Beim Erwerb weiterer Flächen aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG gegen Zahlung eines Kaufpreisaufschlags führt die nur wertmäßige Zuordnung eines Teils des bereits für andere Flächen entrichteten Kaufpreises zu den neuen Flächen nicht zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
AO § 38
AusglLeistG § 3 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1, Abs. 7a Satz 1 und 3, Abs. 7b Satz 2
BGB § 433 Abs. 1
FlErwV § 5 Abs. 1 Satz 1
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern vom 5.6.2014, 3 K 413/12 = SIS 15 11 83
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb am 5.9.2006 durch notariell beurkundeten Vertrag nach § 3 Abs. 5 des Ausgleichsleistungsgesetzes - AusglLeistG - (BGBl I 2004, 1665) mehrere Grundstücksflächen (Grundstücke 1) zu einem Kaufpreis von 271.600 €. Der Kaufpreis wurde vollständig entrichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte für diesen Erwerb ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 271.600 € bestandskräftig Grunderwerbsteuer fest.
Nachdem durch eine gesetzliche Neuregelung (vgl. § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG in der ab dem 31.3.2011 geltenden Fassung - AusglLeistG n.F. -, eingefügt durch das Zweite Flächenerwerbsänderungsgesetz vom 21.3.2011, BGBl I 2011, 450) die Möglichkeit eröffnet worden war, den Verkehrswert der Grundstücke 1 nach den Verhältnissen im Jahr 2004 zu ermitteln und nach Maßgabe der Wertdifferenz zum gezahlten Kaufpreis weitere Flächen zu erwerben, erwarb der Kläger mit notariell beurkundeter Nachtragsvereinbarung vom 13.3.2012 zusätzliche Grundstücksflächen (Grundstücke 2). Hierfür war ein Kaufpreisaufschlag (§ 3 Abs. 7a Satz 3 AusglLeistG n.F.) in Höhe von 10.008,54 € zu zahlen. In der Nachtragsvereinbarung wurde der Kaufpreis von 271.600 € in Höhe von 58.290,75 € den Grundstücken 2 zugeordnet.
Das FA setzte für den Erwerb der Grundstücke 2 mit Bescheid vom 1.6.2012 Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.390 € gegen den Kläger fest. Als Bemessungsgrundlage legte es den auf die Grundstücke 2 anteilig entfallenden Kaufpreis von 58.290,75 € sowie den Kaufpreisaufschlag von 10.008,54 € zugrunde.
Die Klage, mit der sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Einbeziehung des anteiligen Kaufpreises von 58.290,75 € in die Bemessungsgrundlage wandte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, für den Erwerb der Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 sei ein Gesamtkaufpreis vereinbart worden. Diesen habe der Kläger nach Abschluss des Kaufvertrags vom 5.9.2006 vollständig entrichtet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer für den Erwerb der Grundstücke 2 sei nur der Kaufpreisaufschlag.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sowie des § 38 der Abgabenordnung (AO).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat für den Erwerb der Grundstücke 2 zu Recht den anteilig zugeordneten Kaufpreis nicht als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer herangezogen.
1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sich diese Rechtsvorgänge auf inländische Grundstücke beziehen.
a) Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Erwerbsvorgang knüpft allein an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft an (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.4.2013 II R 53/10, BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755, Rz 13). Maßgeblich für die Verwirklichung des grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestands ist damit die Entstehung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks (§ 433 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) in der Person des Steuerpflichtigen.
b) Der Kläger erlangte durch die schuldrechtliche Vereinbarung vom 13.3.2012 den Anspruch auf Übereignung der Grundstücke 2. Damit hat der Kläger zu diesem Zeitpunkt den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Mit der Verwirklichung des Tatbestands ist Grunderwerbsteuer entstanden (§ 38 AO).
2. Der in der Nachtragsvereinbarung den Grundstücken 2 anteilig zugeordnete Kaufpreis in Höhe von 58.290,75 € ist nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.
a) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die dieser als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (BFH-Urteil vom 18.6.2014 II R 12/13, BFHE 246, 211, BStBl II 2014, 857, Rz 9, m.w.N.).
b) Der den Grundstücken 2 anteilig zugeordnete Kaufpreis von 58.290,75 € ist keine Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb dieser Grundstücke.
aa) Maßgebend für den Umfang der Gegenleistung ist das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die kaufvertraglich begründete Übereignungsverpflichtung (vgl. BFH-Urteil vom 30.3.2009 II R 62/06, BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854, m.w.N.).
bb) Nach der Auslegung des FG bildete die Nachtragsvereinbarung mit dem Kaufvertrag eine Einheit. Für den Erwerb der Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 ist ein Gesamtkaufpreis gebildet worden. Der Kläger musste aufgrund der Nachtragsvereinbarung keinen zusätzlichen Kaufpreis für den Erwerb der Grundstücke 2 zahlen. Zu entrichten war nur der vereinbarte Kaufpreisaufschlag nach § 3 Abs. 7a Satz 3 AusglLeistG n.F.
Diese Vertragsauslegung bindet den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO. Sie ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder die Grundsätze der Vertragsauslegung (vgl. BFH-Urteil vom 10.8.2016 XI R 41/14, BFHE 255, 300, Rz 40).
cc) Beim Erwerb weiterer Flächen aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG gegen Zahlung eines Kaufpreisaufschlags führt die nur wertmäßige Zuordnung eines Teils des bereits für andere Flächen entrichteten Kaufpreises zu den neuen Flächen nicht zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
§ 3 Abs. 7b Satz 2 AusglLeistG billigt einem Berechtigten, der - wie der Kläger - sein Erwerbsrecht bereits ausgeübt hat, ausdrücklich einen Anspruch auf den Erwerb weiterer Flächen zu, soweit die Kaufpreisbestimmung nach § 3 Abs. 7a AusglLeistG n.F. zu einem höheren Erwerbsumfang führt. Nach § 3 Abs. 7a Satz 1 AusglLeistG n.F. gilt bei Verkäufen an Berechtigte der Wert als Verkehrswert i.S. des § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG, wie er sich aus den im Bundesanzeiger vom 21.7.2004 veröffentlichten Werten der "Bekanntmachung der Regionalen Wertansätze 2004 für Ackerland und Grünland nach der Flächenerwerbsverordnung" ergibt. Liegen keine regionalen Wertansätze vor, ist der Verkehrswert gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der Flächenerwerbsverordnung zum Wertermittlungsstichtag 1.1.2004 zu ermitteln (§ 3 Abs. 7a Satz 2 AusglLeistG n.F.).
Im Streitfall hatte der Kläger nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG n.F. einen Anspruch auf einen weiteren Erwerb von Flächen. Der zusätzliche Erwerb der Grundstücke 2 laut Nachtragsvereinbarung vom 13.3.2012 beruht damit auf einem gesetzlichen Anspruch. Aufgrund der niedrigeren, auf die Verhältnisse im Jahr 2004 abgestellten Wertermittlung für die Grundstücke reichte der im Vertrag vom 5.9.2006 vereinbarte Kaufpreis für den Erwerb weiterer Grundstücksflächen aus. Die in der Nachtragsvereinbarung vom 13.3.2012 vorgenommene Zuordnung eines anteiligen Kaufpreises zum Erwerb der Grundstücke 2 ist nicht als Vereinbarung eines Kaufpreises zu verstehen. Durch die Zuordnung wird vielmehr nur dokumentiert, dass mit der Übereignung der Grundstücke 2 der Anspruch des Klägers auf den Hinzuerwerb erfüllt ist. Dass sich der Anspruch des Klägers gerade auf einen solchen Hinzuerwerb bezogen hat, wird durch den Umstand bestätigt, dass eine Abfindung des Erwerbsanspruchs in Geld gesetzlich nicht vorgesehen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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