diese Zinsen aufgrund einer erneuten Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO an das Finanzamt zurück, kann die Rückzahlung zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen.
- Das Entstehen negativer Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG setzt voraus, dass die vom Steuerpflichtigen aufgrund der erneuten Zinsfestsetzung zu zahlenden Zinsen auf denselben Unterschiedsbetrag und denselben Verzinsungszeitraum entfallen wie die aufgrund der früheren Zinsfestsetzung erhaltenen Erstattungszinsen.
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 und 3
AO § 233a Abs. 1, Abs. 5
BFH-Beschluss vom 1.8.2023, VIII R 8/21 (veröffentlicht am 21.9.2023)
Vorinstanz: FG Münster vom 13.3.2020, 14 K 2712/16 E, F = SIS 21 15 76
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang eine teilweise Rückzahlung von erhaltenen und versteuerten Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2012 geltenden Fassung (EStG) zu berücksichtigen ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erklärte im Streitjahr bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen negative Einnahmen aus der Rückzahlung von Erstattungszinsen zur Einkommensteuer gemäß § 233a AO in Höhe von insgesamt ./. 32.743 €. Diesem Betrag lagen folgende, frühere Veranlagungszeiträume betreffende Zinsfestsetzungen zugrunde.
Für den Veranlagungszeitraum 2006 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) zunächst mit Bescheid vom 01.02.2010 Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ./. 46.184 € zugunsten des Klägers festgesetzt und an diesen ausgezahlt. Bei der Berechnung der Zinsen hatte es einen Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers in Höhe von 419.850 € und einen Verzinsungszeitraum vom 01.04.2008 bis zum 04.02.2010 (22 volle Monate) zugrunde gelegt. Mit Bescheid vom 14.12.2011 änderte das FA die Zinsfestsetzung in der Weise, dass es auf der Grundlage eines Unterschiedsbetrags zuungunsten des Klägers in Höhe von 85.000 € und eines Verzinsungszeitraums vom 01.04.2008 bis zum 19.12.2011 (44 volle Monate) Nachzahlungszinsen in Höhe von 18.700 € ermittelte, die es im Abrechnungsteil des Bescheids mit den bisher festgesetzten Zinsen in Höhe von ./. 46.184 € verrechnete. Den Differenzbetrag in Höhe von ./. 27.484 € setzte das FA als Zinsen zur Einkommensteuer zugunsten des Klägers fest. Die Differenz zwischen den nunmehr festgesetzten Zinsen in Höhe von ./. 27.484 € und den bereits erstatteten Zinsen in Höhe von ./. 46.184 € (= 18.700 €) zahlte der Kläger im Streitjahr an das FA.
Für den Veranlagungszeitraum 2007 hatte das FA zunächst mit Bescheid vom 01.02.2010 Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ./. 23.610 € festgesetzt und an den Kläger ausgezahlt. Bei der Berechnung der Zinsen hatte es einen Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers in Höhe von 472.200 € und einen Verzinsungszeitraum vom 01.04.2009 bis zum 04.02.2010 (10 volle Monate) zugrunde gelegt. Mit Bescheid vom 14.11.2012 änderte das FA die Zinsfestsetzung in der Weise, dass es auf der Grundlage eines Unterschiedsbetrags zuungunsten des Klägers in Höhe von 224.350 € und eines Verzinsungszeitraums vom 01.04.2009 bis zum 19.11.2012 (43 volle Monate) Nachzahlungszinsen in Höhe von 48.235,25 € ermittelte, die es im Abrechnungsteil des Bescheids mit den bisher festgesetzten Zinsen in Höhe von ./. 23.610 € verrechnete. Den Differenzbetrag rundete das FA auf 24.625 € ab und setzte diesen als Zinsen zur Einkommensteuer zulasten des Klägers fest. Die Differenz zwischen den nunmehr festgesetzten Zinsen in Höhe von 24.625 € und den bereits erstatteten Zinsen in Höhe von ./. 23.610 € (= 48.235 €) zahlte der Kläger im Streitjahr an das FA.
Für den Veranlagungszeitraum 2010 setzte das FA mit Bescheid vom 26.10.2012 Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von ./. 9.567 € zugunsten des Klägers fest. Die Zinsen wurden im Streitjahr an den Kläger ausgezahlt.
Der Kläger war der Auffassung, er habe in Höhe der Beträge von 18.700 € und 23.610 € lediglich bereits versteuerte Erstattungszinsen betreffend die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 an das FA zurückgezahlt. Dementsprechend gab er diese Beträge abzüglich der im Streitjahr an ihn ausgezahlten Erstattungszinsen in Höhe von 9.567 € betreffend den Veranlagungszeitraum 2010 in seiner Einkommensteuererklärung als negative Einnahmen im Rahmen der dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen an (= ./. 32.743 €). Der Kläger stellte den Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 30.07.2014 veranlagte das FA den Kläger erklärungsgemäß, indem es bei der Ermittlung der dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen die von dem Kläger erklärten negativen Kapitalerträge in Höhe von ./. 32.743 € mit positiven Kapitalerträgen in Höhe von 15.922 € verrechnete. Ebenfalls am 30.07.2014 erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2012, in dem es den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) in Höhe von 16.821 € feststellte. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Änderungsbescheid vom 29.06.2015 erkannte das FA die von dem Kläger im Streitjahr gezahlten Zinsen nur noch insoweit als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen an, als diese auf denselben Unterschiedsbetrag und denselben Verzinsungszeitraum wie die zuvor festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer entfielen. Im Übrigen behandelte es die gezahlten Beträge als nicht abzugsfähige Nachzahlungszinsen. Dementsprechend berücksichtigte das FA für den Veranlagungszeitraum 2006 statt 18.700 € nur noch einen Betrag in Höhe von 9.350 € (= 85.000 € x 22 x 0,5 %) sowie für den Veranlagungszeitraum 2007 statt 23.610 € nur noch einen Betrag in Höhe von 11.217,50 € (= 224.350 € x 10 x 0,5 %) als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen. Insgesamt ergaben sich danach negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von ./. 20.568 € (= ./. 9.350 € ./. 11.218 €), die das FA mit den im Streitjahr an den Kläger ausgezahlten Erstattungszinsen und weiteren positiven Kapitalerträgen verrechnete.
Den gegen den Einkommensteuerbescheid vom 29.06.2015 eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage beim Finanzgericht (FG) hatte aus den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2021, 1109 mitgeteilten Gründen keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Das angefochtene FG-Urteil verletze § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 233a Abs. 5 AO. Aus der Verweisung ergebe sich, dass § 233a AO auch für die einkommensteuerrechtliche Abgrenzung zwischen (negativen) Erstattungs- und Nachzahlungszinsen maßgeblich sei. Aus der in § 233a Abs. 5 Satz 3 AO für die Fälle geänderter Zinsfestsetzungen vorgesehenen Hinzurechnung bisher festzusetzender Zinsen zu dem sich nach § 233a Abs. 5 Satz 2 AO ergebenden Zinsbetrag folge, dass bis zur Höhe der bislang festgesetzten Zinsen lediglich die ursprüngliche Zinsfestsetzung rückabgewickelt werde. Zwar werde bei einem nach § 233a Abs. 5 AO geänderten Zinsbescheid nur das konsolidierte Ergebnis der Zinsberechnung im Festsetzungsteil des Bescheids als festzusetzende Zinsen ausgewiesen. Aus dem Abrechnungsteil gehe jedoch eine uneingeschränkte Saldierung der bisherigen Erstattungszinsen mit den nunmehr zulasten des Klägers berechneten Nachzahlungszinsen hervor. Für die vom FG vorgenommene Aufteilung des Steuernachzahlungsbetrags anhand des Verzinsungszeitraums und des Unterschiedsbetrags gebe es keine gesetzliche Grundlage. Sie führe zudem zu einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, weil der Kläger nur einen Teil der zurückgezahlten Zinsen als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend machen könne und er bei Betrachtung des Gesamtzeitraums Einnahmen versteuern müsse, über die er wirtschaftlich nicht habe verfügen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 13.03.2020 ‑ 14 K 2712/16 E, F aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuerfestsetzung unter Berücksichtigung von negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt ./. 42.310 € (zurückgezahlte Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 2006 in Höhe von ./. 18.700 € und zurückgezahlte Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 2007 in Höhe von ./. 23.610 €) erfolgt.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Senat hält ‑‑auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 27.07.2023‑‑ nach erneuter Beratung einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Dieser Verfahrensweise steht weder die Revisionszulassung durch den Senat noch der Umstand entgegen, dass der Kläger nach dem Anhörungsschreiben sein Begehren hinsichtlich der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.03.2022 ‑ V R 46/19, BFHE 275, 500, BStBl II 2022, 595, Rz 20 und vom 20.10.2021 ‑ XI R 19/20, Rz 25).
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Das FG hat die im Streitjahr steuerlich zu berücksichtigenden negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG der Höhe nach zutreffend ermittelt.
a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Zinsen sind alle Entgelte, die für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne aufzubringen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 08.04.1986 ‑ VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557 und vom 25.10.2022 ‑ VIII R 1/19, BFHE 278, 452, BStBl II 2023, 252, m.w.N.).
b) Zu den Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG gehören nach Satz 3 der Vorschrift auch Erstattungszinsen gemäß § 233a AO. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass auch bei einer vom Finanzamt "erzwungenen" Kapitalüberlassung in Höhe der zu viel erhobenen Steuer eine entgeltliche Kapitalüberlassung vorliegt. Die Steuererstattungsforderung ist eine Kapitalforderung, die so verzinst wird, als habe der Fiskus ein Darlehen erhalten, das ihm der Steuerpflichtige ‑‑wenn auch gezwungenermaßen‑‑ gewährt hat (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.1975 ‑ VIII R 104/70, BFHE 115, 216, BStBl II 1975, 568; BFH-Beschluss vom 17.05.2021 ‑ VIII B 85/20).
c) Da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO dem steuerbaren Bereich zuordnet, führt die Rückzahlung erhaltener Erstattungszinsen durch den Steuerpflichtigen grundsätzlich zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG. Hierdurch unterscheidet sich die Rückzahlung von zunächst vereinnahmten Erstattungszinsen von der (erstmaligen) Begleichung von Nachzahlungszinsen, die gemäß § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG der Sphäre der steuerrechtlich unbeachtlichen Einkünfteverwendung zugewiesen sind (BFH-Urteil vom 15.04.2015 ‑ VIII R 30/13, juris, Rz 27; BFH-Beschluss vom 06.03.2019 ‑ VIII B 94/18, Rz 6). Aufgrund dieser durch das materielle Recht vorgegebenen Unterscheidung können nicht in jeder durch eine geänderte Zinsfestsetzung gemäß § 233a Abs. 5 AO ausgelösten Rückzahlung zuvor festgesetzter Zinsen negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG entstehen. Negative Einnahmen in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn die Rückzahlung der Zinseinnahmen durch das der Auszahlung zugrundeliegende Rechtsverhältnis veranlasst ist, es also zu einer Rückabwicklung der früheren Zinszahlung kommt (vgl. BFH-Urteile vom 16.06.2015 ‑ IX R 26/14, BFHE 250, 362, BStBl II 2015, 1019, Rz 20 und vom 17.09.2009 ‑ VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299, unter II.1.a). Diese Voraussetzung ist in den Fällen, in denen ‑‑wie im Streitfall‑‑ zunächst Erstattungszinsen zugunsten des Steuerpflichtigen festgesetzt und an diesen ausgezahlt werden und es später zu einer Änderung der festgesetzten Steuer zuungunsten des Steuerpflichtigen und damit zu einer Neufestsetzung der Zinsen kommt, nur insoweit erfüllt, als die aufgrund der erneuten Zinsfestsetzung von dem Steuerpflichtigen an das Finanzamt gezahlten Zinsen für denselben Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233a Abs. 5 Satz 2 bis 4 AO und denselben Verzinsungszeitraum anfallen. Denn nur insoweit ist die Rückzahlung der Zinsen an das Finanzamt durch das der Auszahlung von Erstattungszinsen zugrundeliegende Rechtsverhältnis veranlasst. Soweit es hingegen an einer zeitlichen und betragsmäßigen Überschneidung der gegenläufigen Unterschiedsbeträge und Verzinsungszeiträume fehlt, liegt keine Rückzahlung erhaltener Erstattungszinsen, sondern die (erstmalige) Zahlung von Nachzahlungszinsen vor (vgl. FG Hamburg, Urteile vom 23.10.2003 ‑ V 288/01, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2004, 498 und V 295/01, EFG 2004, 501; FG München, Urteil vom 02.02.2021 ‑ 6 K 1871/20, DStRE 2021, 1224; gleicher Ansicht Neblung, Der Steuerberater 2004, 254, 255 ff.).
d) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der aufgrund einer erneuten Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 AO gezahlten Zinsen nicht darauf an, welcher Zinsbetrag abschließend festgesetzt worden ist. Denn da in die erneute Zinsfestsetzung gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 AO die vorher festgesetzten Zinsen und die nach dem Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233a Abs. 5 Satz 2 AO neu festzusetzenden Zinsen einfließen, kann es im Einzelfall dazu kommen, dass bei der Zinsfestsetzung Erstattungs- und Nachzahlungszinsen miteinander verrechnet werden, so dass der festgesetzte Zinsbetrag ‑‑wie auch im Streitfall‑‑ aus um Nachzahlungszinsen gekürzte Erstattungszinsen besteht. Würde man daher bei der Frage, in welchem Umfang die Rückzahlung erhaltener Zinsen als Rückerstattung von Erstattungszinsen oder als erstmalige Zahlung von Nachzahlungszinsen anzusehen ist, an den im Festsetzungsteil des Zinsbescheids enthaltenen Saldo anknüpfen, wären im Ergebnis auch einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Nachzahlungszinsen steuermindernd berücksichtigt, was der gesetzlichen Wertung des § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG zuwiderliefe. Zudem würden bei einer solchen Betrachtung auch solche Zinsbeträge berücksichtigt, die außerhalb des ursprünglichen Verzinsungszeitraums liegen und deshalb schon begrifflich nicht "rückabgewickelt" werden können. Im Übrigen stünde eine Verrechnung der gegenläufigen Zinsforderungen bis zur Höhe der zunächst erhaltenen Erstattungszinsen auch nicht mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Einklang, die hinsichtlich des Vorliegens einer sonstigen Kapitalforderung nach ihrem Wortlaut auf die jeweilige Kapitalforderung, nicht aber auf einen Saldo von Kapitalforderungen abstellt. Der gemäß § 233a Abs. 5 AO einheitlich neu festgesetzte Zinsbetrag stellt daher nur einen rechnerischen Saldo aus den einzubeziehenden Erstattungs- und Nachzahlungszinsen dar, dem jedoch keine materielle Aussage über die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der gegenläufigen Zinsfestsetzungen zu entnehmen ist.
e) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG die im Streitjahr zu berücksichtigenden negativen Einnahmen des Klägers aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG der Höhe nach zutreffend ermittelt.
aa) Für den Veranlagungszeitraum 2006 betraf die mit Zinsbescheid vom 14.12.2011 aufgrund eines negativen Unterschiedsbetrags in Höhe von 85.000 € zulasten des Klägers ermittelte Zinsschuld in Höhe von 18.700 € den Verzinsungszeitraum 01.04.2008 bis zum 19.12.2011 (44 volle Monate). Damit entfielen die in Bezug auf diesen Unterschiedsbetrag berechneten Zinsen nur für den Zeitraum 01.04.2008 bis zum 04.02.2010 (22 volle Monate) auf denselben Verzinsungszeitraum wie die im Bescheid vom 01.02.2010 ermittelten Zinsen. Dementsprechend ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger für den Veranlagungszeitraum 2006 an das FA gezahlten Zinsen nur in Höhe von 9.350 € (= 85.000 € x 22 x 0,5 %) zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG führen, während die im Zeitraum vom 05.02.2010 bis zum 19.12.2011 (22 Monate) angefallenen Zinsen in Höhe von ebenfalls 9.350 € einen anderen Verzinsungszeitraum betreffen und damit nicht mehr auf einer Rückabwicklung der ursprünglichen Zinsfestsetzung vom 01.02.2010 beruhen. Bei diesen Zinsen handelt es sich daher ‑‑wie vom FG erkannt‑‑ um nach § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Nachzahlungszinsen.
bb) Für den Veranlagungszeitraum 2007 betraf die mit Zinsbescheid vom 14.11.2012 aufgrund eines negativen Unterschiedsbetrags in Höhe von 224.350 € zulasten des Klägers ermittelte Zinsschuld in Höhe von 48.235,25 € den Verzinsungszeitraum 01.04.2009 bis zum 19.11.2012 (43 volle Monate). Damit entfielen die hinsichtlich dieses Unterschiedsbetrags berechneten Zinsen nur für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 04.02.2010 (10 volle Monate) auf denselben Verzinsungszeitraum wie die im Bescheid vom 01.02.2010 ermittelten Zinsen, mit der Folge, dass die im Streitjahr geleistete Zinszahlung nur in Höhe von 11.217,50 € (= 224.350 € x 10 x 0,5 %) zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen führt. Die Zahlung des verbleibenden Zinsbetrags in Höhe des vom FG ermittelten Betrags von 37.017,50 € (= 224.350 € x 33 x 0,5 %) entfällt auf einen anderen Verzinsungszeitraum und ist damit nicht mehr als auf demselben Rechtsverhältnis wie die ursprüngliche Zinsfestsetzung beruhend anzusehen.
cc) Danach ergeben sich negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG in Höhe von insgesamt 20.568 € (= 9.350 € + 11.218 €), die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind, weil sie im Streitjahr vom Kläger an das FA gezahlt wurden. Sie sind mit den positiven Kapitalerträgen, die dem Kläger im Streitjahr gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind, zu verrechnen (§ 20 Abs. 6 Satz 1 EStG). Der nach Saldierung mit positiven Kapitalerträgen aufgrund von Erstattungszinsen verbleibende Betrag in Höhe von ./. 11.001 € ist daher im angefochtenen Einkommensteuerbescheid, wie vom FG erkannt, zutreffend in voller Höhe mit sonstigen positiven Kapitalerträgen des Klägers verrechnet worden.
2. Die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip darin sieht, dass er nur einen Teil der an das FA gezahlten Zinsen als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend machen könne, folgt dies aus der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen. Die Anordnung der Besteuerung von Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG im Vergleich zur Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen gemäß § 12 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG verstößt, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil dem Entstehen von Nachforderungsansprüchen einerseits und von Erstattungsansprüchen andererseits unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen, die in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung und ihrer steuerrechtlich maßgeblichen Veranlassung nicht miteinander vergleichbar sind (BFH-Urteil vom 15.04.2015 ‑ VIII R 30/13, juris, Rz 27 f.; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.07.2023 ‑ 2 BvR 1711/15).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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